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„Wir machen, was wir wollen“
Sie sind bunt, haben viele Bilder, große Buchstaben und machen Stars: die britischen Musikmagazine New Musical Express und Kerrang. Seit Jahrzehnten sind die grellen Heftchen fester Bestandteil der Insel-Popkultur und liefern wöchentlich neue Hypes, Skandalgeschichten und Gerüchte. Sie sind nicht nur aufgemacht wie Boulevardzeitschriften, sie funktionieren auch so. Nicht selten wurden Bandkarrieren durch NME- und Kerrang-Storys aufgebaut – oder durch Verrisse verhindert. Während der NME sich dabei darauf spezialisiert hat, Inside-Geschichten aus dem Indierockbereich anzubieten, ist Kerrang (offizielle Schreibweise mit einem „!“ dahinter) der härtere Mainstreamrock lieber. 1981 erschien die erste Kerrang-Ausgabe, ein Jahr später wurde die heutige Chefredakteurin des Magazins geboren: Nichola Browne. In einem kurzen Interview hat sie uns erzählt, wie sie vom Fan zur Chefin wurde, wie eine Ausgabe entsteht und welche Bands ins Heft kommen.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Nichola, wann hast du dein erstes Kerrang-Magazin gelesen? Ich war 14, als ich angefangen habe, Kerrang zu lesen. Mein älterer Bruder stand damals total auf Bands wie Metallica, Guns N’ Roses und Faith No More und brachte sich gerade das E-Gitarre-Spielen bei. Er hat sich Kerrang regelmäßig gekauft und mich an ein paar Bands herangeführt. Irgendwann habe ich mir die Hefte von ihm genommen. Ich mochte Kerrang damals aus den gleichen Gründen wie heute, nämlich weil ich durchs Lesen das Gefühl bekam, etwas mehr über meine Lieblingsbands zu erfahren und ihnen irgendwie näher kommen konnte. So als wäre ich eine kleine Fliege, die sich dem Leben der Stars mühelos nähert. Außerdem gab es damals ja noch kein Internet, kein Twitter und solche Dinge. Also war Kerrang für mich die einzige Möglichkeit, etwas über die Bands zu erfahren, die ich mochte, und natürlich neue Bands zu entdecken. Das Heft wurde früh ein ziemlich wichtiger Teil meines Lebens. Und wann und wie kamst du dann vom Lesen zum Schreiben? Als ich mit der Uni fertig war, habe ich angefangen, für den Verlag zu arbeiten, der Kerrang herausbringt. Und vor acht Jahren wurde ich News-Redakteurin von Kerrang. Dann begann ich, full-time für das Heft zu arbeiten, und irgendwann, genauer gesagt vor 14 Monaten, wurde ich Chefredakteurin. Das ist wie ein wahrgewordener Traum. Wie muss man sich die Heftproduktion einer Kerrang-Ausgabe vorstellen? Wie viele Leute arbeiten daran? Zehn Leute machen bei uns im Büro einen Vollzeitjob, und dann haben wir noch ein kleines Team aus freien Autoren und Fotografen, die regelmäßig für uns arbeiten. Die sind wichtig, denn auch wenn sie nicht bei uns im Büro sitzen, könnten wir ohne ihre Arbeit und Kreativität das Magazin überhaupt nicht so hinbekommen, wie es jedes Mal wird. An einem wöchentlich erscheinenden Magazin zu arbeiten, ist schon ziemlich stressig. Weil es niemals dazu kommt, dass man sich mal kurz zurücklehnen kann. Es herrscht ständig Hektik, wir planen durchgehend neue Ausgaben und überlegen, welche Bands ins Heft kommen und wie wir die Features aufmachen könnten. Dazu kommt die Organisation der Interviews und Fotoshootings - es ist einfach eine never ending story. Und es braucht schon ziemlich viel Einsatz und Kraft, diese straffen Arbeitsabläufe immer wieder zu überstehen. Man muss das Magazin wirklich lieben, um das mitzumachen. Glücklicherweise gestalten die Bands, mit denen wir arbeiten, das alles ein bisschen angenehmer.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Es gibt bestimmte Bands, über die in eurem Magazin ständig berichtet wird, zum Beispiel Muse, My Chemical Romance oder Korn. Magst du die auch – oder geht es nur darum, über das zu schreiben, was gerade funktioniert? Wir machen ja nun mal ein Magazin für unsere Leser, also müssen wir es auch darauf ausrichten, was sie mögen, was sie gerade hören und worüber sie gerne reden. Wir schaffen es aber immer, von Iron Maiden über Slipknot und My Chemical Romance bis zu Enter Shakiri und All Time Low sehr viel mit reinzunehmen. In der Rockwelt 2010 passiert alles unheimlich schnell, und wir müssen versuchen, so viele verschiedene Bereiche abzudecken wie möglich. Klar haben wir im Büro alle unterschiedliche Lieblingsbands, finden alle immer ein paar neue Gruppen toll und können uns über all das genauso gut streiten wie zusammen etwas in den Himmel loben. Viele Musikmagazine sind voll mit Features, die sich Plattenfirmen geradezu kaufen. Wie unabhängig ist denn Kerrang? Bei uns kann man keine redaktionellen Beiträge erkaufen, nur Platz für Anzeigen. Wir machen, was wir wollen, wann wir wollen. Ihr schreibt euch gerne auf die Fahne, „the world’s biggest selling weekly rock magazine“ herauszubringen. Wird Kerrang diesen Status in den nächsten Jahren auch behalten können? Natürlich! Im kommenden Juni haben wir ja unseren 30. Magazingeburtstag. Und auch danach wird es noch viele Gründe zum Feiern geben.