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G8-Gegner in Japan: "Wir haben Angst um die Gefangenen"
Wieviele internationale Gipfelgegner treffen sich in den beiden Camps „Touyora Forest“ und „Soubetsu“?
Das Camp „Touyora Forest“ ist 26 Kilometer vom Austragungsort des G8-Gipfels am Toya See entfernt. Dort befinden sich 250 Menschen, im anderen Camp sind es 100. Für deutsche Verhältnisse sind diese Camps relativ klein, für die Japaner sind sie bereits ein Erfolg.
Aus welchen Ländern kommen die Aktivisten?
Ein Großteil von ihnen sind Japaner, ansonsten ist es aber eine bunte internationale Mischung - insbesondere aus Spaniern und US-Amerikanern. Immer wieder sind aber auch verschiedene deutsche Dialekte zu hören. Vor allem junge Menschen zwischen 20 und 30 Jahren sind hier. Viele international Zugereiste haben bereits Gipfel-Erfahrung, für die meisten Japaner sind Campproteste aber ein ziemlich neues Erlebnis.
Welche Ziele verfolgt ihr in den Camps?
Die Camp-Proteste folgen einer langen Tradition. Wir wollen zeigen, dass die G8 keine legitime Organisation ist, sondern ein exklusiver Club der Reichen. Sie halten ihre Versprechen nicht und sind viel mehr die Verursacher der aktuellen Weltprobleme: Finanz-, Hunger- und Ölkrise. In den Camps werden die aktuelle Weltlage und die damit verbundenen Probleme besprochen. Es gibt Diskussionen und in der Großstadt Sapporo viele Alternativ-Gipfel-Veranstaltungen.
Was für Aktivitäten habt ihr heute durchgeführt?
Heute wurden vom Camp „Touyoka Forest“ aus zwei Demonstrationszüge gestartet. Der eine Zug war angemeldet, hier waren vor allem Japaner dabei. Bei der zweiten unangemeldeten Demo haben mehr internationale Aktivisten teilgenommen. Sie wollten eine nahegelegene Bahnstation erreichen, von der aus man zum Tagungsort kommt. Die Aktion war allerdings nur zum Teil erfolgreich. Nach 45 Minuten Fußmarsch wurde der Zug von der Polizei gestoppt und nach Verhandlungen haben sich die Demonstranten zurückgezogen. Die krassen Beschränkungen, die in Japan bezüglich Demonstrationen herrschen, wollten wir, anders als bei der großen Demo am Samstag, nicht umgehen.
Was für Beschränkungen sind das?
Es dürfen beispielsweise immer maximal vier Personen nebeneinander laufen und nur eine Fahrbahn darf benutzt werden. Bei der großen Friedensdemo am vergangenen Samstag in Sapporo mit 5.000 Menschen sind deswegen vier Demonstranten verhaftet worden. Die Demonstranten sind immer noch in Haft und die Menschen hier haben sehr viel Angst um die Gefangenen.
Warum haben sie denn solche Sorge um die Gefangenen?
Es fällt mir hier immer wieder auf, wie viel Angst die Menschen vor der Polizei haben. Viele haben bereits schlechte Erfahrungen mit ihr gemacht und es gibt willkürliche Verhaftungen. Als weiteres Druckmittel informiert die Polizei die Familie, Arbeitskollegen und Nachbarn darüber, dass man sich nicht an die Gesellschaftsordnung halte. In Japan ist es auch möglich, Menschen 23 Tage im Gefängnis festzuhalten, ohne dass eine richterliche Begutachtung nötig wäre. Die Polizei hat weitreichende Befugnisse und wir als Demonstranten nur eingeschränkte Möglichkeiten.
Welche Aktivitäten habt ihr noch geplant?
In den kommenden Tagen wird es weitere relativ kleine Demos geben. Wir werden uns dabei an die eng gesetzten Auflagen halten. Spektakuläre Aktionen sind nicht geplant.
Wie sieht es mit der Pressefreiheit in Japan aus?
Die Pressefreiheit ist nicht eingeschränkt. Allerdings höre ich immer wieder, dass sich japanische Journalisten einer starken Art von Selbstzensur unterwerfen. Es dominieren circa sieben Konzerne die Medienlandschaft in Japan, so dass es kaum eine kritische Berichterstattung gibt.
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Aktuelle Kommentare zum G8-Gipfel gibt es von der Attac-Delegation in Japan auf dieser Seite.
Text: sabrina-gundert - Foto: ap