Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

„Manchmal werde ich selbst rot.“

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Konservative Spießbürger würden Dein Buch verwahrlost oder schmuddelig nennen. Kannst du den Bürgern in Deiner Heimatstadt Weilheim noch vor die Augen treten? Ja. Bis heute hat sich noch niemand über mein freizügiges Buch beschwert. Die Generation meiner Eltern fand es sogar gut, dass ich mich in der konservativen Kleinstadt getraut habe, so unverblümt über Sex, Drogen und Liebe zu schreiben. Der Jugend in Kleinstädten sagt man oft nach, sie sei prüde… Das stimmt nicht. Die Jugendlichen aus meinem Ort, die ich kenne, hinken jungen Menschen in der Großstadt in nichts hinterher – deshalb wollte ich auch mit diesem Gerücht aufräumen. Sicher gibt es in den kleinen Dörfern bei uns ein paar Mädels, die ihren ersten Freund mit 20 heiraten und dann eine Familie gründen. Solche Pärchen gibt es aber auch im Stadtleben. Für mich wäre es unvorstellbar gewesen, mich schon mit 20 fest zu binden.

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Gibt es also gar keinen Unterschied mehr zwischen sexuellen Erfahrungen in der Klein- und der Großstadt? Die Medien spielen uns gerne vor, dass die Stadtjugend viel reifer wäre und dass in Großstädten Jugendliche immer früher Erfahrungen sammeln. Aber auch auf dem Land gibt es keine Tabus mehr. Und wenn uns die Eltern nicht aufklären, tun das die Medien. Ich lebe heute in einer Großstadt, in München, und hier spielt das Leben auch nicht groß anders. Wer welche Erfahrungen sammelt, hat wohl eher damit zu tun, wie der Freundeskreis drauf ist. Du schreibst von Sex mit Körperfarbe auf Bettlaken, von Sex mit dem besten Kumpel und von Drogenexzessen auf der Diskotoilette. Hand aufs Herz: Was davon hast du wirklich erlebt? Von diesen Szenen habe ich bis jetzt keine erlebt. Die sind alle meiner Phantasie entsprungen. Natürlich gibt es viele Parallelen zwischen der Protagonistin Mia und mir. Die eine oder andere Partynacht habe ich auch durchgemacht. Auch was den Sex angeht, habe ich wohl etwas mit Mia gemeinsam: Ich halte nicht sonderlich viel von Monogamie und möchte lieber meinen Spaß haben. Aber Mia ist schon um einiges krasser drauf, als ich. Vor allem, wenn es um Drogen geht. Meine Freunde suchen im Buch oft nach Parallelen zwischen Mia und mir. Wer mich kennt, findet die auch. Mehr möchte ich an dieser Stelle aber nicht verraten. Ist das Buch auch ein Stück Selbsttherapie? Als ich 19 war und das Buch schrieb, habe ich mir oft gewünscht, ein bisschen mehr so wie Mia zu sein. Sie kann leicht abschalten, wenn es um Liebeskummer und Gefühle geht, vergnügt sich mit anderen Jungs und springt einfach selbstbewusster mit Typen um. Das Schreiben und die letzten beiden Jahre haben mir ein bisschen dabei geholfen, Mia etwas näher zu kommen – zumindest was mein Selbstbewusstsein angeht. Auf dem Land ist Sex oft noch ein Tabu-Thema. War es denn leicht für Dich, unverblümt über Sex zu schreiben? Offen über Sex und Blasen zu reden: damit habe ich kein Problem, solange es unterhaltsam ist und es nicht um meine privaten Bettgeschichten geht. Als ich mir aber einige Stellen über Mias Sexbegegnungen in meinem Buch noch einmal durchgelesen habe, bin ich gleich selbst rot geworden (lacht). Ich mag die Szenen weiterhin – bei Lesungen lasse ich sie aber vorsichtshalber lieber aus. Mirjam Dreer: Kleinstadtschlampe, 203 Seiten, 9,95 Euro, ISBN: 3-86608-124-3

  • teilen
  • schließen