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Dating heißt: Der Mann zahlt
Im Deutschen gibt es nicht einmal ein vernünftiges Wort dafür. Zumindest keines, das sich nicht ein bisschen ironisch-verstaubt anhört. Hof machen? Rendezvous? „Verabredung“ klingt ein wenig nach Geschäftstermin, „ausgeführt werden“ nach Gassi gehen. Wie nennt man es, wenn zwei Menschen, die noch nicht zusammen sind, aber vielleicht auf dem Wege dorthin, sich explizit zu Anbandelungszwecken treffen? Der Prozess des Herumtänzelns umeinander bleibt hierzulande meist ohne Namen oder wird elegant umschifft. Junge und Mädchen „machen was miteinander“ - gehen gemeinsam essen, ins Kino, übernachten beieinander - solange bis sie, schwupps, zusammen sind, oder es „kompliziert“ wird.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Die Amerikaner haben es einfacher, sie haben für den Näherkommungsprozess den Sammelbegriff Date: da bleibt es zwar unklar, was man miteinander unternimmt, der Zweck ist dafür sehr eindeutig. Manchmal leihen auch wir uns dieses Wort aus, natürlich nicht ohne Schmunzeln, weil es ja irgendwie doch ein wenig nach „Grease“ klingt, nach Autokino oder der Prom. Kann das sein, dass wir rhetorische Umwege gehen müssen, weil das sprachliche Loch nur ein Spiegelbild der Realität ist? Dass das Anbandeln bei uns nicht nur subtiler abläuft, sondern auch deshalb ohne Label bleibt, weil das Date als solches keine Tradition hat?
Mal ehrlich, „Hitch, der Datedoktor“ könnte niemals in Deutschland gedreht werden. Und das deutsche Dismissed sah immer auch irgendwie sehr bemüht aus. Aber auch in Amerika, wo das Date zu Hause ist, stirbt diese Kunst aus - zumindest wenn man Laura Sessions-Stepp glaubt, die für die Washington Post und den Aufklärungsblog Sex. Really. schreibt. In ihrem Buch „Unhooked“ schreibt Session-Stepp, dass Dating zunehmend vom hooking-up, dem Abschleppen, abgelöst wird. Session-Stepp findet das Siechen des Dates schade. Wir haben uns von ihr erklären lassen, wo das – amerikanische - Date herkommt, wo es hin geht und ob man beim ersten Date küssen darf.
Was genau ist ein Date und wie macht man das?
Geschichtlich gesehen war ein Date eine Form des Werbens, bei der ein Mann eine Frau fragt, ob sie nicht mit ihm Zeit verbringen will. Meistens ging es darum, etwas außerhalb der eigenen vier Wände zu unternehmen, die Frau dem wachsamen Auge der Eltern zu entführen. Er holte sie ab, brachte sie danach nach Hause und war auch für das Abendprogramm zuständig. Das läuft heute immer noch ungefähr so ab, auch wenn die Regeln viel lockerer sind: Frau kann Mann einladen, Mann kann Mann einladen, man „datet“ online, ohne sich in Fleisch und Blut zu begegnen oder man „speeddated“ in einem Raum voller Fremder. Manchmal fällt auch das Abholen aus und man verabredet sich vor Ort. Man muss auch nicht mehr unbedingt das Haus verlassen. Es ist ziemlich lose geworden.
Woher weiß ich dann, ob ich gerade ein Date habe oder nicht?
So genau kann man das eigentlich nie wissen, es gibt nur Faustregeln: Es ist meistens ein eins-zu-eins-Treffen, das im Voraus geplant ist. Der Hauptunterschied ist das Ziel. Ein Date ist ziemlich fokussiert. Es geht darum, die Frage zu beantworten: Will ich mehr Zeit mit der Person verbringen? Will ich gar eine Beziehung mit ihr anfangen?
Im Urban Dictionary ist das Date auch als „Interview for a lover“ definiert.
Ja, gelegentlich kann sich das wahrscheinlich wie ein Vorstellungsgespräch anfühlen. Man trifft sich, um rauszufinden, ob sich die Person für ein nächstes Date „qualifiziert“.
Eine andere Definition, die ich gefunden habe, war: Der Mann zahlt.
Das ist meistens immer noch, wenn auch nicht mehr zwingend, der Fall. Das Daten kam um 1900 auf, als Frauen wenig bis nichts verdienten. Der Mann hat alle Rechnungen beglichen, dafür „schuldeten“ die Frau ihm ein paar sexuelle Gefallen. Da die Männer alle Kosten trugen, ging die Initiative auch von ihnen aus. Das Mädchen musste auf eine Einladung warten.
Ist das immer noch so?
Und auch wenn das jetzt nicht mehr so strikt gehandhabt wird, ist der Junge meist der Jäger und das Mädchen die Beute. Dass die Herren die Proaktiven sind, war übrigens nicht immer der Fall. Vor der Ära des Datings hatten die Frauen das Sagen. Junge Männer wurden an festgelegten Wochentagen ins Empfangszimmer geladen, wo sie unter mütterlicher Aufsicht der Tochter den Hof machten. Dating kam in der Arbeiterklasse auf, als Antwort auf einengende Lebenssituation. Da es kein Empfangszimmer gab, wurde auf Straßen, Tanzhallen und Bars ausgewichen. Die höheren Schichten fanden Geschmack an der Idee, der elterlichen Aufsicht zu entkommen, so dass sich Dating nach und nach in allen Schichten durchgesetzt hat. Ab 1925 war das dann die gängige Werbungsform. Statt des Empfangszimmers wurden zum Beispiel Autokinos zum Hauptschauplatz des Anbandelns.
Wie soll man sich denn kennenlernen, wenn man im Kino sitzt und schweigt?
Stimmt, da ist was Wahres dran. Aber Filme und Autos haben in der Datingkultur Tradition. Ich vertrete die These, dass das Auto neben der Pille der Hauptmotor der sexuellen Revolution war. Viele vergessen, dass die wilden Sechziger, die freie Liebe, nur an der Ost- und Westküste passierte. Dazwischen, in der Mitte Amerikas, wurde gedated. Und es ist nicht so, dass Hippies den ganzen Spaß hatten. Da in den Vororten jeder auf ein Auto angewiesen war, hatten die jungen Menschen als Nebenwirkung ein bisschen Privatsphäre auf Rädern. Zum ersten Mal in der Geschichte konnten sie vor dem wachsamen Auge der Eltern wegfahren, ins Zweisame und Dunkle.
Jetzt, wo das nicht mehr nötig ist, wird denn überhaupt noch gedated?
Ich fürchte, diese Kunst stirbt aus. Seit den Neunzigern melden Wissenschaftler, dass immer weniger Jugendliche daten – und das unabhängig von Herkunft und Einkommen. Vor 40 Jahren sind 100 Prozent aller Paare durch Dating zusammen gekommen, heute sind es vielleicht die Hälfte. In meinem Buch stelle ich die These auf, dass das Dating zumindest an der Uni vom Hooking-Up abgelöst wird - der viel loseren Beziehungsform, die vom Partyknutschen bis hin zum regelmäßigen Geschlechtsverkehr reichen kann. Viele jungen Menschen wollen das Anstrengende, die emotionale Investition nicht mehr. Hooking-up passt viel besser in ihre Lebensentwürfe.
Wie ist es denn mit dem Körperlichen beim Daten? Gibt es tatsächlich Regeln, wann man was darf? Zum Beispiel beim ersten Date küssen?
Was bei einem Date sexuell läuft, ist heutzutage genauso informell, wie seine Form und der Ort, an dem man sich trifft. Alles geht, sogar Sex beim ersten Treffen. Der Fokus eines Dates ist aber schon eher eine Beziehung oder zumindest romantische Gefühle. Und da gilt es wie überall: Je ernster man es meint, desto sparsamer geht man mit Sex um. Wenn ich schätzen müsste, würde ich sagen, dass es beim dritten, vierten Date körperlicher wird, beim sechsten, siebenten auch mal nackt.
Sie haben gesagt, dass sie der Datingära manchmal hinterher trauern. Aber war die Urform des Dates, das Formelle, nicht ein bisschen vorhersehbar?
Lustig, dass Sie das stört, wo man Deutschland doch nachsagt, so ein geordnetes Land zu sein. Ich persönlich glaube ja: Das Leben ist immer für Überraschungen gut, auch wenn eigentlich ein Script vorgesehen war.
P.S.: Laura Sessions Step wurde auf jetzt.de schon einmal zitiert. Sie hat den Begriff "Gray Rape" geprägt, über den wir mit Sebastian Kempf von Pro Familia gesprochen haben - anlässlich des Textes Vergewaltigung ist so ein hässliches Wort von ein_oxymoron.
Text: wlada-kolosowa - Bild: madochab / photocase.com