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Was zu catchy ist, wird weggeschmissen: Hot Chip im Interview.
Hot Chip, mit Alexis (klein) und Owen (zweiter von rechts). Auf "One Life Stand" fällt mehr denn je eine Liebe zum klassischen Songwriting auf. Ist das eine neue Entwicklung? Alexis Taylor: Vielleicht eine handwerliche. Ich und Joey haben Songs früher in Teilen geschrieben. Er den Anfang, ich die Bridge, undsoweiter, und das alles setzten wir dann zusammen. Das führte immer dazu, dass die Stücke etwas gepfropft klangen. Man erkannte, dass sie nicht innerhalb eines Prozesses entstanden. Diesmal hatten wir erstmals genug Zeit, um einzeln an unseren Songs zu arbeiten und sie dann gemeinsam auszuarbeiten. Owen Clarke: Wir haben uns auch, was die Produktion anging, mehr bemüht und im Zweifelsfall lieber mal was weggelassen. Bei "Brothers" zum Beispiel den eigentlich ziemlich kräftigen Beat. "Brothers", der wohl zärtlichste Song der Platte, hatte einen kräftigen Beat? Alexis: Das Demo, das Joe zunächst aufnahm, war tatsächlich relativ flott. Und ich fand, dass es funktionierte. Aber er war offenbar der Ansicht, dass da noch irgendetwas passieren müsste. Da haben wir das Teil komplett auseinandergenommen und in so einem "Chariots Of Fire"- oder von mir aus auch in einem Phil-Spector-Stil noch einmal zusammengesetzt. Owen: Da steckt natürlich auch so ein kleines Augenzwinkern drinnen. Das braucht man bei einem so massiven Stück. Sonst wirkt das schnell zu wuchtig, zu ernsthaft. Kann Ironie nicht auch missverstanden werden? Alexis: Du meinst, weil manche Leute die Ironie benutzen, um etwas cool zu finden, was eigentlich uncool ist? Ich verstehe Deinen Ansatzpunkt, etwa bei "lustigen" Coverversionen und ähnlichen Überbetonungen. Aber ich glaube, dass man diesen Negativbeigeschmack, den das Wort heute hat, wieder loswerden muss. Ein Stück wie "Brothers" mag eben ein bisschen die Genres hochnehmen, von denen es sich bedient, also ironisch sein. Gleichzeitig ist es aber ein durchaus ausgefeilter Song, in dem eben auch inhaltlich 'ne Menge passiert. Vielleicht sollte man anstelle des Wortes Ironie das Wort Humor einsetzen, denn das ist es, worum es uns auf "One Life Stand" eben auch geht: Geschichten zu erzählen, auf eine humorvolle Art und Weise. Inwieweit hatte diese erneute Hinwendung zum Song mit der Tatsache zu tun, dass ihr erstmals sehr stringent im Studio aufgenommen habt? Alexis: Dass wir vorher immer zu Hause aufnahmen, lag ja nicht daran, dass wir so sehr auf Home Recording standen, sondern eher am Fehlen der Möglichkeiten. Die sind jetzt, wo wir ein eigenes Studio haben, eben da, und wir wissen das sehr zu schätzen. Es ist schon sehr befreiend, plötzlich den Platz zu haben, den man eigentlich braucht. Wir konnten so wesentlich stringenter arbeiten und diese Arbeit auch ein bisschen aufteilen. Es war ein klassischerer Band-Prozess als auf unseren vorherigen Platten. Owen: Aber mache Dir keine falschen Vorstellungen von unserem Studio. Das ist nicht so ein Hi-End-Studio mit Kontrollraum und Kabine und so. Es ist im Prinzip nur ein großer Raum, was etwas ermüdend sein kann. Alexis: Deshalb habe ich einige Gesangsspuren auch daheim eingespielt. Wenn da der Rest der Band und der Tontechniker herumsitzen und Dir dabei zuhören müssen, wie Du die gleiche Textstelle immer und immer wieder singst, ist das für keinen der Beteiligten sehr angenehm.
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Hattet Ihr während der Aufnahmesssions Angst davor, zu poppig zu klingen? Alexis: Das passierte durchaus, ja. Ein Stück fand ich eigentlich sehr schön. Aber als wir es fertig hatten, merkten wir, dass es zu catchy war. Es war für uns sehr schwierig zu beurteilen, ob wir da jetzt ein Ziel erreicht hatten - wir wollen schließlich starke Popsongs schreiben - oder ob wir über dieses Ziel hinausschossen. Dann haben wir den Song weggeschmissen. In den Interviews zum letzten Album hast Du R. Kelly als direkten Einfluss genannt. Gibt es etwas Vergleichbares, das auf "One Life Stand" seine Spuren hinterließ? Alexis: Als wir die letzte Platte aufnahmen, hörte ich einige R.Kelly-Songs tatsächlich so oft, dass ich von ihnen regelrecht besessen war. So etwas gab es diesmal eigentlich nicht. Ich ging zurück zu Stücken, die ich schon immer mochte. Die späten Beatles, natürlich, aber auch Prince, vor allem die Platten, die er in den 80er-Jahren aufnahm und die niemals regulär veröffentlicht wurden. An moderner Musik war es eher Garage und Funk. Das, was wir eben auflegten. Dazu klassischen House. Aber ich habe mich diesmal nicht auf so eine wissenschaftliche Art und Weise damit beschäftigt wie früher. Was vermutlich von Vorteil ist? Alexis: Oh, ja. Du schreibst irgendeine Melodie, findest die total gut und stellst plötzlich fest, dass sie einfach aus einem der Songs abgeschrieben ist, die Du die ganze Zeit gehört hast. Aber bei mir ist es leider so, dass solche Dinge eher mit Liedern passieren, die ich wahnsinnig lange nicht mehr auf dem Schirm hatte. Das ist noch ein bisschen unangenehmer, weil es deutlich länger brauchst, bis Du begreifst, dass das gar nicht Deine Idee war! Ist so ein Stück schon einmal auf einem Album gelandet? Alexis: Das würden wir doch nicht sagen! (lacht) Aber im Ernst: Man denkt, dass das mal passieren müsste, nicht? Manchmal ziehen Rezensenten Vergleiche zwischen Songs von uns und von irgendwelchen anderen Künstlern. Die denken, sie haben da jetzt etwas rausgefunden. Manchmal treffen diese Vergleiche durchaus zu - aber glücklicherweise handelte es sich bisher immer um Stücke, die wir nicht einmal kannten. Beängstigend ist es aber trotzdem.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
"One Life Stand " von Hot Chip ist auf Parlophone Records erschienen.
Text: jochen-overbeck - Foto: Bevis Martin & Charlie Youle