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Wenn schwule Männer von Frauen idealisiert werden
Liebe schwule Männer,
es gibt ja das Klischee vom „schwulen besten Freund“, den angeblich viele Frauen gerne hätten oder haben und feiern, weil der ganz anders sei als all die anderen männlichen Freunde. Mittlerweile gab es auch schon viele Gegenreden von schwulen Männern (zum Beispiel hier, hier und hier), dass sie so bitte nicht genannt werden wollen, weil das nämlich eine Beleidigung sei und eine Reduzierung auf eine bestimmte Eigenschaft, die sexuelle Orientierung, die nunmal nicht das ausschlaggebende Kriterium für eine Freundschaft sei.
Das sehe ich völlig ein. Trotzdem kann ich mich als heterosexuelle Frau nicht davon freisprechen, schwule Männer zu idealisieren oder genauer: die Zeit, die ich in ihrer Gegenwart verbringe. Fast alle Frauen und Mädchen kennen Situationen, in denen sie mit einem heterosexuellen Mann an der Bar standen und er dann plötzlich anfing, ein- bis zweideutige Signale zu senden. Was nett ist, wenn man da selbst gerade Lust drauf hat, aber unangenehm, wenn man eigentlich bloß ein bisschen quatschen wollte oder nicht heterosexuell ist. Noch viel problematischer sind natürlich die Momente, die wir auch kennen, wenn nämlich ein Mann übergriffig wird.
Männer idealisieren homosexuelle Frauen meines Wissens nicht
Die meisten von uns laufen zum Glück nicht mit einer permanenten Angst vor Männern durch die Gegend – aber eben oft genug mit dem Wunsch, einfach mal in Ruhe gelassen zu werden. Ich erinnere mich daran, das Kommilitoninnen von mir am liebsten auf die Schwulenparty in ihrem Lieblingsclub gegangen sind, weil sie es da viel entspannter fanden als an allen anderen Abenden. Und von mir selbst kenne ein Gefühl, das ich gar nicht richtig beschreiben kann – aber es durchflutet mich immer, wenn ich, in welchem Zusammenhang auch immer, einen Mann kennenlerne, und sich im Laufe des Gesprächs herausstellt, dass er schwul ist. Ich glaube, es ist sowas wie Erleichterung. Ich weiß dann einfach: Es wird zwischen uns nie einen komisch aufgeladenen Moment geben, weder von seiner, noch von meiner Seite, denn von beiden Seiten wären sexuelle Ambitionen schlicht sinnlos. Gleichzeitig ist es auch ein Gefühl von Sicherheit. Klar könnte auch dieser Mann übergriffig werden oder mir einfach mein Handy klauen, was weiß ich schon über ihn, habe ihn ja grade erst kennengelernt! Aber ich kann zumindest mal davon ausgehen, dass er vermutlich kein besonders dringendes Bedürfnis verspürt, mir an die Brüste oder zwischen die Beine zu fassen.
Das alles führt dazu, dass manche von uns homosexuelle Männer als Männer idealisieren, mit denen man eine entspanntere Zeit haben kann als mit vielen ihrer heterosexuellen Peers. Vielleicht muss ich an dieser Stelle noch eine Sache dazusagen, weil sie noch einmal deutlich macht, woher dieses Gefühl kommt: Männer idealisieren homosexuelle Frauen meines Wissens nicht. Und das liegt vermutlich daran, dass Frauen seltener die persönlichen Grenzen von Männer verletzten als andersherum. Man sich als Mann also nicht so sehr danach sehnt, im Club einfach mal tanzen zu können, ohne dass jemand einen zu nah antanzt oder man anschließend auf dem Weg zur Toilette eine Hand auf dem Hinterteil spürt.
Nun wüsste ich aber gerne, was ihr darüber denkt. Wie findet ihr es, wenn wir unter anderem darum gerne Zeit mit euch verbringen, weil wir wissen, dass daraus niemals ein cringiger Flirt werden wird? Wenn wir Sachen sagen wie „Auf der Schwulenparty habe ich am meisten Spaß“ und damit ja irgendwie auch euren Safe Space kapern? Wenn sich womöglich unsere Haltung verändert, wenn wir erfahren, dass ihr schwul seid, und wir sichtbar entspannen? Nervt das? Fühlt ihr euch dadurch ähnlich reduziert oder diskriminiert wie durch das „Ich will einen schwulen besten Freund“-Gerede? Oder findet ihr es okay, weil verständlich? Sagt doch mal – damit wir wissen, ob wir daran arbeiten müssen.
Entspannte Grüße,
eure Frauen
Die Antwort:
Liebe Frauen,
natürlich haben wir schon bemerkt, dass wir in eurem Leben einen besonderen Stellenwert haben: Nicht nur, dass ihr euch oft besonders doll freut, wenn wir auf einer Party auftauchen; ihr sagt uns auch ständig, wie wichtig für euch unsere Freundschaft ist. Ehrlich gesagt stört uns das überhaupt nicht – denn schließlich zeigt ihr uns damit, wie wohl ihr euch bei uns fühlt. Und wer sagt denn eigentlich, dass wir schwulen Männer euch nicht auch idealisieren?
Wenn ich zurück an meine Schulzeit denke, dann erinnere ich mich sofort an die starken Teenagerinnen um mich herum, die meine Vorbilder waren. Schließlich konnte ich mich nicht mit diesem grölenden, fußballspielenden Ideal eines heterosexuellen Mannes identifizieren – und meine männlichen Artgenossen sich auch nicht mit mir. Anstatt euch Frauen hinterher zu starren und zu versuchen, euch mit fünf Lagen Sprühdeo zu imponieren, wollte ich einfach nur so sein wie ihr. Auf meiner Suche nach einem Platz in der Welt wart nämlich ihr diejenigen, die mich aufgenommen haben. Bei euch zählte es nicht, ob ich ein guter Sportler war oder wie viel Zeit ich vor meiner Playstation verbrachte (das sind doch die Dinge, die Heterojungs machen, oder?!). Ich bin mir sicher, dass auch ihr mit eurer Pubertät zu kämpfen hattet; in meinen Augen wart ihr für mich aber damals schon die coolen, abgeklärten Wesen, die über dem pubertären Machogehabe meiner heterosexuellen Klassenkameraden standen. Klar fandet ihr die Jungs (genauso wie ich damals) eigentlich auch ganz süß. Aber sobald sich einer von ihnen mit mir anlegen wollte, habt ihr mich verteidigt: Und welcher Teenager-Junge legt sich schon mit euch an? Schließlich wart ihr doch das Ziel der pubertären Flirtversuche. Gerade, weil ihr mir Schutz vor meinen Klassenkameraden geboten habt, wollte ich selbst so cool und überlegen sein wie ihr – und war ehrlich gesagt ein bisschen neidisch, dass ich im Vergleich zu euch nicht mit Lukas aus der Oberstufe knutschen konnte.
Was nervt, ist, wenn sich nach der Klärung unserer sexuellen Orientierung erstmal Fragen nach unserem Outing oder Sexleben reihen
Zum Glück geht die Schulzeit dann ja auch vorbei: Erwachsene heterosexuelle Männer sind weniger unbeholfen und wir schwulen Männer lernen mit der Zeit, uns selbst zu akzeptieren und können besser für uns selbst einstehen. Aber eine Sache bleibt immer gleich: unsere besondere Beziehung zu euch. Wenn wir euch kennenlernen, erzählen wir ja oft gleich zu Beginn, dass wir schwul sind – nicht, weil wir das als dasMerkmal ansehen, das uns am besten beschreibt. Sondern weil die „Schwulenkarte“ direkt diesen weirden Moment obsolet werden lässt, in dem man nicht weiß, ob es zwischen euch und uns einfach nur super nett oder auch ein bisschen flirty ist. Klar merken wir dann, dass ihr erleichtert seid. Und ist es nicht ein schönes Gefühl zu wissen, dass ihr euch wohl bei uns fühlt?
Was nervt, ist, wenn sich nach der Klärung unserer sexuellen Orientierung erstmal Fragen nach unserem Outing oder Sexleben reihen. Das sind immerhin persönliche Dinge, die nicht jede*r sofort gerne mit Fremden teilt. Oder wenn ihr uns direkt mit eurem anderen schwulen Bekannten verkuppeln wollt (die Chance ist übrigens tatsächlich sehr hoch, dass wir ihn schon mal auf einer Dating-Plattform gesehen haben). Ihr müsst uns auch nicht gleich erzählen, wie gern ihr mit uns shoppen geht – wobei es uns insgeheim schon viel bedeutet, dass ihr einen so großen Wert auf unsere Meinung legt.
Ihr kapert nicht die Clubs, sondern erobert sie mit uns gemeinsam
Es gibt bestimmt auch schwule Männer, die über diese Sonderrolle bei euch nicht hinwegsehen können und einfach nur genauso behandelt werden möchten wie heterosexuelle Männer. Dann ist es auch völlig legitim, kein Verständnis dafür zu haben, wenn ihr Zuflucht auf unseren Partys sucht. Ich persönlich sehe das aber anders: Natürlich wäre es schön, wenn ihr Feiern gehen könntet, ohne Angst vor sexuellen Übergriffen zu haben. Aber auf die Art und Weise, wie ihr uns schwulen Jungs in der Schulzeit Schutz und Halt gegeben habt, können wir uns jetzt endlich bei euch revanchieren: Indem ihr jederzeit auf unseren Partys willkommen seid und so auch selbst einen Safe-Space habt.
Können wir nicht alle ein bisschen zusammenwachsen?
Vielleicht sind wir als Gesprächspartner für euch auch deshalb so interessant, weil wir auf euch niemals mit einem klassischen „male gaze“ blicken – wir haben weder sexuelles noch romantisches Interesse an euch. Deswegen verstehen wir wahrscheinlich auch ein bisschen besser als unsere heterosexuellen Kollegen, wie sich das anfühlen muss: ständig Gefahr zu laufen, falsche Signale zu senden, Intentionen von Männern zu hinterfragen oder gar sexuell belästigt zu werden. Und wir haben natürliche spannende Insides für euch, wie es ist, ein Cis-Mann zu sein – ganz ohne komische sexuelle Spannung zwischen uns.
Natürlich ist es wichtig, unsere Beziehung zueinander auch kritisch zu hinterfragen: Denn auch wenn sie total schön und besonders ist, basiert diese tiefe innere Verbundenheit zwischen uns eben auf gemeinsamen Ängsten und der Suche nach Schutz. Sei es vor Mobbing, weirden sexuellen Spannungen oder gar Übergriffen. Und versteht mich nicht falsch: Ich möchte nicht alle heterosexuellen Männer bashen. Mir ist bewusst, dass der Großteil von ihnen vermutlich weder homophob ist, noch jede Frau als reines Sexobjekt sieht. Das Problem liegt wohl eher darin, dass diese heteronormative Cis-Männlichkeit leider ein verdammt robustes Konstrukt ist, dem sich niemand so ganz entziehen kann, auch nicht wir schwulen Männer. Aber solange wir dieses Problem nicht gelöst haben, sind die meisten von uns völlig okay damit, die Beziehung zwischen Frauen und schwulen Männern ein bisschen zu idealisieren – denn sie ist einfach verdammt schön! <3
Alles geklärt?
Eure schwulen Männer