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Rebellion und Langeweile
jetzt.de: Ihr macht nun bereits seit 18 Jahren gemeinsam Musik. War Rebellion damals ein Antrieb für euch? Björn: Ja, auch. Wir haben gegen den Pop-Ansatz der Fantastischen Vier rebelliert, gegen die politische Korrektheit von Advanced Chemistry, aber auch gegen das persönliche Umfeld, in dem sonst kein HipHop gehört wurde. Ich kann mich auch noch an das befriedigende Gefühl erinnern, wenn meine Eltern mich aufgebracht darum gebeten haben, endlich mal diese nervige Musik auszumachen, die ihrer Meinung nach nur aus Schlagzeug und Bass bestand. Ich wollte mich in der Pubertät natürlich selbst ausdrücken und abgrenzen, und dafür hat HipHop mir ein Zuhause geboten. Martin: Gleichzeitig wollte man aber auch dazugehören, nämlich zu einer coolen Jugendbewegung, in der man sich wohlfühlt und anerkannt ist. Wo sich die Leute untereinander immer gegenseitig versichern, wie besonders sie doch sind. Gibt es Songs von euch, die ihr mal als einen möglichen „Soundtrack zur Rebellion“ konzipiert habt oder die zumindest so verstanden worden sind? Martin: Bestimmt. Als Künstler greifen wir schließlich Stimmungen auf, um daraus pointierte Songs zu machen. Björn: Rebellion hat für mich aber auch immer etwas Freudloses und Sauertöpfisches. Wir haben Rebellion nie zum Band-Prinzip erhoben. Natürlich haben wir eine klar definierte gesellschaftskritische Haltung, aber wir müssen sie nicht permanent wie ein Banner vor uns hertragen. Martin: Hochleben lassen war für uns eigentlich immer wichtiger als ablehnen, ein positives Gemeinschaftsgefühl war Widerstand immer schon vorzuziehen. Wir bieten den Leuten durch unsere Musik lieber eine positive Alternative zum Dagegen-sein. Boris: Nimm doch nur mal „Schwule Mädchen“: Das ist rebellisch, macht aber trotzdem auch Spaß. Gerade im Rap wird eine offensive Anti-Haltung oft als Pose benutzt, ohne jedoch wirklich etwas zu transportieren. Dürrenmatt hat mal geschrieben, dass „Widerstand um jeden Preis das Sinnloseste sei, was es geben kann.“ Seht ihr das ähnlich? Martin: Ich kenne auch noch viele andere sinnlose Sachen, aber das ist auf jeden Fall in den Top Ten. Es gibt so ein schönes Zitat von Dendemann aus dem Eins Zwo-Stück "
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", in dem es heißt: „Kann man vor lauter Weltretten kaum über'n netten Scherz lachen/verpasst man die Dinge, die es rettenswert machen.“ Das bringt es eigentlich ganz gut auf den Punkt. Denn wenn man sich zu intensiv mit der Rebellion gegen irgendetwas beschäftigt, kann es sein, dass man die Utopie, für die man kämpft, aus den Augen verliert und am Ende genau dort ankommt, wo man früher den Feind vermutet hat.
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Ihr bestreitet eure Konzerte schon seit Jahren mit einer kompletten Band und habt diesen Umstand dazu genutzt, alte Songs in neue Gewänder zu hüllen, wie nun auf den beiden neuen Live-Alben zu hören ist. Ist das eure Art, sich vor Routine und Langeweile zu schützen? Boris: Wir langweilen uns auf jeden Fall ungern und gestalten es uns selbst lieber aufregend und spannend, klar. Durch dieses Agieren mit Band ist aber auch irgendwann etwas sichtbar geworden, was uns als Fettes Brot ausmacht. Denn aufgrund unserer genreübergreifenden Musikleidenschaft waren unsere früheren Alben vom Sound her oft nicht die stringentesten. Dieses Mal haben wir es jedoch geschafft, einen durchgängig einheitlichen Sound zu kreieren. Björn: Ich möchte es einmal mit den Worten unserer Steuerberaterin Frau Schulz ausdrücken: „Diese Alben waren übernotwendig.“ Und das hat sie als Fan gesagt. Nicht als Steuerberaterin. Habt ihr manchmal Angst davor, die Leute mit einem neuen Album zu langweilen? Martin: Ich weiß nicht, ob Angst das richtige Wort ist. Boris: Panik trifft es besser (Gelächter). Martin: Natürlich zweifelt man manchmal daran, ob man ein bereits erreichtes Level halten oder sogar toppen kann. Aber rückwirkend kann ich sagen, dass wir im Verlauf unserer 18-jährigen Karriere noch nie in eine Sackgasse geraten sind. Wir haben bisher immer die richtigen Entscheidungen getroffen, und das beruhigt ungemein. Langeweile entsteht vor allem durch Stillstand und wir haben stets versucht, weiter zu gehen und neue künstlerische Phasen einzuleiten. Boris: Ein wichtiger Punkt dabei ist, sich ein kritisches Umfeld zu bewahren und sich nicht nur mit Ja-Sagern zu umgeben. Daran kranken viele Künstler, weil sie Leute mit unbequemen Meinungen aussortieren. Für uns war es jedoch immer gut, Leute zu haben, die uns nicht bloß nach dem Mund reden. Martin: Bei Fettes Brot gibt es eine lebendige Gesprächskultur, die auch mal in sehr langen Bandbesprechungen münden kann. Wir sind fast schon so was wie ein kleiner Debattier-Club. Auf der einen Seite legt ihr eine große musikalische Offenheit, auf der anderen Seite jedoch auch eine große Beständigkeit an den Tag. Braucht man die, um sich im mit einer gewissen Sicherheit im Rücken auf Neues einlassen zu können? Björn: Die gewachsene musikalische Erfahrung hat uns sicherlich auch eine größere Freiheit gebracht. Als wir damals „Frikadelle am Ohr“ geschrieben haben, haben wir uns noch gefragt, ob wir das vor der HipHop-Polizei überhaupt verantworten können. Aber weil Pharcyde das auch schon gemacht hatten, haben wir uns sozusagen von denen die Erlaubnis geholt. Mit den Jahren wurden bestimmte Fragen dann gar nicht mehr gestellt, weil wir die für uns bereits beantwortet hatten. Die Schere im Kopf wird ständig kleiner. Martin: Außerdem war uns immer schon wichtig, dass sich niemand von uns davon abhalten lässt, bestimmte Dinge auszuprobieren. Deshalb macht jeder von uns auch seine Solo-Stücke. Das ist wie in einer Ehe, in der die Frau auch mal einen Abend mit den Mädels braucht, während der Mann zum Fußball geht. Björn: Oder in den Puff. Martin: Aus solchen Einzelausflügen hat sich wiederum oft etwas Neues entwickelt. Viele Songs, bei denen wir am Anfang Angst hatten, dass sie zu weit von uns weg sind, wurden nachher sogar zu unseren Visitenkarten, „Schwule Mädchen“ zum Beispiel. Wir hatten schon überlegt, ob wir den Song als Fettes Brot überhaupt rausbringen können, bis uns ein Außenstehender davon überzeugt hat, dass das Lied Fettes Brot in Reinkultur ist. Wir waren zu nah dran, um das erkennen zu können. Gibt es einen speziellen Grund dafür, dass ihr jetzt in Guns’n’Roses-Manier zwei separate Alben veröffentlicht? Boris: Gesunder Größenwahn, um uns in den richtigen musikalischen Kontext zu setzen: Beatles, Guns’n’Roses, Fettes Brot.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
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Die Alben "Fettes" und "Brot" von Fettes Brot erscheinen am 26. Februar auf Fettes Brot Schallplatten.