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Ein Tag im Sommer

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1. Beim Bikram-Yoga

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Die Tür geht auf und niemand hat mehr Schuhe an. Es ist sehr warm und auf eine räucherstäbchenhafte Art gemütlich. Wenn man barfuß ist und Räucherstäbchen riecht, fühlt man sich sommerlich, auch wenn man noch Schal trägt.

Draußen liegen graue Eisschollen zwischen Straße und Gehsteig, und die Neuhausener, die über den Rotkreuzplatz huschen, haben den Kopf so tief zwischen den Schultern versenkt, dass sie aussehen wie aufrecht stehende Särge in dicken Jacken. Im Yogasaal ist das anders. Da strecken die Menschen den Kopf so weit nach oben, als stünden sie in einem Hörsaal und lauschten einem sehr interessanten Vortrag. Die Wände sind weinrot, die Heizkörper voll aufgedreht. Alle neun Stück. 38 Grad hat es, das gehört zu den Regeln, genau wie die 26 Übungen, die der Trainer mit uns macht, in einer genau abgestimmten Reihenfolge. Yoga kommt aus Indien, da ist es warm. Also hat ein Herr Bikram irgendwann angefangen, in seinem kalten Studio in Kalifornien die Heizungen aufzudrehen.

Die Wärme soll den Körper beweglicher machen und das funktioniert. Nach der dritten Übung bin ich weich, nach der zehnten Übung komme ich mit der Stirn an meine Kniescheibe und frage mich, wessen Körper ich da eigentlich in der Umkleide versehentlich erwischt habe. Als ich nach der 26. Übung geduscht „Namaste“ sage, das indische Servus, hat sich meine Wirbelsäule so ausgedehnt, dass ich fast mit der Stirn am Türstock hängenbleibe.
 
Temperatur: 38 Grad
Gefühlte Temperatur: 70 Grad
Kostenpunkt: zehn Euro für zehn Tage Probetraining, danach 22,50 Euro pro Stunde.
Sommerfaktor: 90 Prozent

2. Im Botanischen Garten

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Eine Jahreskarte im Botanischen Garten kostet 40 Euro, das ist günstiger als ein Flug nach Madagaskar. Aber zwei Stunden in den Gewächshäusern herumwandeln hat den gleichen Effekt, außer dass man sich nicht einschmieren muss und keine Lemuren sieht. Dafür gibt’s Kartoffelsuppe am Eingang. Und in den Gewächshäusern ist es göttlich warm, es riecht nach Fotosynthese, Farne streichen mir durchs Gesicht, mal platscht es von links, weil eine Schildkröte vom glitschigen Baumstamm in den Teich gerutscht ist, mal landet ein lenkdrachengroßer Schmetterling auf einer Blüte. Im Schmetterlingshaus bewegt man sich an diesem Vormittag zwar in einem Morast aus schwitzenden Zweitklässlern, aber schwitzende Zweitklässler riechen zum Glück nicht, jedenfalls nicht stärker als die Blüten, von denen die Schmetterlinge naschen, deswegen macht es nix.
 
Und immer ist da noch ein Haus, in dem immer noch eine Klimazone simuliert wird. Alle angenehm. Deshalb kann ich an blühendem tasmanischen Rosmarin schnuppern und mir eine Tür weiter an einem mexikanischen Kugelkaktus heimlich den Finger aufstechen und dann weiter in einen prähistorischen Steinkohlewald huschen, ohne auch nur einmal zu frösteln.
 
Hier wird auch klar, was wirklich fehlt im Winter: Nicht so sehr die Sonne, da reicht eigentlich jede Schreibtischlampe. Was fehlt, ist das Grün. Vielleicht, überlege ich, während ich einen blühenden Zitronenzylinderputzer aus Neuseeland streichle, könnte ich sechs Monate im Jahr in einer kalten grauen Kiste verbringen. Wenn ich die restlichen sechs Monate hier im Gewächshaus leben dürfte.
 
Temperatur: Je nach Gewächshaus unterschiedlich, um die 20 Grad
Gefühlte Temperatur: 26 Grad um 11 Uhr vormittags – Hitzefrei!
Kostenpunkt: 4,50 Euro für die Tageskarte
Sommerfaktor: 100 Prozent

>>> Auf ein Hendl mit Bastian Schweinsteiger und Philipp Lahm, 38 Grad warmer Sand - und endlich Grillsoße auf dem Hemd!



3. Im Indoor-Biergarten

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Bayernfans sagt man ja nach, erfolgsverwöhnte Weicheier zu sein. Das ist offensichtlich Unsinn. Denn dann müsste hier, tief im Bauch der Allianz Arena, direkt neben Fanshop und Fantreff und Fanbistro, sozusagen das Herz der erfolgsverwöhnten Weichheit liegen. Tut es aber nicht. Hier liegt der härteste Biergarten der Welt.

Sie haben mitten in die Eingeweide des Stadions, das weiß man als Normalmünchner ja gar nicht, tatsächlich einen ganzjährig betriebenen Biergarten eingepflanzt. Für die Bayernfans aus Spanien und Kanada, die einen Bayernhut im Fanshop kaufen und ein Hendl mit Kartoffelsalat im „Beergarden“ essen möchten.
 
Schweinsteiger und Lahm zeigen, wie das geht, „Beergarden“. Sie sitzen da in Lederhosen zwischen ein paar Bäumen auf einer Bierbank und prosten sich gutgebräunt zu. Aber leider nur auf einem riesigen Brauereiplakat, das an einem der Betonpfeiler befestigt ist, die die niedrige Sichtbetondecke abstützen. Und daneben sitzen wir, also die Fans aus Spanien und Kanada und ich. Zwischen drei Bäumen, die keine Bäume sind, weil sie oben und unten abgesägt und zwischen Boden und Decke geschraubt sind. An langen Bierbänken, die keine Bierbänke sind, weil man sie nicht zusammenklappen kann. Und wir essen Hendl, das zum Glück schon ein Hendl ist und sogar ganz gut.
 
Leider läuft keine Blasmusik, sondern gar keine Musik, nur ein endloser Sky-Werbespot auf einer Leinwand, und man sieht kein bisschen Himmel, weil es nämlich kein Fenster nach draußen gibt. Wobei das ja auch ganz gut ist. So trügt nichts die Vorstellung, dass da draußen gerade Sommer sein könnte. Ein schöner Sommertag in einer Tiefgarage.
 
Temperatur: schätzungsweise 18 Grad
Gefühlte Temperatur: drei Grad, also knapp über der Außentemperatur
Sommerfaktor: eigentlich null Prozent, aber wegen des guten Grillhendls zehn Prozent
 

4. In der Beach-Halle

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Sommer = warmer Sand unter den Füßen und zwischen den Zehen. Wenn diese Gleichung stimmt, dann gibt es nirgends in München mehr Sommer als im Beach 38°. Die Halle am Ostbahnhof war früher ein Hochregallager. Deshalb ist das heute die Beachvolleyballhalle mit der größten Deckenhöhe Deutschlands – sagt der Küchenchef, der oben auf der Brüstung steht und sein Hemd so sommerlich offen trägt, dass man ein auf die Brust tätowiertes Herz im Ausschnitt sieht. Auf dem Sand finden manchmal Firmenpartys statt, jetzt stehen da fünf Volleyballnetze und 20 Münchner in Tanktops und kurzen Hosen. Der Sand wird regelmäßig geölt, damit er nicht staubt. Mit so etwas wie Bodylotion (sagt auch der Küchenchef), und er wird von unten beheizt, auf genau 38 Grad. Wie im Yogasaal heute morgen.
 
Ich ziehe die Schuhe aus und bestelle, weil ja schon Nachmittag ist, einen Drink mit Minze. An einer Tafel neben mir sitzt eine Geburtstagsgesellschaft von lachenden Neunjährigen, die Mütter tragen Jogginghosen und schenken Kindersekt aus. Aus den Boxen kommt angemessen balearische Chillout-Musik, ansonsten hört man nur das dumpfe „Plappsch“, wenn jemand einen Schmetterball übers Netz schlägt und das leise „Plippsch“, wenn sich die Teamkameraden gegenseitig abklatschen, was sie nach jedem Ballwechsel tun, auch wenn sie ihn sensationell vergeigt haben. Das ist mal sommerlicher Esprit!
 
Temperatur: etwa 20 Grad (Luft) und 38 Grad (Sand)
Gefühlte Temperatur: 25 Grad wegen Barfußsein
Kostenpunkt: 92 Euro für zwei Stunden pro Court, Cocktails 7,50 Euro
Sommerfaktor: 60 Prozent

5. Beim Grillen

Ein Sommerabend ohne Grillsoßenspritzer auf dem Hemd ist eine würdelose Sache. Zum Glück gibt es im Westend seit Kurzem ein Restaurant namens Grill and Grace, in dem man auch im Februar sein Hemd mit Grillsoße verspritzen kann. Weil man dort nämlich sein Fleisch selbst grillt.

Das Lokal sieht aus, wie zur Zeit alle Steaklokale aussehen: stabile Holztische, Industrielampenschirme, weiße Metzgerfliesen. Das Fleisch kommt in einer Art Pappkarton auf den Tisch, roh und nur mit Rosmarinzweig bekleidet. Dann läuft man damit in die Mitte des Lokals. Zu Martina. Martina steht mit Pferdeschwanz und Stoppuhr an einem Grill mit Lavasteinen, der aussieht wie ein Opfertisch der Azteken – nur mit Dunstabzugshaube. Sie erklärt, wie man hier grillt. Der Rost hängt nämlich leicht schief über den glühenden Lavasteinen und man legt das Fleisch zuerst ans untere Ende und rollt es mit jedem Wenden sachte nach oben, wie ein hungriger Sisyphos, immer weiter weg von der Hitze.
 
Ich ziehe den Pulli aus und freue mich, als ich an den Fingerknöcheln beim Wenden die Hitze spüre. Das Steak spratzt und dampft, dass es eine Wonne ist. Einatmen fühlt sich an, als würde man im August an der Isar entlang nach Thalkirchen radeln. Dann zeigt Martina auf die Stoppuhr und gibt mir einen Teller. Zurück am Tisch schmeckt das Steak fantastisch, aber weil die Dunstabzugshaube ganz schön ehrgeizig Dunst abzieht, fröstelt es mich jetzt ohne Pulli. Ist aber okay, denn beim Runtergucken sehe ich: der Spritzer Grillsoße auf dem Hemd ist geschafft.
 
Temperatur: etwa 20 Grad
Gefühlte Temperatur: 33 Grad am Grill, 16 Grad am Tisch
Kostenpunkt: Rib Eye Steak 26 Euro
Sommerfaktor: 40 Prozent

Text: jan-stremmel - Fotos: juri-gottschall

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