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"Der Stil in München ist clean und minimal"

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Yvan, wie oft warst du schon in München? Das ist jetzt das dritte Mal seit November letzten Jahres. Ich bin eigentlich immer auf eine Einladung hin hergekommen - wegen eines Mode-Events oder einer bestimmten Party. Wie gefällt es dir hier denn? So lala. Von selbst würdest du also nicht herkommen. Ganz ehrlich: Vermutlich würde ich hier nicht privat eine Woche lang Urlaub machen. Wieso nicht? Puh. Ohne jetzt irgendwelche Gefühle verletzen zu wollen: Hier ist alles zu perfekt. Und zu gemütlich. Ich brauche mehr Durcheinander. Deshalb bin ich vor einem Jahr von Paris nach London gezogen. London ist an sich ziemlich widerlich. Gewälttätig, teuer, hässlich, abstoßend. Gleichzeitig ist es mit die kreativste Stadt auf der Welt. München erinnert mich sehr an meine Heimatstadt Genf: alles schön sauber und unverrückt. Jeder pflegt seinen gehobenen Lebensstandard. Es fällt auf, dass du immer relativ wenig Fotos aus München in dein Blog stellst. Sind die Leute hier wirklich so langweilig? Wie gesagt, ich habe hier nie übermäßig viel Zeit verbracht. Es stimmt schon, dass woanders die Leute auf der Straße mehr auffallen. Das muss aber nicht heißen, dass die Leute hier keinen Stil haben.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Wie würdest du diesen Stil denn beschreiben? Clean und minimal. Das Gute an dieser Art von Zurückhaltung ist, dass dabei nicht so viel schiefgehen kann. Die Mädchen, die ich hier vorhin beim Spaziergehen gesehen habe, tragen einfache, hübsche Sommerkleider. Man geht ein bisschen auf Nummer sicher, aber es sieht gut aus. Münchner tragen ja diesen ewigen Minderwertigkeitskomplex gegenüber Berlin mit sich herum. Zu Recht, im Hinblick auf Stil? Es mag dich vielleicht verwundern, aber ich ziehe München vor. Berlin ist sehr „hit or miss“, wie man in England sagt. In Berlin gibt es eine große kreative Kultur, diese Kreativität drückt sich aber sehr willkürlich aus. Berliner geben sich viel Mühe, gleichzeitig trifft man auf sehr viel schlechten Geschmack. Es ist kreativ, kann aber furchtbar aussehen. Münchner sind eleganter. Das ist mir eigentlich lieber. Wie kommt es eigentlich, dass skandinavische Städte in der gleichen Größenordnung wie München, Kopenhagen oder Stockholm, so „fashion forward“ sind? Skandinavien ist ein Phänomen, insbesondere die Schweden. In Schweden gibt es eine nationale Obsession mit Mode, die sich durch alle Gesellschafts- und Altersgruppen zieht. Die Schweden haben eine sehr ausgeprägte ästhetische Kultur. Die findest du in der Architektur, im Produktdesign, in allem. Das wird ihnen von Kindesbeinen an anerzogen. Schwedische Modelabels sind heute deshalb so einflussreich und erfolgreich, weil sie originell und ausgefallen sind und dabei bezahlbar bleiben. Nimm als Beispiel Cheap Monday: Die haben fast im Alleingang den Röhrenjeans-Trend gestartet, zum Preis von 40 Euro. Das war eine Mini-Revolution. Halb Schweden läuft seit Jahren in diesen Jeans rum. Hier ebenso. Auf der nächsten Seite spricht Yvan über den Modestandort Deutschland, globalen Dresscode und den Einfluss von Streetstyle-Blogs.


Es gilt also nicht: Je größer die Stadt, desto stylischer die Leute? Jaja, ,In der Hauptstadt sieht man die gut angezogenen Leute, und auf dem Land leben die doofen Trittbrettfahrer'. Stimmt überhaupt nicht! Das beste Gegenbeispiel ist Island. Reykjavik hat gerade mal wenig mehr als 100.000 Einwohner, das entspricht einer mittelgroßen Stadt in Deutschland. Trotzdem habe ich da die originellsten Leute gesehen, die spannender gekleidet waren als New Yorker oder Londoner. Es ist ein dummes Klischee, aber die Leute sind viel zu Hause und Isländer sind launisches Klima gewöhnt. Vielleicht fördert das die Kreativität. Deutsche haben den Ruf, Modemuffel zu sein. Deutschland ist wahrscheinlich wirklich nicht das beste Land, wenn es um Mode geht. Ich will nicht unhöflich sein, aber ich sehe hier nicht besonders viele „Naturtalente“, wenn man das so ausdrücken will. Es wirkt oft gekünstelt. Aber es tut sich viel. Mode ist keine elitäre Angelegenheit mehr wie früher. Das ist in Deutschland genauso wie anderswo. Ein altes Vorurteil lautet, dass Intelligenz und Mode miteinander auf Kriegsfuß stehen müssen. Auf dieses Vorurteil stößt man in Deutschland nach wie vor oft. Man darf den Fehler nicht machen und Stilbewusstsein mit Modeopfertum gleichsetzen. Modisch zu sein und Stil zu haben ist etwas vollkommen anderes. Mode ist Kostüm, Stil ist Identität. Als ob man sich wie Scheiße anziehen müsste, um der Welt zu zeigen, dass man intellektuell ist. Das ist lächerlich. Wie globalisiert ist die Modewelt? Siehst du nicht irgendwie in jeder Stadt immer dieselben Typen in derselben Montur herumlaufen? Natürlich schlägt die Globalisierung sich auch in der Mode nieder. Trotzdem finde ich nicht, dass es so etwas wie einen globalen Dresscode oder eine Uniform gibt. Klar beziehen wir uns alle auf dieselben Referenzen, wir kennen dieselben Designer, wir hören dieselbe Musik. Egal ob in Moskau oder Mexico City. Wir können alle aus demselben Fundus schöpfen. Je mehr aber diese Vernetzung da ist, desto mehr entsteht auch ein Bedürfnis nach Diversität. Dieselben Trends werden überall doch anders umgesetzt, kulturelle Erfahrungen und Mentalität spielen eine große Rolle. Glaubst du, dass deine Fotos einen Rückkoppelungseffekt auf der Straße erzeugen? Nee, das würde meine Arbeit überschätzen. Also ich treffe schon immer mehr Menschen, die mich auf mein Blog ansprechen und sagen, dass sie da Anregung für ihren Alltag holen. Da sind Fotos von der Straße bestimmt besser geeignet als eine Fotoserie in der Vogue. In den Modemagazinen siehst du brasilianische Model, wie sie in der sibirischen Tundra herumstehen und ihre Designer-Handtasche schwenken. Ein normaler Mensch denkt sich: Ich werde nie ihre Figur haben, ich werde nie solche Klamotten haben. Diese Bilder sind sehr schön, total unwirklich und lügen uns an. Zu Streetstyle-Fotos findet man einfacher einen Zugang. Siehst du dich selbst als Künstler? Oder eher als Dokumentar? Künstler ist übertrieben. Ich glaube, dass meine Arbeit auf der Schnittstelle zwischen verschiedenen Bereichen funktioniert. Auf irgendeine Weise dokumentiere ich natürlich. Allerdings bin ich nicht von Wahrheit besessen, ich bin kein Wissenschaftler und auch kein Journalist. Wenn ich jemandem auf der Straße begegne und das Drumherum sieht total scheiße aus, drück ich nicht einfach auf den Auslöser, so dass die Person am Ende aussieht wie ein Penner. Ich suche einen interessanten Hintergrund und spiele damit. Es ist immer eine Gradwanderung zwischen Fiktion und Realität. Hast du dich nicht inzwischen satt gesehen? Überraschen dich Menschen noch, wenn man wie du jeden Tag „facehunten“ geht? Klar überraschen sie mich, immer noch. Ein bisschen hat sich meine Wahrnehmung allerdings schon geändert. Ich bin wählerischer geworden. Auf der nächsten Seite: Eindrücke von Yvans Vernissage im Münchner Glockenbackviertel
Wenn Yvan Rodic ausstellt Ein Ortstermin in der SpielbarTragbar Die Fotos tragen so gar nicht Yvans Handschrift. Gestellte Schnappschüsse in schwarzweiß, die aussehen, als hätte Paris Hilton sie bei einem Terry Richardson für Arme bestellt. Halb so schlimm, niemand ist wirklich wegen Yvan Rodics Bildern aus dem Berliner Nachtleben in die SpielbarTragbar gekommen - die Besucher sind vor allem wegen Yvan "Facehunter" Rodic gekommen, der normalerweise Leute auf der Straße fotografiert. Ein 19-jähriger Kommunikationsdesignstudent ist der Erste, den Yvan sich aussucht. Maxim trägt geschätzte Jeansgröße 26 und ein übergroßes weißes T-Shirt, auf dessen Rückseite mit Edding „Slut" geschrieben steht. Er folgt Yvan in einen nahegelegenen Hinterhof. Der huscht unruhig durch die Gegend, schaut sich um. Grauer Beton und Garagentüren. Naja. Schließlich holt Yvan einen Stapel gelbe Paletten vom nächsten Supermarkt. Maxim wird neben das Gelb drapiert. Klickklickklick. Rücken gerader, Gesicht etwas nach unten. Klickklick. Zusammen schieben die beiden die Paletten wieder zurück. Maxim sieht geschmeichelt aus. „Aber es war mir auch klar“, sagt er, er werde immer fotografiert.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

In und vor der SpielbarTragbar ist es mittlerweile ziemlich voll geworden. Es ist übrigens einer von diesen Läden, die auch deswegen cool sind, weil man sich normalerweise dort als Kunde immer vor dem viel lässigeren Ladenbesitzer schämt. An diesem Abend sind alle Fotograf, Stylist, Shopbetreiber, Modestudent oder einfach so wichtig. Die jüngeren kommen in Peergruppen. Zwei Jungs um die 17 Jahre tragen bei 25 Grad Trenchcoat und Lederjacke, der eine hat sich eine Melone auf den Kopf gesetzt. Die Mädchen haben Overalls, Lackschuhe und T-Shirts mit großformatigen Prints an. „Slut“ von vorhin steht jetzt direkt neben „Bangbangbang“. An den Gesichtern klemmen nerdige Brillengestelle mit Fensterglas. Oder ganz ohne Glas. Yvan steht immer wieder für ein paar Minuten alleine da. Er sieht aus wie dieser eine stille Typ, den es immer in einer lauten Clique gibt. Für das Münchner Stylevolk ist es ein Heimspiel. Man kennt sich. Gunnar Hämmerle, der lokale Facehunter, kennt sie auch. Ein Großteil der Anwesenden ist ihm innerhalb der eineinhalb Jahre, seit es seinen Styleclicker-Blog gibt, schon mehrmals vor die Kamera gelaufen. „Heute sind wieder die üblichen Verdächtigen da. Ich sehe auch sonst immer wieder Perlen auf der Straße. Aber viel Auswahl gibt es hier eben nicht.“ So gesehen wurde man Zeuge eines irgendwie besonders anmutenden Momentes: Selten oder eher nie verdichtete sich an einem Abend in München soviel Hipness auf sowenig Quadratmetern. Yvan ist ein bisschen verblüfft. Ist das der Facehunter-Effekt? "Eine Mischung aus Facehunter- und Freigetränk-Effekt", meint er. Dann nimmt er seine Kamera und späht durch die Menge. Es warten noch welche auf ihr Foto.

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