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Jobkolumne: Was verdient ein Colorist?
Als Lee Niederkofler, 37, Medientechnik studiert hat, gab es die Jobbezeichnung Colorist noch nicht. Doch Anfang der 2000er wurde die Film-Farbkorrektur immer wichtiger. Seine aktuelle Stelle als Colorist in einer Produktionsfirma hat er mitaufgebaut.
Was ich als Colorist mache
„Man kann sich meine Arbeit wie einen Instagram-Filter vorstellen, aber für einen Film. Dabei erstelle ich mit einer Software den Filter für das ganze Bildmaterial. Zum Beispiel einen kühlen Look bei einem Thriller. Dann kann ich einzelne Teile dieses Filters wie die Helligkeit der Grundfarben oder einzelne Schattierungen hoch und runter drehen. So kann ich Gesichter heller oder den Himmel dunkler machen. Farbsättigung, Helligkeit, Farbton oder Kontrast – das kann ich alles ändern.
Ein Beispiel: In einer Doku sieht man, wie ein Löwe eine Gazelle jagt und sie fängt. Die Szene sieht im Fernsehen einheitlich und lebendig aus. Beim Dreh könnten die Tiere während der Jagd aber im Gebüsch verschwunden sein. Manchmal werden die Szenen im Sommer und im Winter gedreht. Dann ist das Gras womöglich einmal gelb und einmal grün. In dem Fall passe ich die Farben an, damit das Gras einheitlich und natürlich aussieht. Aktuell grade ich einen Film für einen bekannten Streamingdienst. Den Auftrag habe ich ungefähr vor einem Jahr bekommen.“
Wie mein Arbeitsplatz aussieht
„Ich sitze acht Stunden am Tag im sogenannten Grading Theater. Das ist ein kleines Kino in einem Post-Production-Studio. Ein Projektor wirft das Bild auf eine große Leinwand. Vor dieser stehen drei Lautsprecher. Hinten im Raum steht mein Schreibtisch mit Equipment. Ich arbeite im Dunkeln auf zwei Computerbildschirmen und benutze Davinci Resolve. Eine Software, die heute auch Youtuber für ihre Videos verwenden. Zusätzlich zu meiner Tastatur habe ich ein Colorgrading-Surface, das aussieht wie ein Mischpult. Darauf drehe ich die Regler, um die Änderungen möglichst schnell einzustellen. Ich habe auch einen kalibrierten Referenzbildschirm, der die Farben genormt anzeigt. So kann ich das Bild auch aus der Nähe beurteilen.“
Wie ich Colorist geworden bin
„In meiner Schulzeit habe ich mit Freund:innen auf Videokameras Snow- und Skateboard-Videos aufgenommen. Damals war das noch um einiges schwieriger als heute. Ich habe früh begonnen, 2D- und 3D-Animationen für unsere Videos zu machen. Dazu habe ich Bücher gelesen oder in Foren nach Tutorials geschaut. Ich war in einer sogenannten Handelsoberschule in Italien mit Spezialisierung auf Wirtschaftsinformatik in der Oberstufe. Dann habe ich Medientechnik an einer Fachhochschule in Österreich studiert.
Während meines Studiums habe ich ein Pflichtpraktikum bei einem Post-Production-Studio begonnen. Da ich in der Postproduktion mehr Kontrolle über das gedrehte Material haben wollte, bin ich durch Recherche auf das Thema Color Grading gestoßen. Zu Beginn meines Bachelorstudiums haben Color Grading-Softwarepakete aber einen sechsstelligen Betrag gekostet. Erst mit der Color Grading-Software Apple Color wurde das Programm aufgrund der geringen Kosten für die breite Masse verfügbar und leistbar. Außerdem gab es zu dieser Zeit noch sehr wenig verfügbares Wissen zu dem Thema. Deshalb habe ich begonnen, mir die Software und Materie mit viel Übung selbst beizubringen. Noch während meines Studiums habe ich Color Grading als Freifach an der Fachhochschule unterrichtet.
Im Rahmen meines Praktikums habe ich dann Studenten-Kurzfilme und Werbungen gegradet. Obwohl ich Vollzeit in der Postproduktionsfirma gearbeitet habe, habe ich parallel meinen Master abgeschlossen und arbeite seitdem noch hier.“
Wie der Look für einen Film entsteht
„Kostüm, Make-up, Wandfarben – das sind Dinge, die sich Ausstattung, Regie, Maske und der:die sogenannte Director of Photography, kurz DP, gemeinsam überlegen. Der oder die DP entscheidet mit der Regie, wie die Bilder des Filmes aussehen werden, welches Licht und welche Kameraeinstellung verwendet wird. Das Wichtigste ist, dass die Darsteller:innen gut aussehen. Gesund oder eben bewusst ungesund. In den ersten Filmen der Reihe „Transformers“ sehen zum Beispiel die Hauttöne der Schauspieler:innen nicht natürlich aus, aber das passt zum stark farbkontrastigen Look des Films. Auch Persönlichkeitsveränderungen der Charaktere können in Filmen unterschiedlich dargestellt werden. Zum Beispiel kann Wut oder Passion über Farben beschrieben werden. Dann wird zum Beispiel ein Raum roter oder es sind immer mehr rote Elemente im Hintergrund zu sehen. Oder die Charaktere haben mehr rote Kleidung an oder tragen roten Lippenstift.“
Wie mein Arbeitsalltag aussieht
„Vor dem Dreh eines Spielfilms kommen der:die Regisseur:in und der:die DP mit Ideen ins Post-Production-Studio. Im Grading Theater zeigen sie mir Referenzen für den Look: Bilder, Filme, Malereien oder Werbematerial. Auf Websites, wie Shotdeck, kann man solche Referenzen sehen. Gemeinsam analysieren wir die Referenzen und entscheiden, welche Teile von Bildern uns gefallen und welche vielleicht weniger passen. Zum Beispiel könnten die Schatten einer Referenz für einen Film zu dunkel sein. Wir besprechen, was wir im Grading machen können und was idealerweise am Set passieren sollte. Dann testen wir die kreierten Looks in Testaufnahmen. Je nach Budget haben wir dafür ein bis zwei Stunden oder einen Tag Zeit. Diesen Look gebe ich dann mittels eines sogenannten Lookup Tables (Anm. der Redaktion: Eine Tabelle, in der vorgegebene Informationen zusammengefasst werden) mit ans Set, dann beginnt der Dreh. Nach dem Schnitt bekomme ich das Drehmaterial. Parallel zu meiner Arbeit wird der Ton bearbeitet.
Bevor ich etwas grade, schaue ich mir den ganzen Film an und setze Marker an den zu bearbeitenden Stellen, um zu sehen, wie gut der im Vorhinein erstellte Look funktioniert und in welchen Szenen wir ihn noch optimieren können. Meistens sind DP und Regie bei der Bearbeitung dabei. Für einen 90- bis 120-minütigen Kinofilm habe ich zehn Tage Zeit, drei bis vier Tage bei einem TV-Film. Bei 90 Minuten Filmmaterial bearbeite ich zwischen 600 bis 1900 Shots oder Einstellungen.“
Was meine größten Herausforderungen sind
„Die größte Challenge ist, in der verfügbaren Zeit das Ergebnis zu erreichen, das sich alle kreativen Partner:innen vorgestellt haben. Bei Werbungen können das bis zu zehn Leute sein. Neben den Kunden hat man oft auch eine Agentur als Partner:in. Der Druck ist daher extrem hoch. Es kann auch schwierig sein, alle gemeinsam in einen Raum zu bekommen. Außerdem wollen alle ihre Meinungen durchsetzen und ich versuche, sie zusammenzuführen. Alle müssen sich gehört fühlen und ich muss argumentieren können, warum manche Dinge vielleicht nicht funktionieren. Man hat auch Zeitdruck. Dann bleibt in einer Werbesession manchmal nur eine halbe Stunde und man muss sich schnell einigen.“
Welche Eigenschaften ich als Colorist brauche
„Colorist:innen müssen stressresistent und diszipliniert sein. Einige überarbeiten sich und graden bis zu zwölf Stunden am Tag oder mehr. Langfristig ist dieser Workload aber kaum zu halten. Außerdem kann man ohne Social Skills den Job nur schwer machen. Während einer Session kann es sein, dass ein Kunde sehr leise ist und kaum ein Wort sagt. Das ist für mich ein Signal aktiv nachzufragen. Es ist wichtig, den Raum zu lesen. Sessions können auch hitzig werden, zum Beispiel wenn sich jemand hintergangen fühlt. Vielleicht konnte eine Idee nicht umgesetzt werden. Da muss ich geduldig sein und vermitteln. Man sollte gut kommunizieren können und lösungsorientiert arbeiten. Wer selbst Lösungen findet, vergisst sie nicht und kann sie bei anderen Projekten anwenden.
Viele Teile des Color Gradings kann man sich mittlerweile selbst beibringen. Eine Ausbildung mit Fokus auf Filmproduktion kann nicht schaden. Aber man braucht sie nicht unbedingt. Software Skills und technisches Wissen kann man sich über Tutorials, Foren oder Youtube aneignen. Den wirklichen Job als Colorist kann man aber nur über Zeit mit viel Übung erlernen und perfektionieren. Wer Colorist werden möchte, sollte Filme lieben und sich technisch weiterentwickeln wollen, da sich sowohl Trends als auch Software ständig verändern können.“
Wie sich der Job auf meine Freizeit auswirkt
„Ich gehe gerne ins Kino. Trotzdem ist es wichtig, einen Ausgleich zu haben. Schließlich sitze ich acht Stunden in einem dunklen Raum. Zur Abwechslung gehe ich bouldern oder reise gerne. Im Urlaub kann ich mir Inspiration holen und viele Eindrücke gewinnen.“
Wie viel man als Colorist verdient
„Im Monat bekommt ein:e Colorist zwischen 2000 bis 7000 Euro brutto. Der genaue Betrag hängt stark von der Erfahrung und dem Standing ab. Ein:e freiberufliche:r Junior Colorist, also jemand, der gerade erst anfängt, könnte zwischen 250 Euro und 500 Euro brutto am Tag in Rechnung stellen. Oft arbeiten Freelancer:innen für 800 Euro am Tag.“
Welche Frage mir oft auf Partys gestellt wird
„,Hast du an einem Film mitgearbeitet, den ich kenne?‘ – Das werde ich wahrscheinlich am häufigsten gefragt. Viele können sich überhaupt nichts unter meinem Job vorstellen. Dann erkläre ich, es sei wie Photoshop, aber für Filme.“
Hinweis: Zuvor hieß es im Text und im Teaserbild, Lees Bruttogehalt beliefe sich auf 2500 Euro. Der Betrag wurde nachträglich korrigiert.