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"Ich hasse Hochzeiten wie die Pest!"

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jetzt.de: Das Thema Heiraten scheint es dir auf der Leinwand angetan zu haben. Im letzten Jahr hast du in „Maria, ihm schmeckt es nicht“ geheiratet, nun kommt „Hochzeitspolka“ in die Kinos. Christian Ulmen: In „Hochzeitspolka“ geht es trotz des Titels nicht nur ums Heiraten. Das Bett, auf dem wir hüpfen, ist der gesellschaftliche Konflikt zwischen Deutschland und Polen. Außerdem handelt er von Freundschaft. Ich spiele Frieder, den ehemaligen Sänger einer Hardrock-Band, der nach Polen geht, dort bürgerlich wird und heiraten will. Plötzlich stehen seine alten Kumpels vor der Tür und zeigen ihm, wie er früher war. Und dann geht die Krise in ihm los: Ist er noch cool? Oder ist er es nicht mehr? Im Film geht es zudem darum, dass dieser Übergang in ein „anderes Leben“ lediglich von Frieder vollzogen wird und nicht von seinen Kumpels, was dann zu beidseitigem Unverständnis führt. Warum ist dieser Wechsel in einen neuen Lebensabschnitt für seine Freunde so schwer zu begreifen? Seine Kumpels dachten eben immer, dass die Freundschaft zueinander vor allem aus der Übereinstimmung gemeinsamer Werte besteht: Rockmusik, Alkohol, cool drauf sein. Frieder hat das jedoch komplett über Bord geworfen, und damit bricht ein Teil dieser Clique weg. Die Anderen nehmen das persönlich, sehen das als Verrat. Immerhin entwickelt sich Frieder in eine Richtung, die so gar nicht Rock’n’Roll ist. Das Erreichen der magischen Dreißig ist oft die Grenze, an der sich viele liierte Menschen plötzlich von ihrem alten Leben verabschieden, heiraten und Kinder kriegen wollen. Hast du bei dir selbst oder in deinem Freundeskreis ähnliche Erfahrungen gemacht? Ja, klar. Ich kenne durchaus Leute, die auf einmal wahnsinnig bieder geworden sind. Leute, die plötzlich einen Kredit fürs Schlafzimmer aufgenommen haben. Fürs Schlafzimmer! Das muss man sich mal vorstellen! Hast du das Schlafzimmer gesehen? Nein, aber ich habe mir davon erzählen lassen. Da hängen jetzt Rüschenvorhänge und so. Bei einem Typen, mit dem ich früher mal Punk gehört habe. Was ist da bloß passiert? Dass man sich über die Jahre verändert ist klar. Aber es gibt wirklich Fälle, bei denen das in eine bedenkliche Richtung umschlägt. Woran liegt es denn, dass sich Sichtweisen plötzlich verändern und Leute diesen Heiratsdrang inklusive Hang zur Spießigkeit verspüren? Keine Ahnung! Ich kann da auch nur raten. Vielleicht deshalb, weil diese ganze jugendliche Rock’n’Roll-Rebellion in einem geschützten Raum vonstatten geht. Ich selbst bin beispielsweise in einem recht bürgerlichen Stadtteil von Hamburg aufgewachsen, in dem mir eigentlich nichts passieren konnte. Wir konnten problemlos herumfahren und im ansässigen Kleingartenverein Gartenzwerge kaputt hauen oder Baustellenschilder klauen, weil wir wussten: Wenn wir erwischt werden, stehen unsere Eltern schon dafür gerade. Und abends lagen wir dann wieder in unseren Kinderzimmern und haben uns morgens von Muttern das Frühstück machen lassen. Wenn man älter wird und diesen geschützten Raum zu Gunsten einer eigenen Wohnung verlassen muss, braucht es Mut zusätzlich weiter zu rebellieren. Dadurch entsteht oft der Effekt, dass man sich zurücksehnt nach dieser Behaglichkeit, die man Zuhause hatte. Und dann nimmt man eben einen Kredit fürs Schlafzimmer auf, damit es eben auch wieder so aussieht wie Zuhause. Nur die wirklich Mutigen,… …die machen es ohne Kredit. (lacht) Ja, genau. Oder schaffen es tatsächlich, ihr Ding aus der Jugend auch ohne diesen geschützten Raum weiterzuführen. Aber das ist eben nicht so einfach. Aber ist das dann wirklich cool? Oder ist man dann bloß stehengeblieben? Die Frage ist doch: Ist es wirklich verwerflich, Geld verdienen, heiraten und ein großes Haus haben zu wollen? Kann man nicht vielleicht trotzdem ein ganz okayer Typ sein? Ist man automatisch ein Arschloch, wenn man so etwas will? Genau diese Fragen wirft auch der Film auf. Die kann man gratis mit nach Hause nehmen. „Hochzeitspolka“-Trailer:

Im Film verliert deine Figur nach der Hochzeit plötzlich ihre Coolness. Sie merkt das selbst und bezeichnet sich deshalb als „anders cool“. Wie dehnbar ist denn für dich selbst dieser Coolness-Begriff? Gar nicht. Man macht sich etwas vor, wenn man diesen Begriff dehnen will. Das ist der zum Scheitern verurteilte Versuch, seine Existenz noch irgendwie gegenüber der Sichtweise von damals zu rechtfertigen. Und das ist das Uncoolste überhaupt. Kommen wir noch mal zurück zum Heiraten. Du bist in Hamburg aufgewachsen. Da ist es ja eigentlich Sitte, als unverheirateter Mann mit 30 Jahren den Rathausmarkt zu fegen. Stimmt. Ein Freund von mir hat das sogar gemacht. Der mit dem Schlafzimmer? (lacht) Nein, ein Anderer. Gott sei Dank habe ich nicht mehr in Hamburg gewohnt, als ich dreißig geworden bin. Ich hätte mich aber auch mit aller Macht dagegen gesträubt. In meinem damaligen Umfeld gibt es jedoch Leute, die so drauf sind. Die eines Tages exakt wie die eigenen Eltern geworden sind. Demnach hältst du nicht sonderlich viel von solchen Bräuchen. Ich hasse die wie die Pest, genauso wie Hochzeiten. Diese ganze geplante Romantik ist bloß ein roter Teppich, der für die Ankunft der Peinlichkeit ausgerollt wird. Es kann nur schief gehen. Diesem ganzen Druck, dass der Hochzeitstag der schönste Tag im Leben des Brautpaares und am besten auch noch aller Anwesenden werden soll, dem kann man nicht standhalten. Irgendwann stolpert die Braut in die Torte, oder der Bräutigam kotzt in den Talar des Priesters. Ich schäme mich daher jedes Mal bereits vorsorglich, bevor überhaupt etwas passiert ist. Wenn die ersten Kirchenglocken läuten, finde ich es bereits peinlich. Das hat dich aber vor fünf Jahren nicht davon abgehalten, selbst zu heiraten. Meine Hochzeit fand aber bloß im kleinen Kreis statt. Niemand hat irgendwelche peinlichen Aktionen gestartet. Es gab weder dröge Dia-Shows noch peinliche Gesangseinlagen. Und ich finde, wenn man jemanden, der das nicht mag, wirklich schätzt, dann sollte man ihm zuliebe auch besser auf so etwas verzichten. Insofern war es bei mir damals wirklich ein schönes Fest. Vollkommen ohne künstlichen Romantik-Druck. Mittlerweile bist du allerdings wieder Single. Wirst du von neuen Frauenbekanntschaften oft für den etwas trotteligen Typ Mann gehalten, den du häufig auf der Leinwand spielst? Nein. Aber Frauen, die sich bloß aus Prestigegründen für einen interessieren, denen ist es auch vollkommen egal, ob man im Film den Trottel, den Macho oder den Softie spielt. Hauptsache, man ist im Kino zu sehen. Wenn man es darauf anlegen würde, könnte man also durchaus auch als Filmtrottel die Prominenzkarte ausspielen, wenn man Frauen aufreißen wollen würde. Im Oktober startet deine neue Internetserie „Snobs“, in der du mit einigem Gewaltpotenzial Leute aufmischt. Danach will vermutlich eh keine Frau mehr etwas von dir wissen. Das kann schon sein (lacht). Wobei ich in der Serie nur Männer verprügele. Und einen 16-jährigen Jungen. Frauen haben also nichts zu befürchten. Ich markiere in der Serie eher den Beschützertypen, der mit dem Golfschläger sämtliche Nebenbuhler verprügelt. Davon träumen die Frauen doch.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Der Film "Hochzeitspolka" mit Christian Ulmen läuft ab dem 30. September in den deutschen Kinos.

Text: daniel-schieferdecker - Fotos:X-Verleih

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