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Küssen verboten! Wie die Regierung unsere Sexualität regeln will

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Am Donnerstag wird der Bundestag über Sex sprechen – genauer gesagt über die Sexualität von jungen Menschen. Um was geht es genau? Es geht darum, dass vernünftige und ausgewogene Regeln im Sexualstrafrecht zu Lasten von Jugendlichen verschoben werden sollen. Wie? Das will ich an zwei Beispielen klar machen. Nach der jetzigen Rechtslage ist es so: Wenn es unter Ausnutzung einer Zwangslage oder gegen Entgelt zu einem Sexualkontakt kommt, dann ist nach jetzigem Recht eine Strafbarkeit gegeben, wenn der Täter erwachsen ist, also über 18, und das Opfer unter 16. Der Sinn ist, dass es zwischen Täter und Opfer ein Machtgefälle gibt, einen Altersunterschied, einen sozialen Druck – ein Erwachsener bedrängt einen unter 16-Jährigen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Jerzy Montag. Klingt nach einer sinnvollen Regelung. Ja, das ist ja die Gesetzeslage jetzt – aber die neue Lage wird so sein: Die Bundesregierung senkt das Täteralter von 18 auf 14 und das Opferalter wird von 16 auf 18 erhöht. Was heißt das? Wenn jetzt eine 15-Jährige zu einem 17-Jährigen sagt: "Ich lade dich ins Kino ein, wenn du nachher mit mir Petting machst", dann ist das schon eine Straftat. Dazu kommt: Bisher war bei dieser Regelung der Versuch nicht strafbar. Die Bundesregierung wird aber jetzt an diesem Donnerstag den Versuch zu einer Straftat erklären. Das heißt bei unserem Beispiel: Die 15-Jährige lädt den 17-Jährigen unter der Vorraussetzung ins Kino ein, dass er danach mit ihr auf ihr Zimmer geht. Selbst wenn der junge Mann sagt: "Ich hab´ keine Lust", dann ist die 15-Jährige trotzdem strafbar. Das hört sich sehr theoretisch an – als junger Mensch werde ich doch nicht gleich zur Polizei rennen. Moment, das ist doch nicht unsere Debatte. Stellen Sie sich mal vor, irgendwelche Eltern oder Erzieher erfahren davon – und erstatten Strafanzeige, aus irgendwelchen Gründen! Uns geht es darum: Welches Signal sendet der Bundestag gegenüber jungen Menschen und ihrer Sexualität aus? Welches denn? Puritanismus und Prüderie der 50er Jahre. Das ist der Rückfall in eine Zeit, die ich nur aus meiner Jugendzeit kenne. Was will die Bundesregierung noch beschließen? Die zweite Sache, die ich kritisiere, ist die Sache mit den Fotos. Bisher war es so, dass die Herstellung und der Vertrieb von Fotos unter Strafe standen, die den sexuellen Missbrauch von Kindern – also unter 14 Jahren – dargestellt haben. Die Bundesregierung hat jetzt den Begriff „Darstellung des sexuellen Missbrauchs von Kindern“ ersetzt durch den Begriff „Darstellung sexueller Handlungen“. Gleichzeitig hat sie das Opferalter, das bisher bis 14 ging, erhöht auf 18 Jahre. Was heißt das konkret? Ein Foto mit einem im Wortsinn innigen Zungenkuss oder ein Foto, auf dem lustvoll eine Frauenbrust geküsst wird – und die Abgebildeten sind 17 – wird jetzt zu einer Straftat. Die „Bravo“ kann dann also zu machen. Sie muss ab jetzt drunter schreiben, was ab 24 Uhr bei den widerlichen Geschichten im Fernsehen läuft: „Bin gerade 18 und super geil.“ Und dabei ist die Krönung: das gilt auch für den Besitz, selbst den Altbesitz. Wenn Sie also zuhause ein Foto haben, auf dem eine 17-Jährige bei einer sexuellen Handlung abgebildet ist – wie gesagt: kein sexueller Missbrauch, sondern bei einer sexuellen Handlung jeder Art –, dann war das bis heute straflos. Jetzt wird es strafbar. Die Große Koalition… … die Große Koalition will in sexuellen Dingen in bestimmten Bereichen dirigierend eingreifen. Das Bundesjustizministerium sagt, es sei nur redlich bemüht, Kinder vor Prostitution zu schützen – aber das ist doch überhaupt keine Frage! Kinder sind jetzt schon vor Prostitution geschützt. Es gibt nur ein Problem: Was sind Kinder? Nach deutschem Recht sind Kinder alle bis 14 Jahre. Danach sind es Jugendliche. Ab 18 sind es Heranwachsende. Nach internationalem Recht sind Kinder, also der Begriff „Kind“, alle unter 18 Jahre. Die Bundesregierung zerstört dieses sinnvoll aufgebaute Verhältnis im deutschen Sexualstrafrecht: Unter 14 – alles tabu. Zwischen 14 und 16 – sehr hoher Schutz. Zwischen 16 und 18 – ein etwas niedrigerer Schutz. Ab 18 – Freiheit. Diese feine Austarierung, die aus dem liberalen Sexualstrafrecht der 70er Jahre stammt, wird jetzt in einem Roll-Back zunichte gemacht. Nochmal konkret: Wenn ich 17 bin und einen guten gleichaltrigen Freund habe, der mit seiner Freundin auf der Wiese einfach nur knutscht, dann darf ich die nicht fotografieren? Genau. Sie dürfen dann kein Foto herstellen, weil das Minderjährige bei sexuellen Handlungen sind. Und wenn sich das Pärchen selber fotografiert, dürfen sie die Bilder gerade noch behalten – aber zum Beispiel nicht an jemand anderen schicken. Das hat mit dem Schutz der Kinder vor Prostitution überhaupt nichts mehr zu tun. Das klingt verrückt. Das klingt nach mehr Staat – nach der Einmischung des Staates in private Dinge von Menschen. Insbesondere in die aufkeimende Sexualität junger Menschen. Das ist ein moralisches Roll-Back in Zeiten, die man längst hinter sich glaubte. Das wird ein Schlag in das Bewusstsein der Menschen – junge Menschen haben doch gar keine Vorstellung, was jetzt für Sachen, die sie für völlig okay halten, ab nun plötzlich unter Strafe gestellt werden. Und das wird am Donnerstag beschlossen? Das werden die durchziehen, ja. Der Rechtsausschuss des Bundestages hat im Juni eine Sachverständigenanhörung zu diesem Thema gemacht – die Sachverständigen haben dieses Gesetzesvorhaben in der Luft zerrissen. Wir Grüne, aber auch die FDP oder die Linke, haben gesagt: Das könnt ihr doch nicht machen. Aber die Große Koalition geht einfach mit dem Kopf durch die Wand. Und dann? Dann wird die Polizei und die Staatsanwaltschaft mit dieser neuen Rechtslage zurande kommen müssen. Das kann zu abstrusen Strafverfahren führen. Wenn die Eltern meiner Freundin mich nicht mögen, könnten sie mich also anzeigen, weil ich meine Freundin ins Kino eingeladen habe und danach mit ihr geknutscht habe? Sie sind 15, ihre Freundin 17 – die einzige Behauptung, die jetzt noch nötig ist, lautet: Haben Sie gesagt „Ich lade dich ins Kino ein und danach knutschen wir“ – oder haben Sie gesagt: „Ich lade dich ins Kino ein und dafür knutschen wir“. Das wäre dann schon strafbar. Jetzt werden die meisten jungen Menschen sagen: Was zum Teufel geht die Bundesregierung mein Liebesleben an? Genau das ist die Frage.

Text: roland-schulz - Foto: www.jerzymontag.de

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