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"Empowerment für nationale Frauen"
"Frauen und Mädchen sind ein neues Potenzial für die rechtsextreme Szene", teilte die bayerische Projektstelle gegen Rechtsextremismus vergangene Woche mit. Tatsächlich sind die Gründungen rechtsextremer Frauenorganisationen und deren politisches Engagement in den letzten Jahren messbar gestiegen. jetzt.de hat darüber mit Dr. Esther Lehnert vom Forschungsnetzwerk Frauen und Rechtsextremismus gesprochen.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
jetzt.de: Immer mehr junge Frauen und Mädchen treten rechtsextremen Organisationen bei. Ist das ein Zeichen für die Zerbrechlichkeit einer klassischen Männerdomäne und somit für die Schwäche der gesamten Neonazi-Szene? Esther Lehnert: Keinesfalls. Eher deutet diese Entwicklung auf ein Erstarken der Szene hin. Sie wird vielfältiger. Im Rechtsextremismus wird gerade eine Form der Modernisierung nachgeholt. Das ist an den vielen Neugründungen von rechtsextremen Frauenorganisationen zu beobachten. Also stehen Organisationen wie der Ring Nationaler Frauen (RNF) und die Gemeinschaft Deutscher Frauen (GDF) für eine Emanzipationsbewegung? Der RNF bedient sich zwar durchaus Methoden der Frauenbewegung und anderen sozialen Bewegungen und versucht jüngere Frauen für Politik zu begeistern und zu professionalisieren. Von Emanzipation kann aber insofern nicht gesprochen werden, als dass das gesamte Engagement rechtsextremer Frauenorganisation im Kontext einer rassistischen „Volksgemeinschaft“ betrachtet werden muss. Es geht also immer nur um die Interessen der „deutschen“, weißen Frauen Der RNF ist seit diesem jahr eine offizielle Unterorganisation der NPD... … und die NPD hält in ihrem Statut zum RNF ausdrücklich an der „natürlichen Unterschiedlichkeit von Mann und Frau“ fest. Das stimmt. Die Unterschiede zwischen Mann und Frau werden in breiten Teilen der rechtsextremen Szene immer noch biologisiert. Auch der RNF selbst spricht von diesen natürlichen Geschlechterunterschieden, gleichzeitig bedeutet das für den RNF nicht, Frauen von der Politik fernzuhalten. Vielmehr ist es ein zentrales Anliegen des RNF Frauen tatsächlich in politische Ämter zu bringen. Man kann das als „Empowerment“ für nationale Frauen begreifen. Könnte es nicht sein, dass die rechten Frauenorganisationen vor allem einen Propagandazweck der NPD erfüllen, um eine neue Zielgruppe zu erschließen: die moderne, unabhängige junge Frau von heute? Wenn man das auf eine reine Propagandastrategie reduziert, würde man diesen Frauen nicht gerecht werden. Sie wollen schon ein Frauennetzwerk schaffen und sich politisch stärker einmischen. Den Männern der Szene dürfte diese Entwicklung doch eigentlich nicht gefallen? Bisher ist davon wenig zu spüren. Es gibt zwar immer wieder Positionen von Männern, die der Meinung sind, dass Frauen in der Politik nichts zu suchen haben. Aber insgesamt unterstützen die Männer das Engagement der Frauen. Gerade für die Arbeit an Infoständen werden gerne Frauen genommen. Warum spricht der Rechtsextremismus junge Frauen immer stärker an? Es gibt Studien, die besagen, dass Frauen sich früher vor allem aus rassistischen Gründen für Rechtsextremismus interessiert haben. Heute ist alles differenzierter. Die Autonomen Nationalisten kommen ja relativ cool und schick daher. Das erleichtert Frauen den Zugang. Den Stereotyp des „Skingirls“ gibt es also nicht mehr? Es ist heute tatsächlich viel schwieriger, eine rechtsextreme Frau auf der Straße zu erkennen als einen rechtsextremen Mann. Denn die Frauen kommen aus den unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten. Da gibt es zum Beispiel eine Frau Dr. Angelika Willig, die Chefredakteurin bei der Zeitschrift der Jungen Nationaldemokraten Sachsen, „Hier & Jetzt“, ist. Auch sonst haben sehr viele eine qualifizierte Berufsausbildung. Und genau darin sehe ich die Gefahr. Die Gefahr, dass Rechtsextremismus gesellschaftsfähig wird? Wenn man einer Frau ihre politische Einstellung nicht ansieht, kann sie sich in Elternräten, Vereinen und anderen kleineren sozialen Gremien natürlich leichter engagieren. Keiner denkt bei einer sozial kompetenten Frau daran, dass sie aus der rechten Szene kommen könnte. In einem rechtsextremen Internetforum habe ich gelesen, dass eine Frau anderen Müttern den Tipp gab, zunächst einmal eine soziale Beziehung in Elterngremien aufzubauen und erst später nationale Themen konkret anzusprechen. Auch in der Kinderbetreuung können verborgene nationale Inhalte auf spielerische Art und Weise vermittelt werden. Das ist sehr subtil. Gibt es innerhalb der politisch aktiven rechten Szene eine klare Aufgabenverteilung zwischen Mann und Frau? Durch die Konstruktion der rassistischen Volksgemeinschaft ergeben sich männliche und weibliche Bereiche. Die Themenschwerpunkte rechtsextrem aktiver Frauen liegen dabei nicht gerade in der Außenpolitik. Bildung, Erziehung und Kulturpflege stehen stärker im Vordergrund. Auffällig ist, dass für rechtsextreme Frauen der Rassismus gegenüber anderen Frauen ein wichtiges Thema ist. Das Bild der kopftuchtragenden Muslima stellt ein großes Feindbild dar. Treten rechtsextreme Frauen auch gewaltsam in Erscheinung? Der Frauenanteil an rechtsextremen Gewalttaten liegt bei nur etwa zehn Prozent. Dazu muss man aber sagen, dass Frauen ja insgesamt viel seltener die direkte körperliche Konfrontation suchen. Warum sollte das im Rechtsextremismus anders sein? Stattdessen setzen sie sich eher argumentativ dafür ein, dass zum Beispiel der Anteil nicht-deutscher Kinder in Kitas begrenzt werden soll. Wird die Zahl politisch aktiver Frauen aus der rechtsextremen Szene weiter steigen? Die Beantwortung einer solchen Frage kann nur im Spekulativen liegen. Ich schätze die weitere Entwicklung so ein, dass je „normaler“ und anschlussfähiger der Rechtsextremismus sich weiterhin darstellt, umso geringer wird die Hemmschwelle für Frauen sein, sich sichtbar im Rechtsextremismus zu engagieren. Dr. Esther Lehnert ist Mitarbeiterin der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (mbr) in Berlin und Mitglied im Frauenforschungsnetzwerk Frauen und Rechtsextremismus. Foto: AP