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Auf den Spuren von Monaco, Baby und Pumuckl
Bevor aus Helmut Fischer der Monaco Franze wurde, war er das Hinterteil eines Esels. Und wäre nicht dieser eine, alles entscheidende Satz gefallen, hätte sich der Fischer wohl weiter mit solchen Rollen auf dem Oktoberfest über Wasser halten müssen und der Stadt München würde ein menschliches Wahrzeichen fehlen. Der Satz, den Fischer sagte, war: „Setzt euch halt mal her!“ Er saß damals hier in diesem Cafe an der Münchner Freiheit und an ihm vorüber gingen Regisseur Helmut Dietl und dessen Frau. Sie setzten sich; und wenig später wurde aus dem Fischer der Monaco. Heute steht an diesem Platz eine Statue, um an den großen Münchner „Stenz“ zu erinnern. Neben der Statue steht jetzt Sebastian Kuboth, 25, und hält ein laminiertes Foto in der Hand, auf dem das Cafe zu sehen ist. Es ist ein Foto von damals Anfang der Achtziger, als der Monaco noch wirklich dort saß und die Westdeutschland ähnlich neugierig auf München blickte heute Gesamtdeutschland auf Berlin. Sebastian hat viele solcher Fotos in seiner Tasche und an fast jeder Straßenecke zieht er eines hervor und erzählt eine Geschichte dazu. Zum Beispiel die vom Kanarienvogel, den er einst in einer Pumuckl-Folge entdeckte. Der gelbe Vogel war nicht Teil der Handlung, Sebastian entdeckte ihn in einem Fenster gegenüber der Eder-Werkstatt. Daraufhin machte er sich auf die Suche, telefonierte und klingelte sich durch's Lehel. Schließlich öffnete ihm eine ältere Dame. Sebastian zeigte ihr das Foto und die Frau sagte: „Mei, des is ja mein Bazi!“
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Weil Sebastian viele solcher Geschichten erzählen kann, weil er nahezu alle berühmten Münchner Serien auswendig kennt und weil er stundenlang über Kir Royal, Monaco Franze, Pumuckl, Löwengrube, Münchner Geschichten und Die Hausmeisterin reden kann, lässt er sich mieten. Anfang des Jahres entschloss sich der ehemalige Filialleiter eines Getränkemarkts, mit seiner Leidenschaft und seinem Wissen Geld zu verdienen. Seitdem kann man ihn auf seiner Website www.drehorte-muenchen.de buchen. Für zehn Euro in der Stunde führt er interessierte Münchner und solche, die es werden wollen, zu den Originalschauplätzen der Münchner Serien. Die Schwabing-Tour zum Beispiel führt vom Karl-Theodor-Gymnasium, wo Filme wie „Die Lümmel aus der ersten Reihe“ gedreht wurden, über das Lieblingscafe des Monaco an der Münchner Freiheit und dann hinter zu einer kleinen Seitenstraße. Hier, sagt Sebastian, gingen der Monaco und der Manni hin, um die „Elli“ zu suchen. Außerdem bietet Sebastian eine Innenstadt-Tour an – zur Löwengrube und zum Antiquitätengeschäft des „Spatzerls“– sowie eine Führung durch das Lehel und Haidhausen, wo die Pumuckl-Folgen gedreht wurden. Entgegen anders lautender Gerüchte existiert die Schreinerwerkstatt des Meisters Eder nicht mehr, sie wurde 1985 abgerissen. Nur auf Intervention des damaligen Ministerpräsidenten Franz-Joseph Strauß, sagt Kuboth, habe es überhaupt eine zweite Staffel gegeben. Man munkelt, einer seiner Söhne sei ein Pumuckl-Fan gewesen. Eine Satz Strauß' genügte und die zweite Staffel wurde gedreht. Manchmal ergeben sich Gespräche mit seinen Tourgästen über Gegenwart und Vergangenheit der Stadt. Und immer wieder komme die Frage auf, warum heute keine vergleichbaren Serien mit Kultpotenzial gedreht würden. Regisseur Helmut Dietl arbeitet gerade an einer neuen Serie – allerdings in Berlin. Monaco Franze und Kir Royal wimmelten von Stars und Sternchen: Gustl Bayrhammer, Jörg Hube, Veronika Fitz, Mario Adorf, Elmar und Fritz Wepper, Ruth Maria Kubitschek etc. Neuere Produktionen wirken dagegen oft flach besetzt. „Damals konnten die Regisseure noch entscheiden, wer in ihren Filmen mitspielt“, sagt Sebastian. „Da wurden junge Schauspieler noch richtig aufgebaut. Heute machen das die Redakteure und Casting-Agenturen.“ In keiner anderen deutschen Stadt wurde das Lebensgefühl so oft und so gut in Serien eingefangen wie in München. Noch heute, mehr als 20 Jahre nach der Erstausstrahlung, fungieren einzelne Satzfragmente als Erkennungsmerkmale unter Eingeweihten, die selbst in Hamburg und Berlin ausgetauscht werden: Der Satz des Generaldirektors Haffenloher aus Kir Royal „Ich scheiß dich so was von zu mit meinem Geld“ zitieren manche, als handele es sich um ein Gedicht. Im richtigen Moment genügt ein „Eine Seife, des is aber nett!“ und sofort weiß der andere: Es geht um die Elli und den Monaco. Dann folgen: „Spatzerl“, „Tierpark-Toni“ und „A Hund bist fei scho“ und die emotionale Verständigung ist perfekt. Sebastian Kuboths Lieblingsserie ist „Die Löwengrube“, eine Münchner Familien-Saga von 1900 bis 1960, weil in ihr historisch komplexe Zusammenhänge aus der Perspektive einfacher Menschen erzählt werden. „Man erfährt soviel über die Stadt“, sagt Sebastian. Er selbst ist kein Münchner, sondern in Schweinfurt, Franken, aufgewachsen. Erst seit 2006 lebt er hier, doch kennt er die Stadt besser als so manche Alteingesessenen. „Noch zehn Jahre“, sagt er, „und ich kann zu jeder dritten Straße eine Geschichte erzählen“. Und dann steht er auf der Leopoldstraße, hält das laminierte Foto hoch. Darauf zu sehen ist die Anfangsszene aus „Monaco Franze“, in der Helmut Fischer mit drei Eis essenden Mädchen flaniert. „Hier oben“, er deutet auf ein kleines, verschwommenes Straßenschild, „das ist die Trautenwolfstraße. Genau hier wurde die Szene gedreht.“