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Lina hat mit ihrer Mutter ein Buch über Drogen geschrieben - für Eltern

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Du hast mit 13 zum ersten Mal gekifft, dann kamen die härteren Drogen. Ist Kiffen nun eine Einstiegsdroge, ja oder nein? Gibt es wirklich eine Einstiegsdroge, dann ist das Alkohol. Schon Babys kriegen den als normal vorgelebt, in jedem guten Haushalt steht eine Flasche Wein herum, und wer nicht trinkt, ist entweder krank oder nicht normal.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Stimmt es also: Alkohol ist schlimmer als Kiffen? Ich habe vom Kiffen acht Wochen einen Entzug gemacht, da war ich zwar unruhig, das ist aber Kopfsache. Alkohol hingegen ist harter körperlicher Entzug. Das kann man schon mit Heroin vergleichen. Aber: Ist man täglich bekifft, kriegt man sein Leben auch nicht mehr auf die Reihe. Man kann daher nicht sagen, die eine Droge ist besser als die andere. Scheiße ist Scheiße. Du hast mit deiner Mutter gleich zwei Bücher über Drogen geschrieben: 2001 „Lieber high als stinknormal?“ und jetzt „Ich rauche doch nur Joints!“ ... ... das erste richtet sich an Jugendliche, es erzählt meine Geschichte, ich war damals 18 und steckte noch mitten in der Sucht. Das zweite Buch ist für Erwachsene. Damit die erfahren, was eigentlich in der Drogenwelt los ist. Also gut: Warum nehmen wir Drogen? Oder: Warum hast du Drogen wie LSD und Pep genommen? Sie waren das perfekte Mittel für mich: So wollte ich sein. Ich lernte neue Leute kennen, blieb nächtelang weg, spürte alles extremer, fühlte mich cool. Drogen, das war Freiheit, keine Probleme haben, sich von keinem was sagen lassen. Aber es war noch mehr: Ich habe mir meine eigene Welt aufgebaut, die für mich das Paradies war. Fern ab von der Realität. Genau. Man steht heute als Teenager noch mehr unter Druck, perfekt zu sein. Die Mädels müssen schön aussehen, gute Noten haben, treu sein. Die Jungs den perfekten Adoniskörper haben, gut in Mathe und ein toller Typ sein. Dann sind da noch die Eltern: Die nie zuhören, nur arbeiten, ständig Leistung erwarten. Okay, aber warum nimmt der eine Drogen, der andere nicht? Das ist eine schwierige Frage. Ich war der Typ dazu, habe irgendwie eine dunkle Seite in mir. Es ist aber meist wohl so: Wer damit zufrieden ist, was er hat, wie er ist, der will an diesem Zustand ja nichts verändern. Braucht dafür also auch keine Drogen. Was machen Eltern falsch? Sie kennen sich zu wenig mit Drogen aus: Welche es gibt, wie die wirken, wie die aussehen? So stehen sie schnell blöd da, wenn sie ihre Kinder darauf ansprechen. Viele haben außerdem Angst. Davor, dass ihr Kind wirklich kifft oder Pillen einwirft. Daher sagen sie: Mein Kind hat kein Drogenproblem. Und machen die Augen zu. Was den Jugendlichen nur in seiner Ansicht bestärkt: Erwachsene haben eh keinen Plan. Wenn sie aber doch Ahnung haben, ist das eine ganz andere Basis. Wie fängt man als Elternteil so ein Gespräch an? Beispielsweise mit: Was machst du so in deiner Freizeit? Ohne direkt auf Drogen anzuspielen. Und: Sie sollten sich wirklich dafür interessieren. Hören sie nicht das, was sie sich wünschen, dürfen sie nicht gleich sauer werden. Womit kommen Eltern auf keinen Fall weiter? Wenn sie Druck ausüben. Sie kein Verständnis dafür haben, dass ihr Kind, das den ganzen Tag in der Schule saß, auch mal keine Lust hat, Hausaufgaben zu machen. Blöd ist, diese Befehlshaltung einzu-nehmen und nervige Fragen zu stellen wie: Wie war es heute in der Schule? Hast du deine Hausaufgaben gemacht? So kriegt man als Jugendlicher das Gefühl, man wäre nicht in der Lage, das selbständig hin-zukriegen. Dabei sind Jugendliche in ihrer Welt den Erwachsenen überlegen. Und können ihnen noch was beibringen. Sie müssen das nur zulassen. Was können umgekehrt Jugendliche tun? Sich mehr öffnen. Gut ist, ruhig und sachlich vorzutragen, was einem Zuhause nicht passt, und Vorschläge zu machen, wie es besser laufen könnte. Ich bin überzeugt: 90 Prozent der Eltern sind so zu Kompromissen bereit. Wie hat deine Mutter dich auf die Drogen angesprochen? Sehr lange gar nicht. Sie hatte Angst davor, deshalb hat sie es verdrängt. Erst als es offensichtlich war, ich geklaut und die Schule geschmissen, mich an nichts mehr gehalten habe, ins geschlossene Heim kam. Aber da war mit mir schon nicht mehr zu reden, ich längst auf harten Drogen. Wie bekamt ihr wieder Kontakt? Als sie anbot, mit mir nach Holland zu fahren, wo Kiffen legal ist – und das mit mir mal auszuprobieren. Da denkt jeder andere doch: Wie kann die da auch noch mitmachen?! Es ging ja nur um einen einzigen Joint. Für mich hieß das aber: Sie ist einen Schritt auf mich zugegangen, hat sich meine Welt angeschaut. Dadurch habe ich wieder Vertrauen zu ihr aufgebaut. Von da an ging’s aufwärts? Klar gab es immer wieder Höhen und Tiefen, aber sie hat mich in meiner Wohnung besucht, als ich total drauf war, und ich habe ihr immer erzählt, was ich mache. Sie hat sich alles angehört, ohne auszuflippen und an mir rumzuzerren, hat mich so ak-zeptiert, wie ich war, auch mit meiner Sucht. Können Eltern überhaupt verhindern, dass ihre Kinder Drogen nehmen? Kaum. Daher ist Vertrauen so wichtig. Weiß der Jugendliche von Anfang an, er kann mit allem kommen, ohne den Kopf abgerissen zu kriegen oder Angstattacken zu verursachen, hört er von allein mehr auf seine Eltern. Was ist das Schlimmste, das Drogen mit einem machen? Natürliche Glücksgefühle, die natürliche Fähigkeit, sich zu entspannen, zu fühlen, das ist alles weg. Man kriegt es nur noch über Drogen. Als ich clean war, musste ich das erst wieder neu lernen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Das Buch Ich rauche doch nur Joints! ist im Kösel-Verlag erschienen und kostet 14,95 Euro

Text: christine-ritzenhoff - Foto: Verlag

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