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"In Sieben Linden haben Frauen die Macht"

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2005 begann Andreas Stiglmayr einen Film über das Öko-Dorf Sieben Linden (jetzt.de berichtete im August) zu drehen. Etwa 60 Kilometer von Berlin entfernt leben dort in der Altmark Menschen in Einklang mit der Natur. Die Siedlung versteht sich als "als Modell- und Forschungsprojekt für eine zukunftsorientierte Lebensweise". Andreas Stiglmayr blickte hinter die Kulissen von Sieben Linden und fand neben der bewundernswerten Leistung der Dorfbewohner, was Ökologie und gemeinschaftliches Leben betrifft, auch Abgründe und Tabus. Jetzt, nach vier Jahren, kommt Menschen Träume Taten endlich in die Kinos. Du hast vor vier Jahren mit den Dreharbeiten begonnen. Warum kommt der Film erst jetzt in die Kinos? Ich habe keine Geldgeber gefunden. Das ging schon los bei den Dreharbeiten. Damals lief gerade der Film „Am Arsch der Welt“ über eine Schweizer Kommune und die Sender hatten erstmal keinen Bedarf mehr an dem Thema „Ökologie und Gemeinschaft“. Das Problem ist: Kann man keine Redaktion überzeugen, kommt man häufig auch nicht auf Filmfestivals. Zwar gibt es mittlerweile viele Filme, die sich mit dem Thema beschäftigen, aber immer noch keine eigene Sparte dafür. Und ohne Festivalteilnahmen findet man dann meist auch keinen Verleih. Wie hat es dann doch geklappt? Ich habe darauf hin eine neues Auswertungskonzept entworfen, bei dem nach der Filmvorführung diskutiert und die Region des jeweiligen Spielortes mit einbezogen wird. Ein Verleih konnte ich damit leider immer noch nicht finden, aber immerhin Fördergelder auftreiben. Schließlich habe den Film dann im Eigenverleih in die Kinos gebracht. Jetzt haben wir eine ausverkaufte Vorstellung nach der anderen. Ökodörfer gibt es viele – warum hast du dich für Sieben Linden entschieden? Weil die Bewohner dort nicht so sehr esoterisch, spirituell oder religiös sind. Sieben Linden ist viel mehr ein Höchstleistungsökodorf. Jeder will hier Leistung bringen. In Sieben Linden spiegeln sich viele Züge der deutschen Gesellschaft wieder. Kannst du ein Beispiel geben? Mein Hauptprotagonist Martin, ist für den Häuserbau zuständig. Er will die ganze Zeit CO2-neutrale Häuser bauen und ärgert sich darüber, dass die anderen dabei nicht so tatkräftig mitziehen und sich lieber mit ihren Pferden oder ihrem Garten beschäftigen. Martin ging dann nach Italien, um sich zu entspannen und von diesem Druck loszukommen. Mittlerweile ist aber wieder in Sieben Linden und baut Häuser.

Bist du denn bei deinen Dreharbeiten auf eher weniger schöne Seiten des Dorfes und ihrer Bewohner gestoßen? Ja, das bin ich. Ich muss aber vorausschicken, dass ich es noch immer wunderbar finde, was die Leute dort schaffen. Es ist beeindruckend zu sehen, was möglich ist, wenn Leute sich dran machen ihre Träume zu verwirklichen. Sie tun etwas gemeinsam, sie flüchten nicht in die Anonymität der Großstadt, sondern bleiben in einem Dorf und verändern dort etwas im Kleinen. Negativ ist mir aber vor allem das ungleiche Verhältnis von Mann und Frau aufgefallen. Inwiefern? Ich hatte den Eindruck, dass die Macht vor allem in der Hand der Frauen liegt. Die Führungsriege des Dorfes besteht aus drei Frauen, die sehr genau wissen, was sie wollen und durchsetzungsstark sind. Männer werden in erster Linie als Handwerker gebraucht. Kindererziehung ist ein anderes Thema. Nach Sieben Linden kommen sehr viele alleinerziehende Frauen. Es ist scheint der perfekte Ort zu sein, um Kinder großzuziehen. Für Kleinkinder ist es ein Paradies, sie können frei herumlaufen, müssen auf keine Autos aufpassen und sind in der Natur. Manchmal aber ist ihnen auch langweilig, weil Kinder kaum in das Projekt eingebunden werden. Schwierig wird es vor allem für Jungs im Alter von 12, 13, dann wenn der Konsumsog am größten ist. Diese Kinder haben keine männlichen Rollenvorbilder.

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Ist Sieben Linden für dich ein Vorbilddorf? Wir alle können von diesem Projekt viel lernen. Sieben Linden ist ein wunderbares Beispiel dafür, dass man ökologisch sinnvoll leben kann und wie viel man erreichen kann, wenn man etwas gemeinsam anpackt. Dieser Faktor fehlt mir oft in der ganzen Nachhaltigkeitsdebatte. Nicht jeder von uns braucht einen eigenen Fernseher oder ein eigenes Auto. Da reicht eines für viele. Trotzdem gibt es auch in Sieben Linden viele Tabus, zudem ist das Projekt vom Umland sehr isoliert. Könntest du dir vorstellen, selbst dort zu leben? Nein. Der Ort ist wunderschön und ich habe dort vieles gefunden, was ich in meinem Leben suche. Man spürt die Natur sehr intensiv und lebt mit ihr verbunden und unter Gleichgesinnten. Für mich ist aber wichtig, dass ich die Lebensqualität dort finde, wo ich mich zuhause fühle, mich auskenne und meine Freunde und Familie habe. Homepage von Sieben Linden: www.oekodorf7linden.de

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