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Die Altkleiderdealer

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„Mitumba“ ist Kisuaheli und bedeutet wörtlich übersetzt „Ballen“. In Afrika wird damit eine zusammengepresste Masse aus Altkleidern bezeichnet, die wir Europäer mit dem Verdacht, etwas Gutes zu tun, in den Container geschmissen haben. Die österreichischen Künstler Markus Hafner, Coelestine Engels und Christof Berthold sind den Klamotten, die bei uns keiner mehr anziehen will, nachgereist und haben einen kleinen Teil davon zurückgekauft. In Tansania haben sie Näherinnen engagiert, die die Sachen mit Labels und Logos versehen haben. Die dabei entstandene Mode verkaufen sie jetzt im Zuge einer Ausstellung in Wien. Im Interview erklärt Markus das Projekt mitumBACK.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

jetzt.de: Markus, sind Sie nur den Altkleidern von anderen hinterhergereist, oder auch Ihren eigenen? Markus: Nur denen anderer. Aber eindeutig denen, die aus Europa stammen. Wohin hat euch die Reise geführt? Nach Tansania, weil es eine der ärmsten Wirtschaften auf dem Planeten ist, beziehungsweise dort das Tor nach Ostafrika liegt. Das heißt, viele Kleidungsimporte gehen von dort aus auch in ehemalige Unruhegebiete wie Ruanda, Burundi oder sogar Kenia, weil Dar es Salaam ein großer Hafen ist. Wer betreibt in Tansania das Geschäft mit den Klamotten, die in Europa keiner mehr anziehen will? Das sind meistens freie Händler, die es geschafft haben, das Kapital aufzubringen, um so einen Mitumba-Ballen zu kaufen. Sie müssen einen ganzen Ballen kaufen, wissen allerdings nur ungefähr, was drin ist, müssen also „die Katze im Sack kaufen“. Dadurch kommt auch sehr viel Abfall ins Land.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Blick in die Ausstellung. Sie haben sich dort als Künstler vorgestellt und Ihr Projekt erklärt. Wie waren die Reaktionen? Die Leute dort haben eher einen Business-Zugang gehabt und uns gefragt, ob wir nicht die Leute in Europa davon abbringen würden, die Sachen zu spenden, wenn wir sie darüber aufklären, was später damit passiert? Im Laufe der Recherche haben wir festgestellt, dass es nicht nur für die Leute dort schwierig ist, unser Projekt als Kunst wahrzunehmen. Uns war wichtig, dass wir etwas in Kooperation erarbeiten und nicht das ethnozentrische Bild Afrikas von Europa bestätigen. Wir konnten den lokal beteiligten Näherinnen und Händlern ein Sprachrohr bieten. Wie sind Sie an die Näherinnen herangetreten? Wir haben mit Näherinnen in Singida gearbeitet. Im Gegensatz zu den multinationalen Unternehmen, die Sweatshops betreiben, um Leute in einer Abhängigkeit zu halten, haben wir die Frauen gefragt, was sie sich für einen Preis vorstellen. Es war uns ein wichtiges Anliegen, dass man auf Augenhöhe mit den Leuten kommuniziert. Diesen Respekt haben wir ihnen entgegengebracht, und sie gefragt, was für sie fair ist, um mit ihnen zusammen eine emanzipatorische Strategie der Neuverortung von Ware zu erarbeiten; nicht nur Afrika als Abfalleimer zu sehen, sondern dort auch eine Umarbeitung stattfinden zu lassen. Alle Logos und Labels, die wir dort sticken ließen, und die auf die mitumBACK-Stücke appliziert wurden, wurden durch die künstlerische Aufarbeitung zu Einzelstücken. In der Kunst macht mensch eine Produktion unter dem Aspekt, dass die wahre Exklusivität eben nicht Massenfertigung ist, und dadurch einen neuen Wert kriegt. Durch die Logos und Labels darauf sehen die Sachen jetzt ziemlich gebrandmarkt aus. Wenn mensch das Logo trägt, wird mensch auch gleichzeitig zum Träger der Idee dahinter. Durch Kleider erfolgt ja auch sehr viel Kommunikation. In unserer eigenen Kultur sagen Marken viel über Leute aus, die sie tragen. Das haben wir auch versucht zu hinterfragen. Die Kleider verkaufen Sie im Zuge einer Ausstellung und wollen den Gewinn spenden. Gab es für das ganze Unterfangen eine Anschubfinanzierung? Wir wurden als Kunstprojekt vom Staat Österreich gefördert. Leider haben wir noch keine Gewinne erwirtschaftet, da wir diese als direkte Spende nach Afrika transferieren wollen. Wir können und wollen aber auch kein Business sein. In der Ausstellung stellen wir den Leuten frei, wie viel sie dafür zahlen wollen. Wir haben den Besuchern drei Preisvorgaben gemacht: Den unfairen Preis, in der Richtung „H&M“ und „KiK“. Den von uns errechneten fairen Preis, der in etwa so viel, wie mensch in einem „Adidas“- oder „Nike“-Flagshipstore für ein T-Shirt bezahlt, als 30 bis 40 Euro ausmacht. Und den Kollektionspreis, den bislang leider niemand gezahlt hat. Bei einer Kollektion von 120 Stücken haben wir uns gedacht, dass die Leute eigentlich so viel dafür bezahlen sollten, wie der relationale Preis in Singida (Tansania) beträgt. Damit die Leute hier einfach mal nachvollziehen können, wie teuer diese Stücke dort sind. Mögliche Gewinne wollen wir nach Singida geben, an Schulen zum Beispiel. Jedoch sind die Transportkosten in Relation hoch, das ist ja auch der ursprüngliche Grund dafür, warum dort so ein hoher Preis für diese T-Shirts bezahlt wird. Wie hoch wäre der? Eine Hose wäre relational in Singida bei 1.154 Euro, ein T-Shirt bei 640 Euro, eine Wollmütze bei 76 Euro, eine Jacke oder ein Mantel bei 1.282 Euro. Das wäre der Kollektionspreis gewesen.


Das Projekt ist vorerst beendet - das Arbeitsverhältnis der Näherinnen mit Ihnen war dann ja eher Arbeitsverhältnis. Ja, leider. Wir schauen aber schon, dass das Projekt weitergehen kann und auch international wahrgenommen und ausgestellt wird, da es sich ja um ein globales Anliegen handelt. Damit auch die ganze Kollektion verkauft wird und Folgeprojekte darauf aufbauen können. Glauben Sie, für die Idee gibt es in größerem Rahmen Umsetzungschancen? Ja. Dennoch bleibt die Frage, ob mensch dann nicht auch zum Apologeten dessen wird, was kritisiert sein sollte. Das Business an sich liegt uns ja fern, das wollen wir nicht machen. Uns geht es um das Abbilden des ganzen Prozesses, der mit dem schwammigen Begriff „Globalisierung“ einhergeht, und ums Erfahren, was mit der Kleidung passiert, wenn sie „fertigkonsumiert“ wurde. Dies wurde erweitert um die Rückführung selbiger an den Ort, wo die Reise begann, um so die Kunst als Strategie der Wissensvermittlung zu nutzen, neue Diskurse zu schaffen und die Besucher und Besucherrinnen der Ausstellungen für globale Zusammenhänge zu sensibilisieren, die nicht nur bei Handelsketten existieren, sondern auch bei Diskursen, Konsumverhalten und Trends.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Beim Labelaufnähen. Sie wollen, dass der Erzeuger in Europa auch Endverbraucher wird. Wir wollen einen respektvolleren Umgang mit Ressourcen in ehemaligen Kolonieländern. Es ging uns darum, einen Kreislauf zu schließen. Außerdem haben wir in der Ausstellung auch Zeitfenster aufgetan, mit Stücken, die sich seit 30 Jahren in Transition befinden. Ein Beispiel ist ein T-Shirt, dass für eine nordvietnamesische Fußballmannschaft produziert wurde, dort aber nicht lange blieb und von einem Lager zum nächsten weitergegeben wurde. In der Ausstellung sollte auch ein haptisches Erlebnis präsentiert werden. Und Kleidung ist etwas Haptisches. Du kannst sie berühren und tragen. Sie ist keine Kunst, die unterm Glaskasten liegt. Wenn der von Ihnen angesprochene Kreislauf ideal ablaufen würde, wäre Afrika dann überhaupt ein Teil davon? Immerhin sind die Altkleidermärkte dort Gift für die lokale Bekleidungsindustrie – auch wenn die Klamotten verschenkt werden würden. Im Jahr 2005 lag das Ausmaß des Altkleiderhandels bei einer Milliarde Dollar. Es ist ein wachsender Faktor für einige Volkswirtschaften in Europa und Afrika, beziehungsweise auch in den USA und Südamerika. Außerdem ist es so, dass die schlechteren Stücke am Ende in den verschiedenen Ländern Afrikas landen. Der Aussiebungsprozess findet schon in Europa statt. Im Idealfall würde erstens kein Abfall mehr in Afrika landen, sondern Stücke, die dort wirklich gebraucht werden. Zweitens wäre es wichtig, auch dort eine eigene Industrie und einen eigenständigen Markt aufzubauen. Wenn wir unser Projekt als Business betreiben würden, hätte das sicher negative Folgen für die Umwelt. Wie knapp Ressourcen sind, war beispielsweise in Tansania in der Wüste erfahrbar, wenn mensch keinen Tropfen Wasser hat. Wir mussten nicht hundert Ballen Altkleider zurückholen, sondern nur ausgewählte Stücke, die dann die Kollektion bilden. Haben denn die Beteiligten in Tansania ein echtes Interesse an Ihrer Projekt-Philosophie gezeigt – oder haben sie sich verständlicherweise vor allem gefreut, dass sie Arbeit bekamen? Nach den ersten Hinterfragungen – „ach so, ihr macht gar kein Business, ihr macht Kunst“ -, wurde bemerkt, wie wichtig es ist, das von uns angebotene Sprachrohr auch zu nutzen. In unserer Ausstellung läuft unter anderem ein Video, das Interviews zeigt, die wir vor Ort geführt haben. Darin wird klar, welchen Umgang die Händler mit der Kleidung pflegen. Ein Händler hat uns zum Beispiel gefragt, ob wir Europäer uns überhaupt darüber bewusst wären, was mit diesen Sachen passiere? Oder ob mensch bei uns denkt, er oder sie habe damit allein schon genug Gutes getan, wenn er oder sie die Kleidung in den Container werfe?

Text: erik-brandt-hoege - Fotos: privat

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