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Gehalt: Wie viel verdient eine Poetry Slammerin
Was man als Poetry Slammerin macht
Ein Poetry Slam ist ein moderner Dichtwettstreit, bei dem Künstler:innen ihre selbstgeschriebenen Texte vortragen. Egal ob lustig oder ernst, gereimt oder nicht – man kann alles ausprobieren: Ich habe zum Beispiel einen Text über rappende Hühner geschrieben.
Als Poetry Slammerin werde ich für Auftritte und Auftragstexte gebucht – letzteres macht finanziell den größten Teil aus, aber kommt am seltensten vor. Zu meinen Auftraggeber:innen gehören vor allem Firmen, Verbände oder Organisationen. Häufig werde ich für Texte zu den Themen „Nachhaltigkeit“, „Zukunft“ oder „Mobilität“ angefragt. In der Vergangenheit habe ich auch schon Auftragstexte für den öffentlichen Nahverkehr in Schleswig-Holstein oder über den Urlaubsort St. Peter-Ording geschrieben.
Außerdem moderiere ich selbst Veranstaltungen oder gebe Workshops an Schulen. Während der Pandemie habe ich auch einen Online-Kurs für Lehrerinnen in Indonesien und einen für deutsche Schüler:innen in Hongkong gehalten. In Serbien habe ich einen Workshop für Deutsch-Studierende gegeben und dieses Jahr war ich für ein Projekt in Frankreich.
Einmal im Monat findet außerdem unsere Lesebühne in Kiel statt. Und zwischendurch schreibe ich noch Bücher – im August wurde mein erster Roman veröffentlicht.
Wie mein Arbeitsalltag aussieht
Jede Woche ist anders. Meistens schlafe ich aus und warte darauf, dass mir eine Idee kommt. Wenn mir etwas einfällt, schreibe ich das an einem Stück runter. Tagsüber lese ich Bücher, schaue Fernsehen oder gehe einkaufen, weil die Veranstaltungen erst abends stattfinden. Nächsten Montag bin ich für eine mehrsprachige Veranstaltung gebucht, wo ich Texte auf Englisch, Hoch- und Plattdeutsch lese. Am Mittwoch moderiere ich das Finale der schleswig-holsteinischen U20-Meisterschaften und am Donnerstag habe ich eine Lesung aus meinem Roman. Und dann moderiere ich vier Tage lang auf dem Norden Festival. Es ist immer bunt durchmischt bei mir.
Wie ich Poetry Slammerin geworden bin
Ich habe mit 17 Jahren in Flensburg angefangen zu „slammen“. Ich hätte damals schon an den U20-Meisterschaften teilnehmen können, aber die waren in diesem Jahr genau an demselben Abend wie mein Abiball. Nach der Schulzeit hat sich dieses Hobby dann zunächst mal verlaufen, weil ich für meinen Germanistik- und Anglistik-Bachelor erst nach Hamburg gezogen bin. Ich habe zu dem Zeitpunkt noch gar nicht verstanden, wie groß und vernetzt die Szene ist und dass ich auch in Hamburg damit hätte weitermachen können. Außerdem war ich noch sehr auf mein Studium fokussiert. Während meines Masterstudiums im Fach „Kultur, Sprache, Medien“ habe ich ein Praktikum bei der Künstler:innen-Agentur gemacht, die Poetry Slams veranstaltet und die ich noch von früheren Auftritten kannte. Dadurch habe ich mit 24 Jahren wieder angefangen zu schreiben – und das hat gut funktioniert auf Bühnen. Ein halbes Jahr später war ich bei den Schleswig-Holstein-Meisterschaften und noch ein Jahr später, 2018, bin ich das erste Mal bei den deutschsprachigen Meisterschaften angetreten.
Wie es ist, das Hobby zum Beruf zu machen
Ich habe nicht geplant, dass Slam zu meinem Job wird. Das hat sich einfach so ergeben: Erst hatte ich mehr Auftrittsanfragen, irgendwann brauchte ich eine Steuernummer und später kamen auch mehr Auftragstexte hinzu.
Bevor ich hauptberuflich als Slammerin tätig war, habe ich im Supermarkt und bei einer Social-Media-Agentur gearbeitet. Im Gegensatz zu früheren Jobs sehe ich jetzt mehr Sinn in meinem Job, weil ich für mich selbst arbeite. Als ich noch Lehramt studiert habe, hatte ich beim Aufstehen immer so einen Kloß im Hals. Das habe ich jetzt gar nicht mehr – und das ist sehr schön.
Meine außergewöhnlichsten Bühnenmomente
In einem Meeresmuseum auf Sylt bin ich auf dem Weg zur Bühne hingefallen und lag auf einmal vor einem echten ausgestopften Walross. Ich habe den Text auswendig vorgetragen, aber zwei Frauen, die direkt vor mir saßen, haben während des Auftritts die ganze Zeit geredet. Es war einer der furchtbarsten Auftritte.
Aber es gibt auch surreal tolle Momente, wie der Deichbrand-Slam. Da haben 6000 Leute zugeschaut. Das war bizarr. Ich habe erst nach dem Auftritt gemerkt, was gerade passiert ist.
Die Frage, die auf Partys immer gestellt wird
Die Leute fragen mich oft, ob ich mal was slammen kann. Darauf antworte ich immer, dass ich privat und nicht beruflich da bin. Viele wollen auch wissen, wie ich auf meine Ideen komme. Tatsächlich ist die Antwort: Langeweile. Nichts ist für mich ein größerer Motor, als Freizeit zu haben. Bei längeren Ruhephasen, kurz vor dem Einschlafen oder wenn ich lange Auto fahren muss, kommen mir die besten Ideen.
Ich werde außerdem oft gefragt, ob ich davon leben kann. Da antworte ich immer ironisch, dass ich wahnsinnig reich bin und bereits ausgesorgt habe.
Welche Eigenschaften man als Poetry Slammerin braucht
Man muss Bock auf diesen Job haben: Manchmal muss man neun Stunden fahren, nur um fünf Minuten aufzutreten. Weil ich selbständig bin, erfordert mein Job auch ein gewisses Maß an Selbstorganisation. Mittlerweile weiß ich genau, was ich in welcher Zeit schaffen kann und kann besser einschätzen, wann ich mit einem Text anfangen muss. Manchmal schreibt man aber monatelang nichts Neues – trotzdem muss man dran bleiben, neue Texte schreiben und sich immer wieder auf Bühnen stellen.
Was der Job mit meinem Privatleben macht
Mein Alltag ist sehr unregelmäßig, deshalb kann ich zum Beispiel nicht jeden Mittwoch beim Sportverein sein. Ich arbeite oft, wenn andere Leute Freizeit haben, also abends oder am Wochenende. Das ist manchmal schwierig, wenn ich mich mit Freund:innen treffen möchte, die einen geregelten Job haben.
Ein Großteil meines Freundeskreises ist aber ebenfalls in der Slam-Szene: Wir haben einen ähnlichen Lifestyle, deshalb fällt es mir nicht so auf. Mein Freund ist auch Poetry Slammer, deshalb ist es einfacher, Zeit füreinander zu finden. Ich weiß nicht, wie es in einer Beziehung wäre, wenn mein Partner etwas ganz anderes machen würde. Ich glaube, das erfordert noch mehr Organisationsaufwand.
Vorstellung vs. Realität
Viele Leute denken, man geht auf die Bühne und denkt sich mal eben spontan etwas aus. Doch das ist nicht so: Ich schreibe die Texte vorher und ich lese sie auch mehrmals bei verschiedenen Veranstaltungen. Die meisten denken zudem, es sei nur ein Hobby. Aber wenn ich erzähle, dass ich davon lebe, denken viele, man verdient mit Poetry Slam viel Geld. Aber auch das ist nicht so. Für manche Slams wird man gebucht und bekommt eine Gage, bei anderen Veranstaltungen tritt man ohne Honorar auf oder bekommt nur die Fahrtkosten erstattet.
Mein Cousin hat neulich das erste Mal bei einem Auftritt auf dem Wacken-Festival zugeschaut: Er war ganz überrascht, dass wir nicht nur Gedichte vorlesen. Manchmal sind Leute sogar entsetzt, wenn nicht gereimt wurde. Ich glaube, das „Poetry“ im Namen ist irreführend: Poetry Slam ist ein Format, das offen für alles Mögliche ist – egal ob lustige Prosa, gereimte Lyrik oder experimentelle Texte.
Das verdient man als Poetry Slammerin und Autorin
Ich verdiene ungefähr 2100 brutto im Monat - das setzt sich zusammen aus Auftragstexten, gebuchten Slam-Auftritten, Workshops und Moderationen. Ich werde von einer Künstler:innen-Agentur vertreten, die Gagen für mich aushandelt und die Rahmenbedingungen für Auftragstexte abspricht.
Viele machen Slam auch nur als Hobby oder Nebenjob – die Grenzen sind schwimmend, deshalb ist mein Einkommen nicht repräsentativ für die ganze Szene.
Ich bin zufrieden mit meinem Gehalt und komme gut damit aus. Ich sehe den Gegenwert, weil ich sehr viel Freizeit habe. Es gibt auch stressige Phasen, in denen ich zwanzig Veranstaltungen im Monat habe. Aber dieses Jahr konnte ich mir auch einfach die Zeit nehmen, um mit meinem Vater einen Monat wandern zu gehen. Das wäre nicht möglich gewesen, wenn ich Lehrerin geworden wäre, wie es ursprünglich mein Plan war.