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USA: Ein Republikaner darüber, warum er Donald Trump nicht wählen wird
John Kasich* hat es getan, Colin Powell, angeblich sogar George W. Bush. Die Zahl politischer Größen aus dem republikanischen Lager, die Donald Trump nicht wählen wollen, wird größer, je näher der 3. November rückt. Der Tag, an dem entschieden wird, ob Trump noch einmal vier Jahre lang die USA regiert. Und auch an der Basis mobilisieren sich Republikaner, die dazu aufrufen, in diesem Jahr nicht für Trump zu stimmen.
Einer von ihnen ist der überzeugte Republikaner Christian Thrailkill, 26. Christian hat Politikwissenschaften studiert, bei mehreren Wahlkämpfen der Republican Party geholfen und war Anhänger des rechtspopulistischen Tea-Party-Movements. Doch für Trump würde er niemals stimmen. Als Teil der Initiative Republican Voters Against Trump will er loyale Republikaner davon überzeugen, für Joe Biden zu stimmen.
jetzt: Christian, würdest du dich als stolzen Republikaner bezeichnen?
Christian: Ich bin stolz auf meine republikanischen Werte, darauf, wofür die Republikaner standen. Auf unsere politische Führung bin ich aber alles andere als stolz. Das Beste, was uns Republikanern passieren kann, ist eine krachende Wahlniederlage am 3. November. Spätestens dann werden die meisten Republikaner verstehen, wie dumm sie waren, einem derart inkompetenten Mann so viel Macht zu geben.
Hast du schon gewählt?
Ich habe bei mir in Texas die erste Möglichkeit des Early Votings genutzt und Joe Biden gewählt.
„Er hat unsere Wirtschaft versenkt, 200 000 Amerikaner sind wegen seiner schlechten Covid-Politik gestorben“
Warum hast du Biden gewählt?
Nach vier Jahren Präsidentschaft hat Donald Trump mehr als nachhaltig bewiesen, dass er vollkommen ungeeignet für dieses Amt ist. Er hat seinen Amtseid gebrochen, indem er mit Hilfe von ausländischen Mächten die Wahl beeinflusst hat, er hat unsere Wirtschaft versenkt, 200 000 Amerikaner sind wegen seiner schlechten Covid-Politik gestorben. Und anders als Trump ist Joe Biden ein anständiger Mensch mit Werten.
Wann hast du dich entschlossen, Donald Trump nicht zu wählen?
2015. Als er diese Rolltreppe runtergekommen ist, seine Präsidentschaftskandidatur verkündet und Mexikaner Vergewaltiger genannt hat. Meine Eltern sind selbst aus Kuba und Argentinien eingewandert. Ich kenne viele Menschen aus der mexikanisch-amerikanischen Community. Ich habe Trumps Aussage persönlich genommen. Deswegen habe ich auch schon 2016 Hillary Clinton gewählt.
Warum engagierst du dich für Republican Voters Against Trump?
Ich wurde so erzogen, dass die Möglichkeit, sich politisch engagieren zu können, etwas sehr Wertvolles ist. Sehr viele Republikaner sind sehr enttäuscht von Trump. Aber gegen die eigene Partei und für die Demokraten zu stimmen, ist ein riesiger Schritt. Das haben viele von ihnen noch nie gemacht. Wenn sie jetzt von anderen Republikanern, von ihren Nachbarn und Freunden hören, dass Trump nicht zu akzeptieren ist, dass genau jetzt die Zeit ist, Demokraten zu wählen und es in Ordnung ist, dann könnte das einige Leute dazu bewegen, es uns gleichzutun. Ich will anderen Leuten sagen: Es ist okay, diesen Schritt zu gehen.
Seit wann bist du Republikaner?
Ich komme aus Miami, die kubanisch-amerikanische Community ist sehr republikanisch geprägt. Menschen, die aus einem kommunistischen Land wie Kuba kommen, sind für gewöhnlich sehr skeptisch gegenüber staatliche Regulierungen und Kontrollen. Die Republikaner stellen sich seit Eisenhower dem Kommunismus sehr entschieden entgegen. Die Partei steht für freie Marktwirtschaft, will staatlichen Einfluss klein halten und individuelle Freiheit schützen. Alle meine Familienmitglieder sind überzeugte Republikaner. Ich habe fünf Geschwister. Vor 2016 haben wir ausschließlich Republikaner gewählt.
Wie findet deine Familie, dass du Joe Biden wählst?
Es gab zwischen uns viele Diskussionen über die Wahl. Manche werden Drittparteien wählen, manche Joe Biden, manche gar nicht. In einem sind wir uns aber einig: Niemand wird Donald Trump wählen.
Wie hat sich in deinem sonstigen Umfeld die Stimmung gegenüber Trump in den vergangenen vier Jahren verändert?
Sehr viele haben sich abgewandt. Besonders Menschen mit Migrationshintergrund, mit College-Abschluss und Frauen. Die Midterm-Wahlen 2018 haben das bestätigt. Und laut den Umfragen könnten in Staaten wie Georgia, Texas oder South Carolina, die seit Jahrzehnten republikanische Hochburgen sind, dieses Jahr die Demokraten gewinnen. Das liegt ausschließlich daran, dass viele Republikaner Trump nicht mehr unterstützen.
„Diskussionen über den Präsidentschaftswahlkampf sind sehr viel radikaler geworden“
Wie hat sich die politische Diskussionskultur in den USA in den vergangen vier Jahren verändert?
Wenn es um lokale Wahlen oder den Senat geht, sind politische Diskussionen immer noch zivilisiert. Diskussionen über den Präsidentschaftswahlkampf sind hingegen sehr viel radikaler geworden und das liegt meiner Meinung nach fast ausschließlich an Trump. Entweder du bist für ihn oder gegen ihn. Wenn es um ihn geht, geht es nicht so sehr um Politik, sondern um Moral und Werte. Um zu verteidigen, dass er den rassistischen Anschlag in Charlottesville nicht verurteilt hat oder sich nicht öffentlich gegen White Supremacists positioniert, muss man schon extrem fanatisch sein.
Du warst früher überzeugter Anhänger der Tea-Party-Bewegung, die immer wieder mit sehr radikalen Äußerungen gegenüber dem damaligen Präsidenten Barack Obama Schlagzeilen gemacht hatte und mit ihrer Politik als Wegbereiter für Donald Trump gilt. Kannst du dir erklären, warum du damals diese Bewegung unterstützt hast?
Ganz einfach: Ich bin in einer Welt mit Kabelfernsehen aufgewachsen. Bei uns zu Hause lief fast ausschließlich Fox News. CNN, MSNBC oder die New York Times gab es für mich nicht. Wenn man als 13-Jähriger den ganzen Tag nichts anderes hört, als dass die Demokraten vorhaben, das Land zu zerstören, dass Obama eine böse Person ist, warum sollte man das nicht glauben? Viele Republikaner hören seit Jahrzehnten nichts anderes, als das, was Fox News jeden Tag erzählt. Das ist ein Sog, dem man sich nur sehr schwer entziehen kann.
Wie hast du das geschafft?
Während der Präsidentschaft Obamas habe ich gemerkt, dass er tatsächlich möchte, dass es dem Land besser geht. Er wirkte auf mich nicht wie eine durch und durch schlechte Person. Als ich im College dann immer mehr Demokraten kennengelernt habe, habe ich auch gemerkt, dass das genauso Patrioten sind wie ich. Ich habe verstanden, dass Demokraten wie meine Kollegen sind, mit denen man zwar nicht immer einer Meinung ist, aber mit denen man trotzdem ein gemeinsames Ziel haben kann: Amerika besser machen. Donald Trump redet bei seinen Auftritten die meiste Zeit darüber, dass die Demokraten böse sind, die Feinde der Republikaner seien, die nur das Land zerstören wollen und dich und deine Familie hassen. Und das radikalisiert die Menschen. Sie glauben das. Sie haben wirklich Angst davor, dass ihre Nachbarn sie umbringen und ihnen ihr Eigentum wegnehmen wollen.
Der Großteil der politischen Führung in deiner Partei steht sehr geschlossen hinter Trump. Hat sich dein Blick auf die Republican Party geändert?
Ich bin sehr enttäuscht. Die Republikaner, mit denen ich aufgewachsen bin, standen für Freihandel, unterstützten ihre Alliierten. Donald Trump steht für das genaue Gegenteil und die Führungsriege der Republikaner steht trotzdem hinter ihm und hilft ihm sogar dabei, Gesetze zu brechen und damit durchzukommen.
Was heißt das für dich und deine Zukunft in der Partei?
Nach der Wahl müssen diejenigen, die hinter Trump standen, dafür die Quittung bekommen. Wir müssen diese Menschen abwählen. Überall, auch in regionalen Wahlen, müssen neue Kandidaten gegen sie antreten, die den Verantwortlichen Feuern unterm Hintern machen. All die Leute wie Ted Cruz, Lindsey Graham, Marco Rubio, die 2016 noch große Reden über die Gefährlichkeit von Trump geschwungen haben, nur um die nächsten vier Jahre täglich seine Stiefel zu lecken.
Das hört sich so an, als wärst du dir sicher, dass Biden gewinnt.
Davon bin ich absolut überzeugt. Mit großem Vorsprung. Klar sind viele Menschen nervös, weil 2016 in den Köpfen noch sehr präsent ist. Aber Trump hat sehr viele loyale Republikaner vergrault.
Gibt es für dich einen Tiefpunkt der Präsidentschaft Trumps?
Charlottesville. Rassisten, die auf den Straßen Amerikas marschieren, Gewalt anwenden, eine junge Frau töten und ein Präsident, der es nicht nur nicht schafft, sie zu verurteilen, sondern sogar als „feine Leute“ zu loben. Das ist für mich bis heute unbegreiflich und zeigt mir, dass Trump, der schon das Birther-Movement gegen Obama angeführt hatte, nicht an die Gleichheit aller Amerikaner glaubt, sondern an die Überlegenheit von Menschen, die eine bestimmte Abstammung haben. Das ist für mich zutiefst unamerikanisch.
Was wäre gewesen, wenn Bernie Sanders der Präsidentschaftskandidat der Demokratischen Partei geworden wäre. Hättest du trotzdem für ihn gestimmt?
Es wäre schwieriger gewesen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ich es trotzdem gemacht hätte. Generell mag ich niemanden, der sich selbst Sozialist nennt. Aber das, was Sanders Sozialismus nennt, ist für mich mit meinen kubanischen Wurzeln, nicht das, was ich unter Sozialismus verstehe. Ich würde deutlich lieber jemandem meine Stimme geben, der sich Sozialist nennt und geltendes Recht respektiert, als jemand, der sich einen stolzen Republikaner nennt, aber ständig unsere Gesetze untergräbt.
* In einer ersten Version des Textes stand, dass sich John Kerry als Teil des republikanischen Lagers gegen Trump positioniert hat. Das ist falsch, Kerry ist Demokrat. Hier lag eine Verwechslung mit John Kasich vor.