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"Wir haben oft überzogen – das kam nicht so gut an“

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Evaluation, das ist, wenn mal nicht die Studenten, sondern die Dozenten benotet werden. Mit den Bologna-Reformen tauchten nicht nur Bachelor und Master auf, sondern auch der Bewertungsbogen zum Semesterende. Mit vielen Kästchen zum Ankreuzen und Feldern zum Ausfüllen hat er inzwischen die Feedback-Runde in der letzten Seminarsitzung weitgehend verdrängt. jetzt.muenchen hat mit Thomas Koch von der LMU München über Sinn und Unsinn von Evaluationen gesprochen und darüber, was ein gelungenes Seminar ausmacht. Der Kommunikationswissenschaftler ist von seinen Studenten sehr gut bewertet worden. Seine genaue Note dürfen wir aber nicht verraten. jetzt.muenchen: Herzlichen Glückwunsch zur Evaluation Ihres Seminars! Gelten Sie jetzt wegen ihrer guten Evaluationsergebnisse bei anderen Dozenten als Streber? Thomas Koch: Die Evaluationsnoten sind relativ vertraulich, deswegen erfährt man meistens nichts von den Ergebnissen der Kollegen. Als Streber würde man aber auch bei Bekanntwerden guter Noten sicher nicht gelten. Ihr Seminar war ein Pflichtseminar. Normalerweise finden Studenten aber doch Seminare, die sie nicht aus Interesse, sondern für einen Schein belegen, eher furchtbar. Warum hat den Studenten der Kurs trotzdem gefallen? Thomas Koch: Na, sie fanden auch nicht alles im Seminar gut – wir haben zum Beispiel oft überzogen, das kam nicht so gut an. Ich denke, den Studenten hat die lockere Atmosphäre gefallen, die wir im Kurs geschaffen haben, und dass der Kurs nicht so trocken war. Wir haben die meisten Themen anhand konkreter Beispiele aufgezogen und viele Diskussionen geführt.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Besteht darin das Patentrezept für eine gute Lehrveranstaltung? Thomas Koch: Es kommt doch auch immer auf das Fach an. In einem Seminar zur Finanzmathematik ist es sicherlich schwieriger, konkrete oder lustige Beispiele zu finden, als in einem Kurs, der sich mit der deutschen Medienlandschaft beschäftigt, wie im vorliegenden Fall. Es ist auch ein bisschen typabhängig, ob es einem Dozenten gelingt, den Stoff anschaulich zu vermitteln. Aber man kann ja zu lehren lernen. Und die Studenten? Wie viel tragen die Teilnehmer dazu bei, ob ein Seminar gut oder schlecht läuft? Thomas Koch: Bestimmt 80 Prozent. Ob ein Seminar gut wird, hängt zum Großteil vom Engagement der Studenten ab. In einer Vorlesung ist der Dozent eher alleine für deren Gelingen verantwortlich. Aber in Seminaren, wie wir sie kennen, mit Interaktion und Diskussion, ist es sehr wichtig, dass die Studenten mitziehen. Sonst wird der ganze Kurs nichts. Finden Sie das nicht unangenehm, so anonym beurteilt zu werden? Wenn Sie einem Studenten schlechte Noten geben, weiß der schließlich auch, wer ihn benotet hat. Thomas Koch: Wenn ich mir die Evaluationsergebnisse durchlese, wüsste ich schon manchmal gerne, wer dahintersteckt. Besonders, wenn einem jemand durchgängig schlechte Noten gegeben hat. Aber es ist natürlich besser, dass die Evaluation komplett anonym läuft. Die Studenten trauen sich nur dann ihre Kritik offen zu äußern, ohne dass sie sich sorgen müssten, dass sich ein negatives Feedback schlecht auf ihre Noten auswirken könnte. Das kann ja auch unbewusst geschehen, ohne dass der Dozent einem Studenten es für das schlechte Urteil heimzahlen will. Genauso trauen sich die Studenten aber auch zu sagen, was ihnen gefallen hat – ohne die Angst, deswegen womöglich als Schleimer dazustehen. Wenn Sie sich einmal die Evaluationsbögen anschauen: Glauben Sie, dass man durch die Auszählung kleiner Kugelschreiberkreuze hinter Aussagen wie „Der Dozent sprach gut verständlich“ überhaupt das messen kann, worauf es in einem Seminar in Wahrheit ankommt? Thomas Koch: Das stimmt schon, aus vielen Dingen kann man nur recht wenig herauslesen. Irgendwelche Zahlen und Mittelwerte, die besagen, dass man so viel besser oder schlechter als der Durchschnitt der Dozenten sei, sind relativ sinnlos, um einen Kurs in Zukunft besser zu gestalten. Manche Dinge kann man ja auch durchaus selbst beurteilen, zum Beispiel inwiefern die Veranstaltung durch die Unruhe der Teilnehmer gestört wurde. Den Unruhepegel merkt man doch selbst schon ganz gut. Viele Punkte in der Evaluation sind aber durchaus relevant. Welche sind das Ihrer Meinung nach? Thomas Koch: Etwa ob der Dozent es geschafft hat, komplexe Sachverhalte auf den Punkt zu bringen. Ob einem das gelingt, können die Studenten sehr viel besser beurteilen als man selbst. Das Allerwichtigste in der Evaluation sind aber die offenen Fragen. Da können die Studenten auch mal konkret schreiben, was sie stört oder gut finden. Oder was ihrer Meinung nach besser gemacht werden könnte. Damit können wir Dozenten viel mehr anfangen als mit Mittelwerten oder Häufigkeitsverteilungen. Ihre eigene Studienzeit liegt ja noch nicht allzu lang zurück. Was hat für Sie damals ein gutes Seminar ausgemacht? Thomas Koch: Ich fand immer wichtig, dass spannende Themen besprochen werden, eine lockere Stimmung herrscht und dass man mit dem Dozenten auf einer Ebene diskutieren kann. Man will ja nicht vom Dozenten Wissen hereingedrückt bekommen, sondern ihm gleichberechtigt gegenüberstehen. Ich glaube auch, dass sich erst durch Diskussionen Wissen vertiefen kann. Darin besteht doch gerade die Stärke eines Seminars im Vergleich zu einer Vorlesung.

Text: juliane-frisse - Illustration: Katharina Bitzl

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