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Das Münchner Meer ist anders

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Fin Erik Christensen hält sein Surfbrett mit beiden Händen fest. Er sammelt sich kurz, nimmt zwei Schritte Anlauf und springt ab. In der Luft bringt er das Brett unter seinen Füßen in Position. Surfbrett und Wasser berühren sich, und einen Moment lang sieht es so aus, als könnte er sich halten. Doch dann rudert er mit den Armen und fällt nach vorne um. Die Welle zieht ihn nach hinten in ihren Weißwasserstrudel, verschluckt ihn und spuckt ihn einige Sekunden später wieder aus. Eigentlich kann Fin Erik sehr gut mit seinem Brett umgehen, genau wie die fünf anderen Surfer, die sich aus dem hohen Norden zur Flusswelle am Münchener Eisbach aufgemacht haben. Sie alle haben langjährige Erfahrung in ihren Heimatwellen auf Sylt und Norderney oder auf ihren Reisen gesammelt. Doch hier ist die so gut wie wertlos: „Es ist einfach komplett was anderes am Eisbach“, sagt Timo Eichner, während er sich in seinen Neoprenanzug zwängt. 22 Kleinwagen pro Sekunde Im Durchschnitt strömen 22 000 Liter Wasser pro Sekunde unter der Himmelreichbrücke an der Prinzregentenstraße hervor, eine Masse, die in etwa 22 Kleinwagen entspricht. Das Wasser bäumt sich über einer Bodenwölbung auf und bildet eine etwa einen Meter hohe stehende Welle. Die sieht ihrem Pendant im Meer zwar ähnlich, weist aber einen für den Surfer entscheidenden Unterschied auf: „Das Wasser kommt von vorne anstatt von hinten, und trägt dich mit einem wahnsinnigen Druck nach hinten aus der Welle“, erklärt Timo. „Das macht es sehr schwer, das Gleichgewicht zu halten. Vom Meer ist man es gewohnt, mit dem Wasser zu surfen und nicht dagegen.“

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Der Münchner Gerry Schlegel hat sich mit den Bedingungen am Eisbach bestens arrangiert. Er surft hier bereits seit 14 Jahren. Er stellt sein Brett quer, fährt rückwärts, fliegt mit „180ies“ und „Shove Its“ durch die Luft – Tricks, die man eigentlich nur vom Skateboarden kennt. Doch die stehende Eisbachwelle macht es möglich, solche Manöver ins Wasser zu übertragen. Hier lassen sie sich perfekt üben . Wer sich einmal an die Eigenheiten des Flusssurfens gewöhnt hat, findet hier ein traumhaftes Trainingsgelände, das die Ozeane nie bieten könnten. Denn im Meer ist jede Welle ein bisschen anders. Das erfordert Erfahrung und die Fähigkeit, lesen zu können, wie die Welle bricht und an welcher Stelle sie für welches Manöver geeignet ist. Der Eisbach hingegen bleibt konstant, Tag für Tag, Jahr für Jahr. „Laborbedingungen“ nennt Fin Erik das. Gerry hingegen genießt seine Gastgeberrolle und tobt sich aus. Er ist einer der sechs Münchner Surfer, die zusammen das Team „Sweet“ bilden. Letzte Woche waren sie zu Besuch im Norden, diese Woche zeigen sie den Nordlichtern ihre Welle. Die Idee hinter dem Trip bestand darin, die zwei größten Surfszenen Deutschlands in ihren so unterschiedlichen Heimatrevieren zusammen zu bringen. Süd trifft Nord, München trifft Sylt, süß trifft salzig, Fluss trifft Meer. Als der erste Herbststurm der Saison die Nordseeküste traf, rollten vier mit Surfbrettern und Neopren bepackte Wohnmobile von München nach Sylt. Dort fand die Karawane acht Windstärken und drei Meter hohe Wellen vor – fast etwas zu viel des Guten, wie Paul Günther, der jüngste aus dem Münchner Team findet: „Die Bedingungen waren ganz schön rau am Anfang. Wir hatten viel Wind und sehr starke Strömung. Aber wir sind dann weiter nach Dänemark gefahren. Da war es super.“ Ob es auch Konkurrenz gab zwischen den Teams? Nein, beteuern beide Seiten, alles sei sehr entspannt abgelaufen. Ein wenig beäugt hat man sich aber schon, und dabei durchaus Unterschiede festgestellt. Es geht um Stilfragen: Die Flusssurfer würden ihre Turns nicht so weit oben in der Welle fahren, und außerdem die Tricks, die sie auf der immergleichen Eisbachwelle üben könnten, auch ins Meer übertragen. Schmerzhafte Erfahrung Der Parkplatz hinter dem Haus der Kunst gleicht an diesem Abend einem Campingplatz an der französischen Atlantikküste. Nasse Neoprenanzüge baumeln zum Trocknen an den Wohnmobilen. Surfbretter liegen auf dem Boden oder lehnen an den Absperrgittern. Nach und nach kommen die letzten Surfer aus dem Wasser und schälen sich aus ihren Gummihäuten. Bierflaschen werden geöffnet, Paul dreht die Musik auf. Fin Erik fasst seine Tage an der Münchner Flusswelle in nur einem Wort zusammen: „Schmerzhaft.“ Der Eisbach hält nämlich auch unangenehme Überraschungen bereit. Nicht weit unter der Oberfläche lauern mehrere Reihen von Steinblöcken, die im besten Falle blaue Flecken und Prellungen, im schlimmsten angeknackste Knochen hinterlassen können. Die Seiten sind von Betonwänden gesäumt, die an den Surfbrettern deutliche Spuren hinterlassen. Etwas Schlimmes ist nicht passiert, aber keiner der Sylter kam ungeschoren davon: „Wir haben uns alle mächtig angehauen“, sagt Fin Erik. Dennoch, die Sylter haben sich wacker geschlagen. Es kommen regelmäßig gestandene Profi-Surfer an den Eisbach; selbst sie scheitern bei ihren ersten Versuchen zumeist kläglich.

Text: christian-helten - Foto: Andreas Fuchs

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