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Rap Review Rendezvous – Vol. III. Wir hören neue Platten mit DJ Craft von K.I.Z.

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In dieser Kolumne geht es um einen Dialog. Um ein Zwiegespräch zwischen DJ und Rezensent. Und von Rap-Postille bis Feuilleton hat in den letzten Jahren kaum eine Band für so viel positiven Gesprächsstoff gesorgt wie K.I.Z. Trotz sexueller Anspielungen, massenhaft Fäkalhumor und verbalem Griff in die Weichteile standen die vier Berliner Jungs immer auf der guten Seite des bösen HipHops – und zwar, weil sie nicht nur ohne Zweifel ihr Handwerk beherrschen und eine längst vergessene Frische zurückgebracht haben, sondern sich auch mit einer großartigen Form von Selbstironie durch das dichte Dickicht mannigfaltiger Ghetto-Tales geboxt und wieder Spaß ins Spiel gebracht haben. Einmal mehr nachzuhören auf der ersten Single-Auskopplung „Straße“ ihres lang erwarteten neuen Albums.

Aber jetzt geht es los mit dem Rap Review Rendezvous und Asher Roth / Asleep in The Bread Aisle

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

jetzt.de: Als DJ kanntest du seine Single „I Love College“ doch bestimmt schon, oder? DJ Craft: Klar, und ich mag den Track. Das ist ein leichter Sommersong, nicht zu verkopft, mit ein bisschen Oldschool-Flavour. Der wirkt fast ein bisschen hingeballert, geht aber wirklich gut ins Ohr und hat den besten Refrain des Albums. Einzig „Be By Myself“ ist ähnlich stark und beinhaltet einen der besten Feature-Parts von Cee-Lo (Gnarls Barkley) seit langem.

Der Typ hat einen College-Abschluss und ist Grundschullehrer – kann man mit diesen Qualifikationen wirklich ein respektierter Rapper werden? Es gibt durchaus Stücke, in denen er damit spielt, indem er zum Beispiel rappt: „Ich habe ein Auto, ich habe Bräute, ich habe einen Bachelor.“ Das fand ich geil. Allerdings holt er sich auch gerne mal einen darauf runter, wenn er einen guten Spruch gebracht hat. Das wirkt dann leider ein bisschen Klugscheißer-mäßig. Asher Roth ist ein weißer amerikanischer Rapper, sodass die Eminem-Vergleiche nicht ausbleiben. In „As I Em“ hat er das thematisiert. Hörst du bei ihm Parallelen zu Eminem heraus? Nein, das ist etwas völlig anderes. Es war natürlich logisch, dass diese Vorwürfe kommen und ich finde es gut, dass er darauf reagiert – aber zutreffen tut das nicht. Gerade deswegen schätze ich ihn aber auch, weil er sich eben durch einen anderen Style auszeichnet. Man merkt ihm jedoch mit jedem Wort an, dass er kein Afroamerikaner ist. Schon durch die Art und Weise, wie er redet. Und inhaltlich merkt man bei ihm auch, dass sich seine HipHop-Sozialisation gar nicht so sehr davon unterscheidet, wie die Jugendlichen hierzulande mit HipHop groß worden sind. Das fand ich schön zu hören. Ist das denn für dich schlicht und ergreifend Rap-Musik oder eher Rap für Leute, die eigentlich keinen Rap mögen? Das ist auf jeden Fall keine Rap-Musik für MCs, dafür ist Asher Roth vom Rap her nicht stark genug und hat zu viel Pop-Appeal. Man kann seine lyrischen Fähigkeiten nicht mit denen eines Eminem, Jay-Z oder Ludacris vergleichen. Das ist noch eine ganz andere Liga. Asher Roth soll es mit seiner Platte vor allem darum gegangen sein, Spaß und Ausgelassenheit wieder zurückzubringen. Ist ihm das deiner Ansicht nach gelungen? Ja, auf jeden Fall. Deswegen finde ich die Platte auch so cool. Die hat vielleicht nicht das Potenzial zu einem Evergreen, weil da kein Song drauf ist, bei dem man das Gefühl hat, dass er damit anhaltend etwas verändern würde. Aber wo er herkommt, wen er anspricht, was er in seine Texte einbaut – das finde ich schon alles sehr gut und zeitgemäß. Songs wie „I Love College“ oder „Be By Myself“ würde ich jederzeit in meine DJ-Sets einbauen.


DOOM / BORN LIKE THIS

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

DOOM ist ein Künstler, dessen Zeug man entweder liebt oder hasst. Wie ist es bei dir? Liebe wäre vielleicht etwas zu viel gesagt, aber ich finde sein Zeug auf jeden Fall interessant. Der Typ hat Charakter und zieht sein Ding durch, zumindest in Bezug auf diese Platte. Dieses Album stellt ihn jetzt nach all den Jahren im Geschäft auch zum ersten Mal richtig vor. Vorher waren viele seiner Songs überall verstreut, deshalb finde ich es gut, dass er auch ein paar ältere Songs mit auf die Platte gepackt hat. Ich mag auch seinen Kollagen-Style, der ein bisschen nach 90er-Jahre-Revival klingt. Sehr abgedreht. Und ich mag seinen Humor. Auf „Supervillainz“ verarscht er mit Kurious, Slug und Mobonix zum Beispiel T-Pain und dieses ganze Autotune-Pop-Ding auf einem Beat, der mit Absicht total kacke klingt. So etwas feiere ich auf jeden Fall. Du hast gerade den 90er-Jahre-Sound angesprochen. Ist das denn etwas, das heute trotzdem noch funktioniert oder hätte DOOM da ein gewisses Maß an Modernität gut getan? Er hat das natürlich bewusst gemacht, zumal es zurzeit ja wieder einen entsprechenden Hype gibt. Es gibt gerade wieder überall 90er-Jahre-HipHop-Partys. Denn die ganzen Leute, die Ende der 90er/Anfang 2000 HipHop gehört haben und dann auf Elektro, Rock oder Metal umgeschwenkt sind, haben jetzt auf einmal wieder Bock, die alten HipHop-Songs aus den 90ern zu hören. Diese 90er-Jahre-HipHop-Partys sind meiner Meinung nach die neuen Ü-30-Partys.

Wie hörst du als DJ denn überhaupt Musik? Steht für dich die Produktion im Vordergrund, achtest du viel auf die Texte oder sind es eher die Songstrukturen? In erster Linie achte ich auf den Beat. Der muss reinknallen. An zweiter Stelle dann auf die Texte. Bei DOOM sind viele Sachen rough und dreckig, nicht so geil ausproduziert. Ihm geht es vordergründig um den Text. Deshalb habe ich mich mehr darauf konzentriert. Der Typ ist wirklich total abgedreht. Der hat einen Knall. Stellenweise hat der mich von seinem Wahnsinn her an Ol’ Dirty Bastard erinnert.

Du hast eben gesagt, dass du immer auf eine gewisse Catchiness achtest. Die gibt es beim DOOM-Album ja nun gar nicht. Das stimmt. Bei ihm finde ich aber dieses Abgedrehte spannend. Das ist aber definitiv keine Musik, die ich auflegen würde. Eher etwas für zuhause. Da passiert viel, da ist Abwechslung drin, er benutzt viele Film-Samples, erzählt verrückte Geschichten, hat vollkommen an den Haaren herbeigezogene Punchlines und Vergleiche, die im Kontext aber wiederum absolut Sinn machen. Und wenn man dazu eine schöne Tüte raucht, dann ist das super.


Coolio / Steal Hear

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Wie fandest du denn das Coolio-Album? Wessen? Ach so, Coolio. Ganz schön traurig. Der hätte sich die Platte auch sparen können. Ich war ja fast positiv überrascht. Ich hatte es mir schlimmer vorgestellt. Ja, stimmt schon. Stellenweise habe ich mir das auch gedacht. Trotzdem: Das ist absolut nichts Neues. Er hat versucht, jedes Klischee zu bedienen. Und es gibt keinen Song, den ich wirklich bis zum Ende durchgehört habe. Dazu war ich echt nicht in der Stimmung. In was für einer Stimmung hättest du dafür denn sein müssen? Einfach Party-mäßig nach dem Motto: Wir gehen jetzt in den 2Be-Club und trinken Wodka Red Bull. Mich hätte dort zwar auch nicht interessiert, von wem die Songs jetzt sind, aber besoffen hätte ich dazu wahrscheinlich ein bisschen getanzt. Die Platte enthält viele Songs seines letzten Albums „Return Of The Gangsta“. Für „Steal Hear“ hat er bloß die damaligen Füller runtergenommen und durch andere Stücke ersetzt. Was hältst du von so einem Move? Das klingt auf jeden Fall nach einem sehr faulen Rapper und wenig Anspruch an sich selbst. Ein richtiger Rapper schreibt schließlich jeden Tag und könnte alle paar Monate ein Album rausbringen. Coolio ist aber wahrscheinlich auch nicht mehr mit Herzblut dabei und bekommt viel von irgendwelchen Managern gesagt. Es kommt ja auch überhaupt nichts von ihm rüber. Ich habe nach Hören der Platte keine Ahnung, wer Coolio eigentlich ist. Als er vor ein paar Jahren bei dieser Comeback-Show mitgemacht hat, hat man definitiv mehr über ihn erfahren.

Gefiel dir denn wenigstens der Opener „Gangsta Walk“ mit Snoop Dogg? Nein, das klang nach Altherren-Rap. Als hätten sich zwei alte Männer mit Drum-Machines aus den 90ern hingesetzt und der alten Zeiten wegen zwanzig Jahre später mal wieder ein Lied gemacht. Im Glauben, damit tatsächlich etwas Neues kreieren zu können. Aber das tun sie nicht, weil sie eben nicht denken wie die jungen Leute von heute, nicht deren Techniken benutzen und nicht so agieren. Dadurch wird es langweilig.

Aber der Song „One More Night“ wurde in der Presseinfo als „Gangsta’s Paradise“ des neuen Milleniums bezeichnet. Ist denn wenigstens daran etwas dran? Oh Gott. Das ist absoluter Schwachsinn. Ich möchte eigentlich auch gar nicht mehr über Coolio reden.


Jasmin Shakeri / Perserkatze

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Du kennst Jasmin auch persönlich. Konntest du den Privatmenschen Jasmin Shakeri im Album wiederfinden? Ja, auf jeden Fall. Ich finde es allerdings inhaltlich und produktionstechnisch ein wenig dünn. Es ist eben Pop-Musik und dementsprechend eingängig und simpel gehalten. Ich fühle das aber nicht so sehr. Mir fehlt da ein bisschen Modernität und der Mut, auch mal auszubrechen.

Die Platte liegt bereits seit ein paar Jahren fertig im Schrank. Hört man das? Ja, und das finde ich schade. Es klingt ein bisschen wie Ciara damals mit „Get Up“, ist heute jedoch nicht mehr zeitgemäß. In den Staaten sind die mittlerweile schon wieder ein ganzes Stückchen weiter. Aber wer weiß: Vielleicht funktioniert das in Deutschland. Ich persönlich finde das aber nicht abwechslungsreich genug. Ist das für dich denn eher eine Pop- oder R’n’B-Platte? Für mich ist das Pop und hat mit HipHop und R’n’B nur noch wenig zu tun. Aber mir gefällt diese Simplizität. Gerade in der Musik ist weniger ja oft mehr. Allerdings riskiert Jasmin mir zu wenig, arbeitet mit zu vielen Klischees und hält es zu klassisch. Das ist alles schon mal dagewesen. Für deutsche Verhältnisse geht das allerdings in Ordnung. Gerade in einem Stück wie „Spank Dat Ass“ mit seinem Sex-Appeal geht sie einen Schritt weiter als die Pop-Sängerinnen hierzulande, wo man bei erotischen Inhalten schnell mal die Nase rümpft.

Siehst du denn ein Problem darin, wenn man als Frau solche „schlüpfrigen“ Themen behandelt, weil man damit sehr schnell in eine Schublade gesteckt wird, aus der man vielleicht nicht mehr herauskommt? Sicherlich, die Gefahr besteht. Aber sie hätte das nicht gemacht, wenn sie es nicht selbst gewollt hätte und überzeugt gewesen wäre, dass sie aus so einer Schublade mit Leichtigkeit wieder herauskommt. Sie ist eben auch so, deshalb macht sie für sich keinen Fehler. Und auf dem Album gehen letztlich ja auch nur zwei Songs in diese Richtung, sodass sich das Ganze dadurch wieder relativiert. Dennoch ist mir das ein bisschen zu gewollt auf die männliche Zielgruppe hin konzipiert.


Tone / Phantom

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Für viele gilt Tone als Vorreiter hiesigen Battle-Raps. Siehst du das ähnlich? Ich habe das damals nicht so mitbekommen und Tone eigentlich erst vor zwei Jahren für mich entdeckt. Ich mag aber diesen düsteren Frankfurt-Style. Ich finde auch, dass Tone ein sehr guter MC ist: Er hat einen geilen Flow, rappt sehr präzise und hat einen großen Wortschatz. Er schafft es immer wieder, für die gleichen Bilder neue Worte zu finden, sodass es nie langweilig wird. Er lässt einen wirklich in seine Welt eintauchen, das finde ich geil.

Bei Tone hört man sehr deutlich seine hessische Herkunft heraus. Was hältst Du davon, seinen Dialekt als Stilmittel in die Texte einfließen zu lassen? Ich mag den hessischen Dialekt. Der klingt aggressiv, aber trotzdem nicht dumm. Das hat Charakter. Und Tone vermittelt immer eine gewisse Coolness, sodass selbst ein Song über Freundschaft oder Liebe bei ihm nie peinlich rüberkommt. Kurz vor Fertigstellung der Platte hatte Tone Stress mit seinem Produzententeam, sodass sämtliche Songs noch mal neu instrumentiert werden mussten. Hast du das herausgehört oder klang das für dich stimmig? Bei einigen Stücken hätte ich schon ein bisschen mehr erwartet, weil man gerade aus der Frankfurter Ecke einige sehr gute Produzenten kennt. Die Beats hätte durchaus ein bisschen mehr Druck haben können. Tones letztes Album hieß „Zukunftsmusik“ und auch auf „Phantom“ gibt es ein Stück namens „Zu weit voraus“. Ist jemand wie Tone seiner Zeit voraus? Nicht unbedingt mit seinen Battle-Raps. Die sind gut, aber da gibt es andere, die ihm ebenbürtig sind. Was jedoch die Gefühlssongs angeht, kenne ich eigentlich keinen Rapper in Deutschland, der das so gut rüberbringt wie er.

Und hier die doppelte Album-Top-Five von DJ Craft:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Aktuell: UGK - UGK 4 Life Terry Lynn - Kingstonlogic Ludacris - Theater of the Mind The Knux - Remind Me In Three Days T.I. - Paper Trail Alltime: Mobb Deep - Hell on Earth Outkast - Aquemini Mos Def & Talib Kweli - Blackstar Brand Nubian - Foundation Gang Starr - Moment of Truth Außerdem ist DJ Craft mit K.I.Z. an folgenden Terminen live zu sehen: 06.05.2009 Stuttgart, LKA Longhorn 07.05.2009 Saarbrücken, Garage 08.05.2009 Osnabrück, Lagerhalle 09.05.2009 NL-Enschede, Ptak 11.05.2009 Flensburg, Max 12.05.2009 Bremen, Modernes 14.05.2009 Freiburg, Jazzhaus 15.05.2009 CH-Solothurn, Kofmehl 16.05.2009 CH-St. Gallen, Kugl 17.05.2009 Mannheim, Alte Feuerwache 19.05.2009 Fulda, Kreuz 20.05.2009 Lübeck, Riders Café 21.05.2009 Hannover, Musikzentrum 22.05.2009 Halle, Easyshorre 23.05.2009 Chemnitz, Südbahnhof 25.05.2009 Augsburg, Neue Kantine 26.05.2009 A-Innsbruck, Hafen 27.05.2009 A-Wien, Arena 28.05.2009 A-Salzburg, Rockhouse 29.05.2009 A-Linz, Posthof 30.05.2009 A-Bruneck, Ufo 04.06.2009 Berlin, Postbahnhof

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