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Der hört die gleiche Musik wie du

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Wenn Kultur vor allem im Netzwerk entsteht, dann war diese Wohngemeinschaft in der Lilienstraße in der Au ein Nährboden für viele Kulturprojekte. Sieben Menschen lebten dort zusammen und alle waren sie kreativ. Der eine arbeitete bei einer Filmproduktion, der andere war Grafikdesigner, ein anderer machte iranische Trommelmusik. Rüdiger, damals Politikstudent, lebte auch in dieser WG und saß eines Abends mit einem seiner Mitbewohner beim Bier, der zu ihm sagte: „Rüdiger, du solltest mal den Mirko kennen lernen. Der mag die gleiche Musik wie du“. Die WG gibt es nicht mehr, das Elektro-Label und den Festivalveranstalter Stock 5 hingegen schon. Der Mitbewohner betätigte sich zunächst noch als Bote und übermittelte Mirko Gresser, 29, ein Tape von Rüdiger, der neben seinem Studium als DJ arbeitete. Mirko hörte rein und Rüdiger wurde alsbald Mitglied bei Stock 5. Seit 2003 firmiert dieser Zusammenschluss von Party-Interessierten und Freunden elektronischer Musik unter diesem Namen. Benannt ist das Kollektiv nach dem ehemaligen Büro im 5. Stock über dem Club Registratur in der Blumenstraße. Mirko Gresser war einer der Mitgründer und für die Organisation zuständig, Rüdiger kümmerte sich alsbald um die Musik und die PR. Bevor Rüdiger einstieg, bestand die Agentur aus drei Machern – heute sind Mirko und eben Rüdiger allein die Gesichter von Stock 5. Zunächst arbeitete das Label als Booking-Agentur und organisierte unter anderem die Tour für die französische Band Nôze. „Aber so etwas ist ein finanzielles Desaster“, sagt Rüdiger heute. „Clubs bleiben oft leer, wenn unbekannte DJs spielen. Und wenn ein Künstler dann Erfolg hat, wechselt er zu einer größeren Agentur.“ Also widmete sich Stock 5 wieder dem Kerngeschäft, dem Veranstalten von Partys. Fast alle bekannten Münchner Elektro-Clubs wurden schon von ihnen bespaßt: Badeanstalt, Registratur, Prinzip und Harry Klein, in dem die Whoomb-Reihe stattfindet. Stock 5 arbeitet mit etablierten DJs wie Kid Chic und Alex Funkt zusammen, aber auch mit Neuzugängen wie Rontron & Tangomat.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Rüdiger über dem DJ-Pult. Der große Wurf gelang den Machern aber mit dem Monsters of House-Festival. Ursprünglich war zwar nur eine Party zum Zweijährigen geplant, aus dem kleinen Jubiläumsfest wurde aber ein zweitägiges Festival in der Registratur – mit 30 gebuchten DJs und „ohne einen Cent in der Tasche“, wie sich Rüdiger an die Vorbereitungen erinnert: „Ich habe alles vom Sofa in der WG aus organisiert und hatte danach eine horrende Telefonrechnung.“ Dennoch legten bei diesem und den folgenden Festivals Underground-Berühmtheiten wie Acid Maria, Smash TV und Akufen auf – die nächste Ausgabe ist am 13. September in der Muffathalle geplant. Das Kind war also erwachsen geworden und das Festival ein großer Erfolg. „Wir haben aber leider auch die Erfahrung gemacht“, sagt Rüdiger, „dass es gewisse Tage gibt, an denen man keine Partys veranstalten sollte – Ostersonntag zum Beispiel.“ Und er weiß noch einen weiteren Rat für junge Partyveranstalter: „Zahlt auf jeden Fall Eure GEMA-Gebühren. Die finden’s sowieso immer raus.“ Muss man als junge Ich&Ich-AG solche Erkenntnisse selbst sammeln oder gibt es dafür Volkshochschul-Kurse und Business-Mentoren-Programme? Solche Kurse gibt es sehr wohl, aber bei Stock 5 wollte man sich nicht mit trockenen Kalkulationsplänen aufhalten. „Wir haben beschlossen, jemanden für diese Arbeit ins Boot zu holen“, erzählt Rüdiger. Das sei vielleicht das Wichtigste, was junge Unternehmer lernen könnten, so Rüdiger: „Mach’, was du wirklich kannst, um den Rest sollen sich andere kümmern.“ Vermutlich ist dieser Gedanke auch deshalb einigermaßen klug, weil es sich bei Stock 5 um eine „Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ handelt, bei der die Mitglieder mit ihrem Privatvermögen haften. Als Label etabliert Seit Anfang des Jahres nun wohnt Rüdiger in Barcelona – Isidora ist der Grund, eine zierliche Chilenin, und außerdem die Stadt selbst. Sein Eindruck von der Szene in der spanischen Stadt: „Die Clubs machen dort früher zu und es gibt nicht diese offizielle After Hour-Kultur wie bei uns“, sagt er. „Dafür ist das Leben dort wilder und freier.“ Neben Strand und Partys widmet sich Rüdiger der Produktion eigener Musik, seinem eigentlichem Traum. Als Feldah und Koba hat er zusammen mit Dario Zenker bereits zwei Minimal-Tracks veröffentlicht, bald will er eine eigene Platte bei Stock 5 herausbringen. Seit zwei Jahren ist dieses Multifunktions-Kollektiv nämlich auch als Label aktiv. Auch wenn es heute für Künstler leichter ist, bekannt zu werden – jeder kann leicht seine Musik ins Netz stellen, auch ohne den Weg über ein Label – glaubt Rüdiger an die Notwendigkeit seiner Arbeit. „Auch digital setzen sich nur die Guten durch – und dafür braucht man dann eben doch ein Label.“ Rüdiger will sowieso Vinyl in den Händen zu halten, MP3s sind in seinen Augen kein würdiger Ersatz. Deswegen arbeitet Stock 5 auch mit einem Vertrieb zusammen, der sich um die internationale Vermarktung kümmert. „Wer fünf Veröffentlichungen schafft, ist ein Label“, sagt Rüdiger. „Nach zehn Releases hat man sich etabliert.“ Das zehnte heißt SUTEKH - Influenza B. Und nach dieser Rechnung hätte Stock 5 es jetzt geschafft.

Text: verena-krebs - Fotos: privat

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