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Wenn Fans Freunde werden: Ein Gespräch über Freundeskreise

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Wie seid ihr an eure Jobs gekommen? Alexandra: Ich habe Sportwissenschaft in Köln studiert und noch während des Studiums ein Praktikum beim Staatsballett begonnen, wo ich nach wenigen Wochen mit einer Kollegin die Schwangerschaftsvertretung in der Presseabteilung übernommen habe. Später hat sich der Freundeskreis dafür entschieden, den Verein zu professionalisieren und eine halbe Stelle einzurichten. Da ich in meiner damaligen Position bereits Veranstaltungen für die Mitglieder organisiert habe und einen guten Kontakt zu ihnen hatte, wurde ich gefragt, ob ich das machen möchte. Dadurch, dass ich eine weitere halbe Stelle bei „Tanz ist KLASSE!“, dem Education-Programm des Staatsballetts habe, bin ich ganztags für die Mitglieder zu erreichen. Mein Studium habe ich natürlich beendet, die Diplomarbeit wurde in den Abendstunden und am Wochenende geschrieben. Christian: Ich bin noch Student und habe mich auf ein Stellenangebote hin beworben. Meine Stelle war damals ausgeschrieben als „Mitarbeiter im Büro des Freundeskreises“, und besteht aus der Planung der Veranstaltungen für die Mitglieder sowie der Verwaltung des Vereins. Irmtraud: Ich habe Kulturmanagement studiert und dann für den Förderkreis des Festspielhauses Baden-Baden und in der Veranstaltungsorganisation im Konzerthaus Berlin gearbeitet. Der Förderkreis und die Komische Oper Berlin sind auf mich zugekommen und haben gefragt, ob ich mir eine Zusammenarbeit vorstellen könnte. Seitdem arbeite ich als Festangestellte der Oper für den Förderkreis.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Experten für Freundschaft: Irmtraud, Christian und Alexandra (von links) Wie viele Mitglieder haben eure Freundeskreise? Christian: Wir haben 183 Mitglieder. Alexandra: Bei uns sind es mittlerweile 204 Mitglieder. Irmtraud: Bei uns sind es 1.700. Es ist ja auch einer der ältesten Vereine, er wurde direkt nach der Wende gegründet. Wie hoch ist der jährliche Beitrag, den ein Freund eures Hauses bezahlen muss? Alexandra: Die Beiträge sind gestaffelt. Freunde zahlen 100 Euro, Förderer 500 Euro und Paten 2.500 Euro. Natürlich bieten wir unterschiedliche Veranstaltungen an, vom Probenbesuch über Treffen mit den Künstlern bis hin zur Erfüllung besonderer Kartenwünsche ist alles dabei. Die Mitglieder selbst lassen sich schon fast kategorisieren, es gibt welche, die den engen Kontakt zu Ensemblemitgliedern suchen, oder andere, die das Ballett einfach lieben und es daher unterstützen möchten. Den Wunsch nach getragenen Spitzenschuhen von Polina Semionova oder Schläppchen von Vladimir Malakhov habe ich bereits mehrfach erfüllt. Irmtraud: Wir haben Freunde, Mitglieder und Kuratoren. Freunde zahlen 62 Euro im Jahr, Mitglieder 520 Euro und Kuratoren 10.500 Euro. Und dann gibt es noch Ermäßigungen für Jugendliche und Rentner, die bei 32 Euro pro Jahr beginnen. Christian: Alle, die ermäßigungsberechtigt sind, zahlen 60 Euro im Jahr, und der Normalbeitrag liegt bei 90 Euro im Jahr. Wer mehr zahlen will, gilt als Förderer - und da gibt’s keine Höchstgrenze. Wie sehr helfen diese Beiträge euren Häusern? Alexandra: Wir investieren derzeit mehr in die Tänzer als in Produktionen. Das Staatsballett besteht aus einem festen Ensemble, da ist die Prävention vor Verletzungen besonders wichtig, denn sind Tänzer oder Tänzerinnen verletzt, kann dies zu gravierenden Umbesetzungen führen, die auch das Publikum zu spüren bekommt. Der Förderverein hat einen fast schalldichten Ruheraum finanziert, in dem sich die Tänzer zwischen den Proben ausruhen und ‚powernappen’ können. In ihm befindet sich ein Massagestuhl, Betten und ein Four-Senses-Lounger, der, wie es der Name schon sagt, vier Sinne sensibilisiert. Christian: Es ist schon nicht schlecht, was wir mit unseren Mitgliedern hinkriegen. Mit der Summe können wir ein paar Projekte der Schaubühne fördern, wie zum Beispiel das „Festival Internationale Neue Dramatik“. Irmtraud: Wir kriegen schon fast eine Viertelmillion Euro zusammen und fördern damit spezielle Produktionen, gerade im Kinderoperbereich. Auf der nächsten Seite: Wie verjüngt man einen Freundeskreis?


Es heißt, die Komische Oper will ihren Freundeskreis verjüngen. Geht es dabei vor allem um einen Imagewandel? Mehr Geld wird mit jüngeren Mitgliedern ja nicht ins Haus kommen. Irmtraud: Es geht darum, dass der Förderkreis nicht ausstirbt. Eigentlich haben wir ein recht junges Publikum, und unser Opernensemble ist in Berlin auch das jüngste. Daran soll sich der Förderkreis einfach anpassen. Jeder, der in die Oper geht, ist ja auch ein potenzieller Anhänger des Förderkreises. Wie verjüngt man einen Freundeskreis? Irmtraud: Man kann das über Veranstaltungen steuern, die der Förderkreis anbietet. Man muss Angebote schaffen, die für ein jüngeres Publikum einfach attraktiver sind, als für ein älteres. Es gibt Veranstaltungen, die für jede Altersgruppe interessant sind, aber man sollte schon auch gucken, dass manchmal nur die Jungen und nur die Alten zusammen sind. Christian: Ich glaube nicht, das man die Mitglieder trennen muss. Einige würden das sicher persönlich nehmen. Man ist doch in einem ‚Fanclub’, weil man das Haus gut findet, weil man die Möglichkeit bekommt, die Dramaturgen zu sprechen oder eine Probe zu besuchen. Und da ist es egal, ob ich 16 oder 66 bin. Bei uns sind die Älteren auch neugierig auf den Diskurs mit den Jüngeren und gehen auf sie zu. Alexandra: Wir unterscheiden nicht zwischen Veranstaltungen für junge und ältere Mitglieder, ich denke das es auch nicht sehr gut ankommt, wenn wir die Mitglieder in Gruppen zusammenfassen, es sei denn es finden Veranstaltungen nur für Förderer und Paten oder ausschließlich für die Paten statt. Gibt es an euren Häusern den ‚typischen Freund’? Alexandra: Unsere Mitglieder sind natürlich sehr Ballet-affin. Sei es, dass sie selbst Erfahrungen im Ballett gesammelt haben oder fasziniert sind von den Bewegungen. Viele haben einen Lieblingstänzer, sie kaufen dementsprechend Karten für genau die Vorstellungen, in denen derjenige tanzt. Da beim Ballett die Hauptrollen von verschiedenen Tänzern und Tänzerinnen getanzt werden, gucken sich einige auch jede Besetzung an. Christian: Die meisten sind wegen des Profils der Schaubühne, also dem eher zeitgenössischem Theater Mitglieder. Zudem sind sie noch Fans der Regisseure, wie zum Beispiel Thomas Ostermeier, oder der einzelnen Schauspieler. Irmtraud: Bei uns sind es vor allem Fans vom Haus, die teilweise schon zu Ostzeiten aus dem Westen zur Oper kamen. Die begleiten und verehren das Haus schon jahrelang, viele sind schon seit der ersten Stunde dabei. Die Chance, unter Gleichgesinnten Freunde und vielleicht sogar Lebenspartner zu finden, ist für viele sicher auch ein Grund, Mitglied zu werden... Alexandra: Ich denke nicht, dass Menschen in den Freundeskreis des Staatsballetts eintreten, um einen Lebenspartner zu finden. Es geht darum, sich mit Gleichgesinnten über den Tanz auszutauschen. Natürlich werden Freundschaften geschlossen, und ich selbst treffe die ein oder anderen Grüppchen bei anderen Tanzveranstaltung in Berlin, was zeigt, dass sie sich auch in andere Richtungen orientieren und Vergleiche ziehen. Es kommt auch oft vor, dass ich am Tag nach einer Vorstellung angerufen werde, und man mich fragt, warum denn dieser oder jener Tänzer nicht auf der Bühne stand, obwohl er doch auf dem Besetzungszettel angekündigt war. So wissen die Mitglieder oft mehr als ich, und sie sind es, die mir Neuigkeiten berichten. Christian: Die Mitglieder haben ja auch ganz viel Hintergrundwissen, mit dem sie von uns verpflegt werden. Zum Beispiel haben sie die Möglichkeit, in alle gesammelten Kritiken einzusehen. Wir sagen ihnen auch, welcher Schauspieler gerade wie und wo zu sehen ist, und welche Inszenierungen generell anstehen. Wir organisieren auch oft Gespräche zwischen Schauspielern und Mitgliedern. Viele Schauspieler wollen von sich aus mit den Mitgliedern reden und von ihnen eine Kritik bekommen: „Wie finden sie eigentlich, was wir machen?“ Zuletzt war es ganz interessant, als Mitglieder die Proben zu „Die Räuber“ besucht haben, weil da die ganz jungen Schauspieler von der Ernst-Busch-Schule dabei waren und den Diskurs mit den „Freunden“ suchten. Was ist der am häufigsten geäußerte Wunsch eurer Freunde? Irmtraud: Die Teilnahme an Generalproben und Blicke hinter die Kulissen. Alexandra: Sie möchten wissen, wer wann tanzt und bestellen in dem Zusammenhang meist direkt Karten für die Vorstellung. Für Premieren könnte ich auf Grund der vielen Nachfragen die erste Reihe im Parkett ausschließlich an Mitglieder des Freundeskreises verkaufen. Das geht natürlich nicht, da ‚normale’ Zuschauer das gleiche Recht auf Karten haben. Für besondere Vorstellungen wie „Schwanensee“, „Der Nussknacker“ in der Weihnachtszeit, für die Premieren oder wenn Vladimir Malakhov tanzt, habe ich ein Kontingent, das ausschließlich für die Mitglieder reserviert ist. Bekommen sie die gewünschten Karten nicht an der Kasse im normalen Vorverkauf, wenden sich viele direkt an mich. Christian: Ich glaube, am spannendsten finden ‚meine Freunde’ Probenbesuche. Es ist schon ein Vertrauensbeweis des Ensembles, dass wir ab und an zusehen können, während sie ein Stück entwickeln. Was ist das Schönste, was Ihr bis jetzt in Euren Jobs erreicht habt? Alexandra: Das kann ich nicht an einem bestimmten Ereignis festmachen. Ich freue mich natürlich immer, wenn nach einer Veranstaltung ein Mitglied auf mich zu kommt und sagt, wie schön es war, dieses oder jenes erlebt zu haben. Beim Trainingsbesuch beispielsweise saßen alle mit leuchtenden Augen im Ballettsaal und haben die Tänzer und Tänzerinnen mucksmäuschenstill beobachtet. Es macht einfach Spaß, anderen Menschen eine Freude zu machen. Christian: Wir fahren ja einmal im Jahr mit dem Theater auf ein Gastspiel, letzten Sommer zum Beispiel nach Avignon. Ich brauchte zwar ewig für die Planung, aber als wir dann dort waren, war es super. Man bedenke, dass dabei wildfremde Menschen einfach mal ein paar Tage zusammen verbringen. Alle bei Laune zu halten, ist nicht einfach. Irmtraud: Ich arbeite ja noch nicht so lange für den Förderkreis. Aber was immer echt schön ist, wenn man einfach mal von seinen Förderern gelobt wird, dass man tolle Sachen anbietet. Oder zu Weihnachten habe ich einige Dankes-Postkarten und Geschenke bekommen. Oder wenn man lange jemanden versucht zu überzeugen, die Oper zu unterstützen, und das dann irgendwann wirklich klappt.

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