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Dress it like Steve
Anfang Oktober ist Steve Jobs gestorben. Wer nicht gerade in Apple verknallt ist und sich auch sonst selten mit den Erfindern der Dinge befasst, die er benutzt, nahm die Meldung vielleicht eher im Vorübergehen und mit einem erstaunt-respektvollen „Oh“ entgegen.
In den Tagen nach Jobs’ Tod am 5. Oktober 2011 durften die „Oh“-Sager sich aber davon überzeugen lassen, dass man dem Tod von Steve Jobs nicht mit einem einfachen „Oh“ gerecht wird. Er war, das lernte man, nicht nur ein einfacher Erfinder. Vom „Visionär“ und ganz vielen weiteren tollen Titeln war die Rede. Selbst sehr Apple-entfernte und extrem wurstige „Oh“-Sager lernten bald auf allen Sendern Details über das Leben des Computerexperten, nach denen sie nicht gefragt hatten, die aber schließlich doch interessant waren. Man muss ja auch ein Herz aus Chips haben, wenn man am Ende des Nachrufs von Steve Jobs’ Schwester Mona Simpson in der New York Times nicht heftig schluckt. „Oh wow. Oh wow. Oh wow.“ sollen die letzten Worte gewesen sein, die Jobs sagte.
Schon am 24. Oktober erschien „Steve Jobs: A Biography“. In der Biografie malt Autor Walter Isaacson ein superdetailliertes Bild von Jobs. Unter anderem erklärt er, wie es zu Jobs’ schlichtem und holzschnittartigem Kleidungsstil kam. Er war so wiedererkennbar wie Gerwald Claus-Brunner, der Typ aus der Piratenpartei, der immer mit Latzhose und Kopftuch durch Berlin geht. Jobs hatte keine Latzhose, er trug bei öffentlichen Auftritten meist schwarze Rollkragenpullover. Der Grund dafür liegt in den 80er Jahren, schreibt Walter Isaacson. Steve Jobs besuchte das Unternehmen "Sony", wo die Menschen bei der Arbeit Uniformen trugen. Das Unternehmen hatte sie nach dem Zweiten Weltkrieg der Einfachheit halber an die Mitarbeiter rausgegeben, weil viele keine ordentliche Kleidung hatten. Die Sony-Menschen erklärten Jobs, dass die Uniformen das Zusammengehörigkeitsgefühl im Unternehmen stärkten. Jobs bestellte probehalber eine uniform-mäßige Weste, die alle Apple-Mitarbeiter tragen sollten. „Oh Mann, haben die mich auf der Bühne ausgebuht. Alle hassten die Idee“, erinnert sich Jobs in Isaacsons Buch. Aber der Computermann bekam die Uniformidee nicht mehr aus dem Kopf. Aus Bequemlichkeit und „um einen eigenen Stil zu vermitteln“ bestellte er bei Issey Miyake, der die Sony-Uniformen gestaltet hatte, schwarze Rollkragenpullover. „Und er stellte gleich Hunderte für mich her“, sagt Jobs in Isaacsons Biografie.
Im Frühjahr 2010 schickte der Berliner David von Rosen einen schwarzen Kaschmirpullover seines Labels „Vonrosen“ zu Steve Jobs nach Kalifornien. „Wir dachten: Das wäre doch klasse, wenn Steve unseren Pullover trüge“, sagte von Rosen neulich im Interview mit sueddeutsche.de. Tatsächlich schien Jobs der 420 Euro teure Pullover zu gefallen. Anfang dieses Jahres registrierte er sich auf der Website von David von Rosens Label und bestellte mehrere Modelle. Als er im Juni bei seinem letzten öffentlichen Auftritt die iCloud vorstellte, trug er einen Pullover aus Berlin. Nach Jobs’ Tod geschah dann etwas Seltsames. Fans des Apple-Gründers waren auf der Suche nach so etwas wie Devotionalien, nach Erinnerungsstücken. Sie wollten sich offenbar so einkleiden wie der verstorbene Erfinder, sie wollten ein kleines Stück vom Genie. Ein älteres Modell von Jobs’ Pullovern – er trug Zeit seines Lebens diverse Modelle – war bald ausverkauft. Dann orientierten sich die Pulloverliebhaber nach Berlin. „Die Nachfrage ist enorm“, berichtete David von Rosen. Bildschirmgroß wird der Pulli auf von Rosens Webseite vorgestellt. Wenn man gerade im Buchhandel war und Steve Jobs in Brille und Pullover vom Cover seiner Biografie schauen sah, ist man einen Moment konsterniert, weil man nicht nur einen Pullover, sondern einen Pullover ohne den zugehörigen Menschen zu sehen meint.
Und nun noch die Brille. Die kam auch aus Deutschland. Steve Jobs trug zuletzt eine „Lunor Classics round PP“ der Marke Lunor aus Althengstett im Schwarzwald. Optikermeister Ulrich Fux von Lunor sagte in der FAZ, dass Jobs die 450 Dollar teure Brille vermutlich in New York gekauft habe. „Wir haben das lange Jahre nicht gewusst“, gab er zu. Nach dem Tod geschah dann ähnliches wie bei den Pullovern. Viele Menschen interessierten sich für die Markenzeichen des Apple-Gründers und damit eben auch für die Brille. Die Lunor-Brille, die Jobs trug, wird in Passau hergestellt. Dort heißt es, dass man in den vergangenen drei Wochen etwa 600 Brillen des Typs „Classic round PP“ hergestellt habe. Normalerweise seien in den vergangenen Jahren je Jahr nicht mehr als 100 Exemplare hergestellt worden.
Was lernt man nun? Gute Pullis und gute Brillen kosten Geld. Das ist das eine. Das andere: Es ist eigentlich nicht so schwierig, unverwechselbar zu werden. Man muss sich nur jeden Tag so kleiden wie am Tag vorher und am Tag vorher. Das klingt leicht. Aber wenn man so nachdenkt, muss man gestehen: Es gehört Mut dazu, sich immer in die gleichen Klamotten zu begeben. Es gehört Konsequenz dazu. Und wahrscheinlich der sehr unbedingte Wille, den Menschen als einzigartig und unverwechselbar in Erinnerung zu bleiben. Den scheint Steve Jobs gehabt zu haben. Das haben mittlerweile auch die „Oh“-Sager verstanden.
Text: peter-wagner - Foto: ap