- • Startseite
- • Interview
-
•
Flashmobverbot: „Das ist doch lächerlich!“
jetzt.de: Dirk, du willst uns dringend etwas zu deinem geplanten Flashmob in Braunschweig sagen… Dirk: Ja: Am 8.8. wird von 16 bis 18 Uhr kein Flashmob-Picknick auf dem Braunschweiger Schlossplatz stattfinden. Niemand darf am 8.8. auf dem Schlossplatz eine Decke ausbreiten, Speis und Trank zu sich nehmen, mit Freunden plaudern, tanzen oder gar lachen. Ein Picknick auf dem Schlossplatz. Klingt nach einer schönen Aktion: Wieso habt ihr den Flashmob abgesagt? Das Ordnungsamt erteilte ein Flashmob-Verbot. Jeder, der sich diesem Verbot wiedersetzt und trotzdem auf den Schlossplatz mit Picknickdecke auftaucht, kann von der Polizei des Platzes verwiesen werden. Wie hat das Amt von eurem Flashmob erfahren? Wir haben über StudiVZ zum Picknick-Flashmob aufgerufen. Kürzlich erhielt ich Besuch von einem jungen Mann in einem rosa Hemd, der sich mir als Mitarbeiter vom Ordnungsamt vorstellte. Er sagte, dass er mich als Gründer der Flashmob-Gruppe auf StudiVZ identifiziert habe. Wie ein Detektiv hatte er über StudiVZ, myspace und Subway, ein Braunschweiger Szenemagazin, nach meiner Adresse recherchiert. Er zitierte mich ins Ordnungsamt zum Fachbereich Bürgerservice und öffentliche Sicherheit. Von einem Beamten wurde mir das Verbot ausgesprochen.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Dirk Schadt aus Braunschweig weiß: Das Leben ist kein Ponyhof; zumindest nicht, wenn man sich mit dem Ordnungsamt einlässt. Credit: Privat Flashmobs solle verboten sein? Nein. Das Ordnungsamt behauptet unsere Aktion wäre gar kein Flashmob, sondern eine nicht genehmigungsfähige Sondernutzung. Auch die Aktion als eine Demonstration anzumelden ist laut dem Ordnungsamt in diesem Jahr nicht möglich. Flashmobs seien also nicht verboten. Das Amt müsse nur bei jedem Flashmob prüfen, ob die Stadt gesetzlich zum Eingreifen verpflichtet ist. Wann ein Flashmob erlaubt oder verboten ist, habe ich längst bei der Stadt nachgefragt. Eine Antwort habe ich nicht bekommen. Was ist illegal an eurer Idee? Die Stadt hat Angst, dass der Flashmob ausartet. Außerdem sei öffentliches Eigentum durch das Picknick gefährdet. Das Ordnungsamt befürchtet, dass die Sandsteinpflaster vor dem Schloss kaputt gehen könnten. Jene Sandsteinpflaster, über die täglich hunderte Passanten mit Stöckelschuhen laufen und mit ihren Fahrrädern fahren. Dass unsere Picknickdecken das Pflaster zerstören sollen ist einfach lächerlich. Wie reagieren die Flashmobber auf das Verbot des Ordnungsamtes? Viele sind empört und haben das Verbot über Twitter, Blogs und Communitys verbreitet. Inzwischen weiß die halbe Netzgemeinde in Deutschland von dem Verbot. Auf den Blogs gibt es oft hundert Kommentare zu den entsprechenden Artikeln. Die Stadt hat noch nichts zum Thema gepostet – oder sich auf einem anderen Weg dazu geäußert. In den USA wurde 2008 eine junge Flashmobberin verhaftet, weil sie mit anderen unter der Statue US-Verfassungsvaters Thomas Jefferson in Washington tanzte und nicht damit aufhören wollte. Könnte in Deutschland ähnliches passieren? Wir haben unseren Flashmob abgesagt und planen auch keine Gegenaktion. Trotzdem könnte ich mir vorstellen, dass es einige Protest-Flashmobber gibt, die sich gegen einen Platzverweis wehren. Denen droht wohl eine Verhaftung. Ich finde es sehr traurig, dass der öffentliche Raum nicht mehr spontan von uns normalen Bürgern genutzt werden darf. Vor hundert Jahren waren öffentlich Plätze noch Raum für das Leben der Bürger. Heute dienen Stadtmitten nur noch für Handel und Konsum. Plätze und Fußgängerzonen müssen wieder kreativer von uns Bürgern genutzt werden. Werdet ihr euer Picknick im nächsten Jahr beim Ordnungsamt anmelden? Ich werde den Flashmob im nächsten Jahr wohl frühzeitig als politische Demonstration anmelden. Selbst wenn der Charme eines Flashmobs, also die Spontanität und die Verwunderung von Außenstehenden, dadurch verloren geht.