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Der Graffitibotschafter
jetzt.de: Julian, was ist eine "Peace Wall"? Julian Vogel: Alle Wände sind nach dem gleichen Prinzip aufgebaut: Im Hintergrund findet sich die blau-weiße Friedenstaube sowie die Landesflagge des jeweiligen Landes. Das Hauptmotiv bezieht sich auf die vorherrschende Situation vor Ort oder die Kultur. Außerdem ist ein Slogan in der Landessprache eingebaut, der sich mit dem Thema Frieden auseinandersetzt. Wie kann solch ein Symbol für Frieden sorgen? Die Friedenstaube ist ein global verständliches Symbol. Dazu kommen die kultur- oder situationsbezogenen Motive, die für die Menschen vor Ort leicht verständlich sind. Durch die Symbol-Synergien ergibt sich eine auf den Ort zugeschnittene Botschaft, die den Menschen helfen soll, sich mit dem Thema Frieden auseinanderzusetzen.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
In Indien Wie war es, als du den Irak besucht und deine erste Peace Wall gemalt hast? Ich hatte ein mulmiges Gefühl, als ich zu Fuß die Grenze überschritt. Schließlich habe ich täglich die Schreckensnachrichten des Krieges verfolgt. Selbst das Auswärtige Amt und die Deutsche Botschaft in Bagdad rieten mir ab, in den Irak zu kommen. Im Notfall „könnten sie mir keinerlei Hilfe gewähren“. Doch ich habe meinem Freund und Begleiter Karwan geglaubt, dass ich bei seiner Familie gut aufgehoben sei und ich mir keine Sorgen zu machen bräuchte. Wie war die Reaktion der Einheimischen auf deine Friedensmalerei? Beeindruckend. Scharen von Kindern kamen aus dem Nachbarsdorf, Reisebusse hielten an, um Fotos von der Wand zu machen. Radio- und Fernsehteams begleiteten meine Arbeit. Es war nicht nur das Bild, das Symbolwert hatte, sondern auch die Wand, die zu einem ehemaligen Palastbau des Diktators Saddam Hussein gehört hat.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
In Irak Du hast schon viele Länder besucht und dort deine Peace Wall verewigt. Nach welchen Kriterien wählst du die Orte aus? Zum Teil sind es Krisengebiete, zum Teil aber auch Kulturhochburgen, soziale Brennpunkte oder einfach Orte des Friedens. Welche Orte haben dich besonders beeindruckt? In Indien habe ich Freundschaft mit Jugendlichen geschlossen, die auf Hausbooten vor meiner Wand gewohnt haben. Sie haben mir Tipps gegeben, wie ich mich zurechtfinden kann. Oft saßen wir am Ufer und haben Erfahrungen und Geschichten aus unseren Kulturen ausgetauscht. In Kingston habe ich einen Jungen namens Richard kennengelernt, der uns später zu sich nach Hause eingeladen hat. Wir haben seine Familie kennengelernt und er hat mir seine Zeichnungen gezeigt. Das besondere war, dass er in einem sehr armen Viertel von Kingston gewohnt hat, das ohne Begleitung nicht von einem Weißen betreten werden konnte. Es war sehr eindrucksvoll zu sehen, wie sich das Leben dort abspielt. Von Martin, dem Sprecher des Bürgermeisters von Gulu/Uganda, habe ich erfahren, was das Leben in einem Bürgerkrieg bedeutet. Er hat von seiner Arbeit während der Unruhen und seinen persönlichen Begegnungen mit dem Rebellenführer erzählt.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
In Uganda
Hast du brenzlige Situationen erlebt?
Natürlich bin ich auch in Situationen gekommen, in denen ich mich unwohl gefühlt habe - wie zum Beispiel beim Grenzübertritt vom Irak in die Türkei, als wir sehr unsanft vom Militär bis auf die Unterhosen gefilzt wurden. Auch in Uganda sind wir gerade noch rechtzeitig an einem Aufstand von Einheimischen durch brennende Barrikaden aus der Stadt gekommen.
Auf deinen Reisen arbeitest du mit regionalen Sprayern zusammen. Wer ist dir besonders in Erinnerung geblieben?
Sehr bewegt hat mich die Zusammenkunft mit INK76, einem New Yorker Graffiti Künstler. Wir haben viele Abende vor einem Benzin-Heizlüfter mit Budweiser verbracht und er hat wahnsinnig viele Geschichten erzählt.
Du finanzierst das Projekt größtenteils über Spenden und reist dabei quer durch die Weltgeschichte. Wurde dir schon vorgeworfen, nur zu reisen und Spaß zu haben? Wo bleibt deine echte Hilfe?
Zwar hat mich dieser Vorwurf noch nicht erreicht, aber ich bin mir bewusst, dass es für einen Außenstehenden den Anschein haben mag, dass ich das Ganze nur „just for fun“ mache. Mir macht die Arbeit wahnsinnig Spaß. Es ist aber auch ein sehr großer finanzieller und zeitlicher Aufwand, da das ganze Projekt momentan eine Ein-Mann-Organisation ist.
Mehr auf www.worldpeacewalls.com
Text: hanna-vandervelden - Fotos: Website