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Neuseeland in 14 Tagen. Heute: Wein. Since 1987.
Tag 2.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Heute steht in roter Tinte „Wein“ auf unserer Superliste. Um das zu befolgen, müssen wir uns erstmal ein Auto ausleihen und damit die Windstadt Wellington verlassen. Der Toyota fährt gut, aber ich nicht. Bei jeder Kreuzung schalte ich statt Blinker den Scheibenwischer ein, weil nun mal alle Armaturen falsch rum sind und meine Hände solche Spasten, die nix checken. Also immer wild wischend durch die sonnige Vorstadt, gerne auch mit einem Rad in der falschen Spur. Die Neuseeländer zeigen auf uns – aber erst nachdem sie sich mit einem Sprung aus der Gefahrenzone gebracht haben. Wenn man aus Wellington raus fährt, sieht es gleich sehr schottisch aus: grasige Hügel und Schafe drauf. Wir müssen nach Martinborough, passieren bis dahin alle Wettervarianten sowie eine Bergstraße (deren Befahrt mir die AOK sicher verboten hätte), die hier aber als Hauptstraße funktioniert. Martinborough selber ist ein Städtchen zum Küssen und Geküsstwerden, ringsum mit Weinreben. In einem der Weingüter treffen wir Christian, den angestellten Winzer mit dem "Mainz05"-Trikot. Er steht in einer Halle mit riesigen Weintanks, in der sehr laut Musik von den Ärzten läuft. Um Wein, das bestätigt er uns gleich, wird hier nicht so ein Bohei gemacht, wie etwa in Frankreich. Trotzdem sind die Pinot Noirs von hier genau so gut wie aus jedem Chateaux Dingsbums. Das ärgert die Franzosen und freut uns.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Das ist Christian, beim Umrühren von Traubensaft ... Christian zeigt uns Most im Eimer und die Weinberge vor der Tür, die gar keine Berge sind, sondern flach wie Fußballfelder. Gut möglich, sagt er, dass in zehn Jahren viele hier Olivenöl machen. Es wächst eben alles und wer keine Lust mehr auf seine Reben hat, der sattelt um. Traditionen, das werden wir in den nächsten Tagen überall hören, sind hier eben immer noch sehr biegsam. Und die ältesten und größten Weinbetriebe am Ort tragen stolz „Since 1987“ im Wappen.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
... und das ist sein Auto. Im Exil tritt Heimatliebe eben immer noch deutlicher zu Tage. Später sitze ich mit Christian im kleinen Kino, gleich am Hauptplatz. Wir nippen an Weingläsern – das gibt es nämlich hier, eine Weinverkostung über die Kinoleinwand. In dem Film erzählen lauter Johns und Alberts von ihren Weinen, und der Zuschauer im Kinosessel kippt synchron mit. Danach stehen wir schon ziemlich gelockert im Foyer rum, reden über RTL und stellen fest, dass hier wirklich niemand Bier trinkt: Auch bei ganz normalen Filmen tragen die Leute eine Weinflasche mit sich – toll! Wir müssen unbedingt noch Kai Schubert kennen lernen. Das ist auch ein deutscher Weinmacher und nebenbei so ein Mensch, den man gerne gleich für einen Film casten würde, weil man schon weiß: Das würde dann ein guter Film. Dieser Herr Schubert ist also ein Pinot-Noir-Fan, aber so richtig. Er reiste dem Wein über die ganze Welt hinterher, wie ein Groupie einem Popstar, besah sich Anbaugebiete von Kalifornien bis Frankreich, um seiner Lieblingstraube nahe zu sein. Schließlich schien ihm Martinborough das perfekte Örtchen für den eigenen Wein und er kaufte 1998 Land und Rebstöcke. Seitdem ist alles sehr spannend: „Man hat als Winzer so ungefähr 35 Versuche im Leben“, sagt Schubert und meint: eine Ernte pro Jahr. Er hat es aber schon mit einer handvoll Ernten geschafft, den Wein zu machen, der er selber gerne trinken würde – und heimst dafür rund um die Welt Lob ein.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Ein Fass wie ein Mann, ein Mann wie ein Fass voller Geschichten: Kai Schubert, das Pinot-Noir-Groupie.
Vor lauter Trauben habe ich noch wahnsinnig Lust auf ein Bier und gehe ins Dorfpub. Da hört man so allerhand, etwa von einer Kochschule für angehende japanische Starköche, die hier gebaut werden soll. Oder von dem Nachbarn, der ein halbes Jahr auf Weltreise ging und nicht mal die Haustür absperrte. So friedlich ist es hier nämlich.
Beim Einschlafen bin ich dann ganz lange zappelig - morgen sollen wir echte Seelöwen sehen!!
Text: max-scharnigg - Fotos: Julia Strauß