- • Startseite
- • Interview
-
•
"Jesus war der erste Antifaschist": Wie die katholische Jugend gegen Nazis protestiert
Spielt die katholische Jugend jetzt wirklich verrückt? Ja, wir spielen verrückt und das ist auch dringend nötig. Denn einige Dinge muss man verrücken, oder besser: gerade rücken. Was soll das heißen? Wir haben den Eindruck, dass im Moment in unserer Gesellschaft der Trend existiert, sehr einfache Antworten auf sehr komplexe Fragen zu geben, zum Beispiel bei der Globalisierungsthematik. Wir erleben, dass es deswegen durchaus Jugendliche gibt, die sich von rechtsextremen Parolen ansprechen lassen. Wir glauben, dass man dagegen eine positive Perspektive setzen muss – und gleichzeitig deutlich machen muss, dass wir für Rechtsextremismus kein Verständnis haben. Und was wollt ihr da unternehmen? Wir werden hier am Samstag Flash-Mobs bilden, erst in kleineren Gruppen, dann in immer größeren Gruppen, bis dann alle auf einem Fleck in Köln zusammenkommen – zur MobCologne. Wie läuft das ab? Die Leute – lauter katholische Jugendgruppen – kommen um 14 Uhr einzeln in die Stadt und wissen erstmal nichts. Dann warten sie auf eine erste SMS, in der drin steht, was zu tun ist. Sie laufen dann irgendwo auf, bekommen einen witzigen Auftrag, etwas zu tun, und stellen fest, dass plötzlich viele andere Jugendliche auch diesen Auftrag haben – und setzen dann in einer großen Gruppe ein Zeichen, das hoffentlich die Passanten im positiven Sinne verwirrt und so zum Nachdenken bringt. Was heißt das denn konkret? Alle Katholiken stehen zusammen auf einem Platz und rufen „Nazis raus“? Das wäre ein bisschen zu einfach. Wir haben einen Punkt, da werden die Leute plötzlich in einer Buchhandlung auftauchen und ohne Vorwarnung aus Büchern vorlesen, die von den Nazis verbrannt worden sind. Oder Menschen werden sich an eine Ampel stellen und unter den Passanten überraschend weiße Rosen verteilen. Was ist das – katholischer Antifaschismus? Ja, das kann man sagen. Wobei wir aber nicht nur anti sind – wir haben auch eine positive Vision: Wir wollen eine Gesellschaft, die frei und demokratisch und solidarisch lebt. Rechtsradikalismus ist ohne Zweifel ein großes Problem – aber kann man dagegen vorgehen, indem man aus Büchern vorliest oder Rosen verteilt? Es hat schon Revolutionen gegeben, die damit angefangen haben, dass man Blumen verteilt hat. In Portugal zum Beispiel wurde eine Diktatur dadurch gestürzt. Wenn man nicht mit kleinen Zeichen anfängt, kommt man nicht zu den großen Dingen. Der Rechtsextremismus beginnt ja auch im Kleinen. Okay. Und wie geht es dann weiter? Das müssen wir uns noch überlegen. Wir haben Anfang Dezember unsere Diözesanversammlung, sozusagen die Jahreshauptversammlung unseres Verbandes, und dort werden wir beschließen, was wir weiter tun. Es gibt den Plan, eine größere Kampagne zu starten, die die Kommunalwahl 2009 in den Blick nimmt hier in Nordrhein-Westfalen. Die NPD und andere rechtsextreme Parteien haben nämlich angekündigt, sich hier in NRW in den Kommunen verwurzeln zu wollen, so wie sie es ihnen auch schon in Sachsen oder Mecklenburg-Vorpommern gelungen ist. Deren Ziel ist: 2009 möglichst breit in die Kommunalparlamente einziehen. Wir glauben, dass wir in der Lage sind, das zu verhindern. Wie? Wir wollen uns jetzt schon aufstellen, möglichst viele Partner suchen und das Ziel ausgeben: Rechtsextreme Parteien müssen 2009 unter einem Prozent bleiben – die Null muss stehen. Beim Kampf gegen Rechts denkt man zuerst an Jugendorganisationen politischer Parteien – warum richtet sich ausgerechnet die katholische Jugend jetzt so stark gegen Nazis? Na, einer muss es ja machen. Ich finde: Was uns als katholische Jugend auszeichnet, ist gerade, dass wir nicht einfach nur dagegen sind, sondern auch positiv was dagegenzusetzen haben. Wir hatten vor zwei Jahren den Weltjugendtag in Köln – und da hat man erlebt, wie Menschen auch zusammen agieren können: Jugendliche aus 180 Ländern waren hier, haben zusammen gefeiert, gebetet, natürlich auch über Politik diskutiert. Das ist die Vision, dass eine Welt möglich ist, in der alle gut miteinander leben können, ohne dass jemand unter die Räder kommt – und diese Vision möchten wir anbieten. Wir sagen ja nicht: Ihr Nazis, ihr seid alle scheiße, geht doch nach Hause. Wir sagen: Auch für euch gibt es einen Platz in der Gesellschaft, wenn ihr mit anderen friedlich zusammen leben wollt. Wie nennt man diese Taktik – zu Tode umarmen? Das würde ich nicht sagen. Es geht nicht darum, eine Kuscheldecke über alle auszubreiten. Wir stehen für Freiheit und Vielfalt, und wir glauben, dass das nicht Beliebigkeit bedeutet, sondern dass Vielfalt eine echte Meinung ist, zu der man stehen muss.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Christian Linker Foto: oh Das Echo des Weltjugendtags war gewaltig – aber dann war die Begeisterung schnell wieder weg. Ich glaube nicht, dass sich die Begeisterung des Weltjugendtags leer gelaufen hat. Ich mache da mal einen Vergleich: Es sagt niemand, dass sich der Fußball leer gelaufen hat, nur weil nicht jedes Jahr WM in Deutschland ist. Der Fußball ist aber auch nicht die katholische Jugend. Nein. Aber es ist ein guter Vergleich. Es gibt immer Top-Ereignisse, die für einen Moment alle Schlaglichter auf ein Thema richten – was man aber oft vergisst, ist, dass die Basis solcher Top-Events ist, dass eine Masse von Jugendlichen Woche für Woche an der Basis aktiv ist. Eine Gesellschaft kann nicht davon leben, dass sich Jugendliche alle paar Jahre mal zu Riesenereignissen zusammenfinden – eine Gesellschaft lebt davon, dass Jugendliche auch außerhalb der Schule Orte haben, wo sie sich organisieren können, wo sie ihre Freizeit autonom gestalten können. Die Webseite für eure Kampagne lautet www.krass-konkret-katholisch.de – was ist daran krass? Die Webseite haben wir schon länger. Krass finde ich, dass das, was wir tun, nicht alltäglich und auch nicht selbstverständlich ist. Und was ist konkret? Konkret ist, dass wir nicht sagen: „Es muss sich jetzt mal was ändern“, sondern dass wir selber versuchen, die Dinge anzupacken und möglichst viele Menschen dafür zu erreichen. Und das Katholische daran? Das Katholische daran ist: Der, von dem wir unsere Botschaft erhalten haben, Jesus Christus, ist derjenige, der als erster Mensch der Geschichte dafür gestanden hat, dass niemand ausgegrenzt wird – er ist immer zu denjenigen gegangen, die am Rand der Gesellschaft stehen. Wenn das nicht so sehr nach freikirchlichen Bibelkreisen klingen würde, könnte man fast sagen: Jesus ist der erste Antifaschist gewesen. Jesus ist der erste Antifaschist - wenn Bischof Mixa das hört, dann fragt er sich sicher: Was zum Kuckuck macht nur der BDKJ in Köln? Das kann er sich gerne fragen. Er kann auch gerne anrufen, dann erkläre ich ihm das.