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"Köhlers Rede war arm an Erklärungen"

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jetzt.de: Wie hält man eigentliche eine gute Rücktrittsrede? Hat Ex-Bundespräsident Köhler das gut hinbekommen? Lucas: Die Rede von Herrn Köhler war schon sehr kurz und knapp. Arm an Erklärungen. Er hat mehr Fragen offen gelassen als beantwortet. Eine Rücktrittsrede ist dann gut, wenn sie ein Kapitel abschließt und plausibel geklärt ist, warum dieser Schritt richtig und unausweichlich war; gerade für die Bevölkerung wäre dies wichtig gewesen. jetzt.de: Findest du, dass Politiker zu viel debattieren und zu wenig entscheiden? Lucas: Für eine Parteiendemokratie ist es typisch, dass auch gelegentlich um des Diskutierens willen diskutiert wird. Aber generell ist der Austausch der Meinungen wichtig, um für alle akzeptable Entscheidungen zu finden. Ich denke, gerade in letzter Zeit hätte vielleicht sogar mehr debattiert werden können, eine ganze Menge Entscheidungen wurden fast ohne Auseinandersetzung mit dem Prädikat alternativlos versehen. Eigentlich ist das doch schade. Die Debatte ist eine sehr wichtige politische Erscheinung. jetzt.de: Lucas, was reizt dich am Debattieren? Lucas: Das spannende daran ist, dass man keinen Monolog hält, sondern ständig auf den anderen eingehen kann, man muss Paroli bieten, seinen eigenen Standpunkt untermauern. Das ist anstrengend, aber auch interessant.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Lucas während der Finaldebatte 2009 jetzt.de: Wie bereitest du dich auf solche Wettbewerbsdebatten vor? Lucas: Die zu debattierenden Themen sind gesellschaftsrelevante Themen. Also suche ich in vielen Tageszeitungen nach Glossen und Kommentaren. Oft gibt es dort schon Pro und Contra. Ein guter Freund ist auch das Grundgesetz. Argumente mit Paragraphen zu untermauern oder auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung zu argumentieren, macht sich immer gut. Und ansonsten heißt es: Üben, üben, üben. Mit Lehrern, Eltern, Freunden, Onkeln und Tanten. jetzt.de: Kann man sich auf seine ‚Gegner’ einstellen? Lucas: Größtenteils. Man lernt die Leute nämlich auf Rhetorik-Seminaren kennen. Dort debattiert man schon vor den Wettbewerben miteinander. Das ist so organisiert, dass man jeden zu Gesicht bekommt und die Stärken und Schwächen jedes Einzelnen kennenlernt. jetzt.de: Wie - Rhetorik-Seminare? Lucas: Ja. Das ist das Geschenk einer jeden Debattierebene, auf der man gewinnt. Die besten vier auf jeder Ebene bekommen mehrere Tage Seminar geschenkt. Der Preis ist also nicht Geld, sondern Rhetorik. Das ist toll, weil dadurch auch alle die gleichen Startvoraussetzungen für den nächsten Wettbewerb bekommen. Jeder wird gleichermaßen geschult und trainiert. Das ist sehr fair. jetzt.de: Womit punktet man mehr: Mit Rhetorik oder mit Inhalten? Lucas: Sprache und Wortwahl sind sehr wichtig für einen gelungenen Auftritt. Jedoch ist es die Substanz des Gesagten nicht weniger. Punkten muss man in den Kategorien Sachkenntnis, Ausdrucksfähigkeit, Gesprächsführung und Überzeugungskraft. jetzt.de: Du bist im vergangenen Jahr Bundessieger bei "Jugend debattiert" geworden. Deine Streitfrage lautete: ‚Soll Bildungspolitik Bundesangelegenheit werden?’ Wie hast du argumentiert? Lucas: Ich musste als Erster das Wort ergreifen. Den Anfang zu machen, ist sehr schwierig. Man muss das Thema in Kürze umreißen und eine gute Grundlage für die Debatte schaffen und gleichzeitig klarmachen, warum das ein gesellschaftlich relevantes Thema ist. Meine Hauptargumente waren Art. 72 Abs. II des Grundgesetzes, wonach der Bund die Gesetzgebung zur Herstellung von gleichwertigen Lebensverhältnissen an sich ziehen kann. Zum anderen war es auch der Bologna-Prozess: In Europa sollen Bildungsinhalte und Abschlüsse vereinheitlicht werden, um sie vergleichbar zu machen. Innerhalb Deutschlands ist alles unterschiedlicher denn je. Wie sinnvoll ist das? jetzt.de: Worüber wird in der Gesellschaft zu wenig debattiert? Lucas: Ich denke, die Mittelschicht wird oft vergessen. Viel wird immer diskutiert über Managergehälter und Hartz IV-Sätze. Doch was ist mit den Menschen, die weder das eine noch das andere betrifft. Was ist mit 60 bis 70 Millionen der Menschen in diesem Land? Warum muss man bei Gerechtigkeitsdebatten immer in die Extrema gehen? Ich finde, dass es die Mittelschicht nicht verdient, so übergangen zu werden, schließlich ist sie das Fundament der Gesellschaft. Diskussionen sollten sich eher an der Mitte der Gesellschaft orientieren. Das würde vermutlich zu verträglicheren und besseren Ergebnissen führen.

Text: ulrike-schuster - Foto: privat

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