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Die freche Musikmoderatorin

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Wenn Nadine Vasta auf eine Frage lieber nicht antworten möchte, reckt sie ihren Kopf, ihre Gesten werden noch nachdrücklicher als ohnehin und sie verfällt in dieses Komödiatenkölsch, das im deutschen Fernsehen anzeigt, dass etwas offensichtlich nicht ernst gemeint ist. Es ist in solchen Augenblicken sehr greifbar, dass Nadine Vasta sich noch fremd fühlt in ihrer neuen Prominenz und dass sie noch nicht diesen Erfahrungsschatz im Spiel mit der Öffentlichkeit hat, den sie vermutlich in ein paar Monaten schon sehr trocken ausspielen wird. Vielleicht ist aber auch genau das die persönliche Note, die Nadine Vasta mit in diesen Beruf und damit ins Fernsehen bringt: all dem Trubel mit Ironie zu begegnen, das Getue um Stars und Sternchen zu veralbern und im Zweifelsfall auf ihren Humor zu vertrauen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Seit Juli vergangenen Jahres ist Nadine Vasta, geboren in Remscheid als Tochter eines italienischen Einwanderers, Moderatorin bei Viva, dem Sender der einst mit pubertärem Humor und Musikvideos für Oliver Pocher, Jessica Schwarz oder Stefan Raab zum Sprungbrett wurde. Sie hat ein Schauspielstudium abgeschlossen und sie hat die

hinter sich – sie spielte unter anderem schon in Nachwuchsmusicals, in studentischen Kurzfilmen und in Bierwerbung. Nadine, die gerade ihren 25. Geburtstag gefeiert hat, ist außerdem die aktuelle Besetzung der „frechen Musikmoderatorin“; eine gleichbleibende Rolle im deutschen Musikfernsehen, die schon Kimsey von Reischach, Charlotte Roche und Sarah Kuttner spielten. Nadine Vastas bisherige Sendung bei Viva heißt „Vasta TV“. Wenn man nicht wüsste, dass Nadine heißt wie sie heißt, man könnte glauben, der Name sei speziell für den Musiksender erdacht worden und nur ein weiteres Wortspiel der Marke WahWah, Vivasion und Was geht ab!? Ein großer Unterschied zu Roche und Kuttner und all den mehr oder minder bekannten Namen des Musikfernsehens aber ist: Das Medium hat seine besten Tage vermutlich hinter sich. Spätestens seit Viva und MTV unter einem Dach stecken und seit die Sendungen beider Kanäle mit minimalem Personalaufwand produziert werden, haben die Musiksender nicht mehr den Stellenwert, den sie bis in die Neunziger hatten – den sie hatten, bis das Internet die Aufmerksamkeit auf sich zog. Nadines Aufgabe ist es nun, mit Witz, Fleiß und Internet die verlorengegangenen Marktanteile und Zuschauer zurückzuholen. Zumindest, so weit das möglich ist. „Die Zeit des Musikfernsehens ist vorbei und viele trauern dem hinterher. Aber: Musik wird es immer geben und wir brauchen neue Strukturen und Ideen, wie man Internet und Fernsehen verbinden kann. Ich habe diese Lösung nicht – aber wir probieren das aus“, sagt Nadine. Aber nicht nur sie probiert, auch Viva sucht auf unterschiedlichen Wegen den Erfolg. Nach nur knapp neun Monaten lief am Freitag die letzte Folge von „Vasta TV“. Die „Sendung zum Blog“ sollte Fernsehen und Internet verbinden. Nadine moderiert ab dieser Woche „Viva live“. Sie twittert (für fast 10 000 Follower) und versorgt eine Facebook-Fangruppe (mit rund 14 000 Mitgliedern) mit Meldungen. Dass sie selbst eher selten auf ihre Leser reagiert und das Blog nur noch alle paar Tage aktualisiert wird, scheint nur wenige Fans zu stören: Oftmals kommentieren über hundert Bewunderer die Einträge von Nadine. Aber reicht das? Es ist ein früher Nachmittag im Februar und Nadine kommt direkt von einem Dreh für ihre Sendung aus den an der Spree gelegenen Viva-Studios in Berlin-Friedrichshain auf die andere Flussseite nach Kreuzberg. Zwischen den Studenten, Werbern und Modeschülerinnen in einem kleinen Café in der Schlesischen Straße fällt sie kein bisschen auf. Sie wird nicht angesprochen, nicht einmal erkannt. Gleichzeitig überschlägt sich die Klatschpresse mit Lob: „Intelligent und witzig“ nennt sie das Berliner Boulevardblatt B.Z.. Das Frauenmagazin Jolie kürte sie zu einer Aufsteigerin des Jahres und auf glamour.de wird Nadine in einer Liste der „It-Girls“ direkt hinter Penélope Cruz geführt. Wie Nadine über all das wirklich denkt, ist gar nicht so einfach herauszufinden. Der Job als Viva-Moderatorin, sagt sie, ist natürlich eine wahnsinnige Chance, macht total viel Spaß. Die Fans sind süß, fast immer. Sie findet es natürlich noch seltsam erkannt zu werden, vor allem im Fitnessstudio. Ihre Jugend sei total normal gewesen, aufgewachsen im Reihenhaus. Und ihre beste Freundin sagt, sie habe sich durch die neue Prominenz nicht verändert, auch wenn sie in letzter Zeit etwas zickig geworden sei. Nadine, die in ihrer Sendung immer ein bisschen zu aufgedreht und zu sehr in Pose wirkt, wenn sie, häufig auf High-Heels, etwas ungelenk durch ihr kinderzimmergroßes Studio stakst und redet, redet, redet, entpuppt sich als viel hadernder, unsicherer, ungekünstelter als man das erwarten würde, wenn man ihre Sendung oder einige der anderen Aufnahmen kennt, die sie vor Viva gemacht hat.

In einem besonders albernen Moment überrumpelte Nadine in ihrer Sendung die Schauspielerin Fiona Erdmann mit dem

, wie im Film „Harry und Sally“ einen Orgasmus vorzutäuschen. Und dann sieht man Fiona Erdmann, die als Kandidatin von „Germanys Next Topmodel“ mit öffentlichen Auftritten vertraut sein dürfte, wie sie sich der Aufgabe zu entziehen versucht, bis Nadine sie doch so weit hat. Und dann stöhnen die beiden jungen Frauen vor einer einsamen Kamera in einem kleinen Studio in Berlin-Friedrichshain derart um die Wette, dass man sich im Nachtprogramm eines der kleineren Privatsender wähnt. Überhaupt scheint Nadine Vasta überraschend frei von Scham und Peinlichkeit, wenn die Kamera erst einmal läuft. Für einen Uhrenhersteller moderierte sie eine Weile eine etwas abwegige Sendung im Internet, bei der Uhren im Betonmischer gemahlen wurden und Nadine aus einer blauen Papiertonne ins Studio springen musste. Und als sie für den Spartensender „Sat. 1 Comedy“ ein „Comedyblog" mit lustigen Videos füllen sollte, konnte man Nadine beobachten, wie sie Paare und Passanten mit hörbar falschem, russischen Akzent oder als Karikatur einer Umweltschützerin verschaukelte.

„Mir ist das auch unangenehm, aber das ist halt mein Job. Manchmal macht das auch Spaß, aber wenn man einen schlechten Tag hat, dann ist das richtig, richtig anstrengend. Dann muss man da durch. Aber es ist schon so: Die Kamera geht an und dann traut man sich mehr und spielt eine Rolle. Im Privatleben sind mir manche Sachen unfassbar peinlich und die Leute sagen: Sonst ist dir nüscht peinlich und jetzt stellste dich so an.“ Zwei Tage später sitzen in einem der Studiogebäude von MTV-Networks an einem kleinen Tisch der Redakteur von „Vasta TV“ und eine Viva-Redakteurin, die gleich als Komparsin einspringen muss, und warten auf Nadine. Es ist ein grauer, kalter Tag und das Licht, das durch das Glasdach in die Cafeteria fällt, lässt alle Gesichter bleich aussehen. Auf zwei Din-A4-Seiten ist der Sprechtext ausgedruckt, ausgeleuchtet wird das Filmset nicht. Der Redakteur ist gleichzeitig Regisseur und Kameramann, am Nebentisch hat sich ein Team des Kinderfernsehsenders Nick zur Besprechung eingefunden. Es ist eine triste Szenerie und ein bisschen steht sie auch für das Medium und dessen Zustand. „Wenn ich mich zu lange in dieser Welt befinde, merke ich das ganz stark: das ist so leer. Das Leben ist nun mal nicht perfekt. Meine Haare sehen nun mal scheiße aus, wenn ich aufstehe. Und bis sie so aussehen wie in der Sendung, werden die eine halbe Stunde gemacht“, sagt Nadine, als sie da ist. Wenn man sich ihre Sendung genau anschaut, merkt man, dass sich nicht nur die Privatperson Nadine Vasta dieser Lücke zwischen glamourösem Anspruch und trübem Arbeitsalltag bewusst ist, sondern auch die Moderatorin Nadine Vasta. Fast ununterbrochen belustigt sie sich über Stars und Sternchen, über Gossip und Glamour, ohne allerdings jemals wirklich gemein zu werden. Vermutlich wird das Musikfernsehen auf lange Sicht nicht zu retten sein, auch nicht von Nadine. Wenn alles mit rechten Dingen zugeht, dann wird Viva auch nicht ihre letzte Station sein. Wenn man sie nach der Zukunft fragt, lächelt Nadine ein bisschen vage, reckt den Kopf und sagt mit ausladender Geste und angedeutetem Akzent: „Sagen wir so: Es gibt auch Dinge, die ich bei Viva nicht ausleben kann.“

Text: daniel-erk - Foto: ddp

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