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Sex mit dem Namen
Rebecca Forrest ist Kulturwissenschaftlerin an der George Mason University und hat eine Arbeit mit dem Titel "Groupies and the Construction of the Heavy Metal Rock God" veröffentlicht. Sie sagt: Die Rolle der Groupies wird unterschätzt. Deine Forschung hat die These: Groupies sind die wahren Begründer der Rockstar-Mythen. Was genau meinst du damit? Groupies waren in den 1960er und 1970er Jahren die wichtigste Quelle für Informationen über Rockstars und ihre Gewohnheiten. Ohne die Berichte von Groupies hätten Bands wie Led Zeppelin oder AC/DC niemals diesen Ruf als Bürgerschrecks bekommen. Groupies haben diese Geschichten von Drogen und Sexorgien aufgezeichnet und verbreitet, lange bevor die großen Musikmagazine über so was berichtet haben. Irgendwann haben sogar Plattenfirmen das Marketingpotential von Groupies erkannt, und unbekannte Bands extra eingeflogen, um sie mit berühmten Groupies fotografieren zu lassen. In dem Fall waren die Groupies die eigentlichen Stars.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Also ein bisschen so wie im Film Almost Famous – da treten die Groupies ja auch extrem selbstbewusst auf. Mir geht es aber um etwas anderes – nämlich um das exklusive Wissen, das Anfang der 1970er Jahre nur Groupies hatten. Sie waren quasi Multiplikatoren. Ich habe meine These anhand eines Mythos über Led Zeppelin entwickelt. Es geht um eine Sex-Geschichte mit einen lebendigen Fisch und einem Groupie… Wie bitte? Bei einer Tour im Jahr 1969 waren Led Zeppelin in einem Hotel in Seattle, das ziemlich nah an einem Fluss stand. Jimmy Page hatte eine Angel dabei und hat aus dem Fenster heraus einen Fisch gefangen – und das Tier hat der dann in das Liebesspiel mit einem Groupie eingebaut. Igitt. Ja, ziemlich ekelhaft. Und egal ob diese Story stimmt oder nicht, sie wurde sich von Groupies weitererzählt. Schnell war diese Geschichte Teil des Led-Zeppelin-Mythos, es wurde von der Presse aufgegriffen und trug dazu bei, dass die Band als völlig durchknallt galt. Wenig später wurde die Fisch-Story den verschiedensten Musikern zugeschrieben, und wurde damit zum Sinnbild der faszinierenden Dekadenz des Rock’n Roll. Und dieses Image ist in der härteren Rockmusik ja traditionell ziemlich wichtig – früher sogar noch viel mehr. Damals war es essentiell für eine Band, dass Leute über sie sprechen, als wären Sie die Ausgeburt des Bösen. Wobei, eigentlich ist das heute auch noch so – siehe Slipknot oder Marylin Manson. Worum ging es den Groupies in dem ganzen Zirkus? Sie wollten selbst ein bisschen vom Ruhm der Stars abhaben. Berühmte Groupies wie Pamela DesBarres hatten Zugang zu den Rockstars, der viel intimer war als jedes Interview mit Journalisten. Und sie tauschte sich mit anderen Groupies aus – so entstanden Mythen der potenten, wilden Rockstars. Es gab es in den 1970ern ja längst nicht so viele Medien, die über Rock berichtet haben. Da wurde viel mehr über Mundpropaganda verbreitet – und Groupies waren da eben eine der wichtigsten Quellen. Und heute? Momentan gibt es keine wirkliche Groupiekultur mehr, denn die Kommunikation hat sich seit den 1970er Jahren ziemlich geändert. Damals gab es ein richtiges Netzwerk von Groupies, die in den großen Städten saßen und ihre Stories aufgeschrieben und ausgetauscht haben. Manchmal sogar per Telegramm – damit waren die Mythen über die Bands oft schneller unterwegs als die Bands selbst. So ein Netzwerk von Fans, die ihren Stars so Nahe sein wollten, gibt es heute nicht mehr. Doch. Es heißt MySpace. Das stimmt einerseits – als Massenphänomen. Aber es ist doch etwas völlig anderes. Den Groupies damals ging es um Sex mit der Band, um exklusiven Zugang zu den Objekten der Begierde – nicht einfach darum, dass irgendeine PR-Agentur sie als Freunde von den Stars added. Wie kommt man überhaupt auf die Idee, wissenschaftlich über Groupies zu forschen? Es gibt einfach kaum Literatur über Groupies. Wenn ich meine Forschung vorstelle, lachen die Leute mich aus – für sie sind Groupies einfach nur eklig. Ich finde aber, solche moralischen Verurteilungen sollten nicht Grundlage wissenschaftlicher Forschung sein. Ich betrachte Groupies einfach als Quellen in einem Kommunikationsprozess über Popkultur. Trotzdem habe ich oft mit Anfeindungen zu kämpfen – auch mein Vater hat anfangs gesagt: Muss das sein, dass meine Tochter ihre Zeit ausgerechnet mit so was verbringt? Groupies sind wohl die unbeliebtesten Menschen in der Rockkultur. Warum das denn? Männliche Rockfans sagen oft, dass sich Groupies einen ungerechten Vorteil verschaffen. Das gilt vor allem für diese ganzen Megabands aus den 1970ern. Die Groupies dürfen den Stars nah sein, während die Männer meist keinen Zutritt zum Backstagebereich haben und die Band nur auf der Bühne in Stadion sehen dürfen. Andere Leute sehen in Groupies nur unterwürfige Frauen, die sich ausnutzen lassen wollen.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Rebecca Forrest
Ist ja auch was dran an der These....
Aber eben nur teilweise. Viele Groupies haben sehr genau gewusst, was sie da taten. Das war Kalkül – sie haben sorgfältig am Image der Rockstars mitgearbeitet, um sich davon selbst einen Vorteil zu verschaffen, Bücher zu schreiben oder von Plattenfirmen unterstützt zu werden. Die Groupies haben sich oftmals die Stars ausgesucht, nicht umgekehrt. Da ist wirklich die Frage, wer da wen ausgenutzt hat. Eric Clapton hat mal gesagt: Die Groupies wollen keinen Sex mit mir, die wollen nur Sex mit meinem Namen. Das trifft es eigentlich ganz gut.
Text: till-krause - Photocase.de/stylizeyourthoughts