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"Wer will schon die Quotenfrau sein?"

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Die CSU will für Frauen attraktiver werden, deshalb unterstützt Parteichef Horst Seehofer die Idee einer Frauenquote. Demnach sollen künftig mindestens 40 Prozent aller Parteigremien mit Frauen besetzt werden. Der heftigste Widerstand gegen die Quote kommt ausgerechnet von den jüngsten Frauen in der CSU. jetzt.de hat nachgefragt - bei Katrin Poleschner, Vize-Chefin der Jungen Union in Bayern. jetzt.de: Nicht mal jedes fünfte CSU-Mitglied ist eine Frau. Parteichef Horst Seehofer findet das erbärmlich. Du nicht? Katrin Poleschner: Ich würde es nicht erbärmlich nennen, aber traurig ist es schon. Es gibt nämlich so viele tolle Frauen, die ich mir als aktives Mitglied für die CSU wünschen würde. Trotzdem lehnt die Junge Union (JU) eine Frauenquote von 40 Prozent in allen Gremien ab. Es entsteht der Eindruck, als sei die JU dagegen, dass die CSU weiblicher wird. Das ist definitiv falsch. Wir betonen ja seit Jahren, dass wir weiblicher werden wollen – das ist ein gemeinsames Ziel aller CSU-Mitglieder. Aber der Weg dorthin kann in meinen Augen nicht über eine Quote führen. Warum nicht? Weil es all den engagierten Frauen nicht gerecht wird, die es aus eigener Kraft in die Gremien schaffen wollen. Durch eine Quote wäre eine erfolgreiche Frau immer dem Vorwurf ausgesetzt, es nur wegen der Quote geschafft zu haben. Und wer will schon nur die „Quotenfrau“ sein? Viele deiner älteren Parteikolleginnen halten es für naiv, wenn junge Frauen glauben, dass sie in der CSU gleiche Chancen auf einen Spitzenposten haben wie ein Mann. Die Alten müssen es doch eigentlich am besten wissen, oder? Ich höre diese Aussagen in der Tat sehr oft. Und natürlich ist das ein Totschlag-Argument, weil man mir damit wegen meines Alters die Urteilsfähigkeit abspricht. Aber mal ehrlich: Ich bin doch nicht gegen die Quote, weil ich ein unbedarftes Huhn bin, das meint, jetzt auch mal aufstehen zu müssen. Ich habe schon auch meine Erfahrungen als Frau in der CSU gemacht.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

"Ich bin kein Huhn, das meint, auch mal aufstehen zu müssen." Katrin Poleschner, Quotengegnerin und Vize-Chefin der Jungen Union in Bayern. Und du hast es mit 26 Jahren zur JU-Vize-Chefin gebracht. Ja, auch deshalb wehre mich gegen die Aussage, dass jede Frau irgendwann an eine gläserne Decke stößt. Natürlich kann das passieren, aber das geht doch den Männern genauso: Niederlagen und Rückschläge erlebt jeder mal. Politik ist eben eine Konkurrenzsituation und kein Rumgekuschel, es geht um Macht und auch um Stolz. Du bist ein gutes Beispiel dafür, dass sich eine Frau in der CSU auch ohne Quote durchsetzen kann. Die Realität zeigt aber auch: Du bist eine der wenigen Ausnahmen. Kann es sein, dass du die Probleme anderer Frauen unterschätzt, weil bei dir persönlich alles glatt gelaufen ist? Natürlich gehe ich auch von meinem Fall aus, aber erstens habe ich weder Großes erreicht, noch war mein Weg frei von Rückschlägen. Und zweitens habe ich die Erfahrung gemacht, dass jede Frau, die sich in der CSU engagieren möchte, in unseren Verbänden willkommen ist. Wenn jemand gute Arbeit macht, wird er auch gewählt. Wie beurteilen eigentlich die Jungs in der JU die Frauenquote? Die Jungs haben von Anfang an zu uns gesagt: Bei diesem Thema sollt ihr Frauen selbst entscheiden, was gut für euch ist. Die Männer haben uns freie Hand gelassen, sind aber bei allen Argumenten auf unserer Seite – darauf bin ich sehr stolz. Die älteren Frauen in der CSU plädieren überwiegend für die Quote, die JU vertritt dagegen eine konservativere Position. Man könnte es auch andersherum erwarten. Findest du das gar nicht paradox? Es ist in der CSU tatsächlich so, dass die älteren Frauen mehrheitlich für die Quote sind und die jüngeren eher dagegen. Aber ich würde das jetzt nicht als Generationenkonflikt bewerten, denn es gibt in meinem Umfeld auch einige ältere Frauen, die gegen die Quote sind. So dramatisch, wie du das jetzt darstellst, ist es in der Realität nicht. Hat die Ablehnung der Quote auch damit zu tun, dass sich die JU seit einiger Zeit als konservativer Parteiflügel profiliert und deshalb am traditionellen Rollenmuster festhalten will? Ich halte es absolut nicht für falsch, wenn sich eine Frau dafür entscheidet, sich um ihre Kinder und ihren Mann zu kümmern - ich finde das toll. Aber mit Blick auf die Frauenquote ist die JU eher diejenige Gruppe, die den jugendlichen Idealismus in der Partei hochhält. Wir jungen Frauen wollen nicht zurück an den Herd, uns geht es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das hat nichts mit traditionellen Rollenmustern zu tun. In anderen Parteien funktioniert die Frauenquote übrigens gut. Natürlich funktioniert es irgendwie, aber ich glaube nicht, dass die Quote in der CSU etwas bringt. Ein Beispiel: Ich war letztens in einem Kreisverband in Niederbayern, wo – wenn überhaupt – drei Frauen für den Vorstand zur Wahl stehen. Da ist eine Quote von 40 Prozent ja schon theoretisch gar nicht möglich. Außerdem widerspricht es meinem Begriff von Demokratie, wenn es vor einer Abstimmung heißt: Jetzt wählt mal bitte 40 Prozent Frauen! Ich bin überzeugte Demokratin, die es für ein Unding hält, dass in einer eigentlich innerparteilich freien, demokratischen Wahl Vorgaben und Einschränkungen gemacht werden. Was sind die alternativen Vorschläge der JU, um die CSU für Frauen attraktiver zu machen? Wir fänden es toll, wenn es Berichtspflichten gäbe. Das heißt: Die Mitglieder eines CSU-Orts- oder Kreisverbandes sollen darüber Rechenschaft ablegen, was sie für die Frauenförderung getan haben. Andere Maßnahmen, um Anreize für Frauen zu schaffen, wären zum Beispiel eine eigene Landeskommission zum Thema Frauenförderung, eine Auszeichnung für den frauenfreundlichsten CSU-Ortsverband oder auch ein Preis für besonders verdiente Frauen in der CSU. Freust du dich eigentlich darüber, dass sich die CSU nun endlich mit dem Thema Frauen in der Partei auseinandersetzt? Natürlich freue ich mich, dass endlich ein Bewusstsein für dieses Thema entsteht. Das war ja nicht immer so. Warum hat die CSU solange gebraucht, um sich mit dem Thema auseinanderzusetzen? Lange Zeit lief alles gut, wir hatten tolle Wahlergebnisse. Erfolg blockiert halt manchmal den Fortschritt einer Partei, täuscht über Mängel hinweg. In der jetzigen Situation sind wir gezwungen, uns auch mal wieder von Außen zu betrachten. Und dann stellt man schnell fest, dass manche Dinge eben doch im Argen liegen.

Text: andreas-glas - Fotos: privat

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