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Horrorparty - eine Nacht in Kairo
Man vergisst leicht, dass Feiern nicht immer nur spaßig ist. In dieser Serie erzählen wir deshalb von den schlimmsten Partys, auf denen wir in unserem Leben waren. Viel zu viel Alkohol, grässlich langweilige Verwandte, emotionale Tiefpunkte – es gibt ja viel, das eine Feier vermiesen kann. Falls du selbst von einer schlimmen Party erzählen willst: Schreib uns eine Mail an info@jetzt.de!
Horrorstufe: 7/10
Center of Attention: Ein knutschendes Paar
Trinkverhalten: Was kostet die Welt?
Berlin liegt mitten in Kairo. Zumindest in dieser Nacht, auf dieser Party. Der Taxifahrer setzt mich am Eingang eines Hochhauses ab und da stehen sie schon: Die Frauen mit Piercings und bauchfreiem Top, die Männer mit Ohrringen und tätowierten Unterarmen. Ich stell mich geduldig in die Schlange – auch das kenn ich ja schon aus Berlin – und zahle an der Kasse den Eintritt von 400 ägyptischen Pfund. Das sind umgerechnet rund 22 Euro. Dafür kann man in einem normalen Restaurant sieben Mal Essen gehen. Aber was soll's – der DJ ist extra aus Berlin eingeflogen und der Dancefloor befindet sich auf dem Dach. Das will ich nicht verpassen.
Eigentlich war ich für ein halbes Jahr nach Kairo gezogen, um dort Arabisch zu lernen und wie ein ganz normaler Ägypter zu leben. Ich zog in eine WG in Downtown Kairo und hing jeden Tag mit meinem ägyptischen Mitbewohner ab. Wir rauchten Schischa, tranken Bier und diskutierten über Politik. Draußen hupten die Autos, drinnen machte uns die Mittagshitze träge. Mir gefiel mein neues Leben, mir schmeckte die Falafel auf der Straße und der überzuckerte Tee im Café. Ich vermisste nur eine Sache: nachts Party machen. Und dort mit Frauen flirten. Denn das war im normalen Kairoer Alltag nicht so leicht möglich. Nach einem Monat lud mich eine deutsche Freundin zu einer Rooftop-Party ein. Mit einem DJ, der normalerweise im Berghain auflegt. Es klang nach einer vielversprechenden Nacht.
An diesem Ort scheint alles möglich, was im normalen Ägypten in der Öffentlichkeit verpönt ist
Die Rooftop-Party ist in einem alten, leerstehenden Hotel. Nachdem ich den Eintritt bezahlt habe, steige ich in den Aufzug ein – und in einer anderen Welt wieder aus. In dieser Welt tanzen hippe Menschen zu Minimal Techno, es gibt Bier und einen imposanten Blick auf Kairo. Ich nehme einen großen Schluck von der Flasche Heineken (6 Euro), die mir meine deutsche Freundin zur Begrüßung in die Hand gedrückt hat, und genieße den Ausblick. Der Kontrast könnte größer nicht sein: Unter mir kämpfen sich Frauen mit Kopftuch und Männer in abgetragenen Jacketts durch die Mega-City; hier oben trägt niemand Kopftuch oder Jackett, dafür fast jeder schwarze Boots und ein Lächeln im Gesicht. Dort unten ist Alkohol verpönt, hier oben fließt er literweise. Das fühlt sich alles irgendwie falsch an. Und ist doch so befreiend.
Es ist ein elitärer Kreis: Die Feiernden haben entweder Geld, oder einen besonders coolen Insta-Auftritt, ein Drittel kommt wie ich aus Europa oder Nordamerika. An diesem Ort scheint alles möglich, was im normalen Ägypten in der Öffentlichkeit verpönt ist: Alkohol trinken, Drogen nehmen, als Mann mit einem Mann flirten. Nur Rumknutschen ist auch hier nicht gern gesehen, wie auf den meisten Partys in Ägypten. Aber das ist zu verkraften. Ich bestelle das zweite Bier. Die Party kann beginnen!
Zwei Stunden und drei Bier später tanze ich in der Menschenmenge.Es fühlt sich an wie ein Party in Deutschland. Nur dass sie über den Dächern von Kairo stattfindet, es nachts im Oktober noch immer 25 Grad hat – und wir Tanzenden von grimmig guckenden Securitys gemustert werden. Ich versuch die Blicke zu ignorieren und schaue zu Salma, einer Ägypterin, die neben mir tanzt. Salma hat lange, dunkle Haare und ein breites Lächeln. Ich lächele zurück. Ein paar Sekunden später kommen wir ins Gespräch. Weil es laut ist, verstehe ich nur die Hälfte – und doch alles, was sie sagt. Nach zehn Minuten nimmt Salma meine Hand: Come with me!
Im nächsten Moment höre ich ein Klatschen und spüre einen stechenden Schmerz im Nacken
Sie führt mich durch die Menge. Je enger es wird, desto fester wird ihr Händedruck. Wir gehen durch eine Tür und bleiben vor einem Treppengeländer stehen. Hier sind wir alleine. Erst jetzt merke ich, wie betrunken Salma ist. Im nächsten Moment spüre ich ihre Zunge in meinem Mund. „Das ist doch verboten!“, denkt der brave Bürgerin mir. Ich küsse sie zurück. Im nächsten Moment höre ich ein Klatschen und spüre einen stechenden Schmerz im Nacken. Ich drehe mich um. Vor mir steht ein Sicherheitsmann. Er hat mir eine Nackenschlag verpasst. Der Mann packt Salma am Arm und zieht sie aus dem Raum. Ich laufe hinterher, leise protestierend und völlig überfordert mit der Situation.
Sekunden später sind wir wieder auf dem Dancefloor. Der Sicherheitsmann ist nicht mehr zu sehen, als hätte er sich in Luft aufgelöst. Wir schauen uns an. „Weiß du, wie der Mann aussah?“, fragt mich Salma auf Englisch. Ich weiß es nicht. Dafür ging alles viel zu schnell. Ich bin wütend auf den Mann und fühle mich schlecht, weil ich Salma nicht helfen konnte. Sie sieht geschockt aus, wirkt jetzt gar nicht mehr betrunken. Kurze Zeit später verabschiedet sie sich. Wir werden uns nicht mehr wiedersehen. Ich bleib noch ein bisschen. Aber in Gedanken bin ich bei dem Kuss am Treppengelände. Ich fühle mich, als hätte ich etwas falsch gemacht. Vielleicht hab ich das auch: Ich hab Kairo mit Berlin verwechselt. Und das mit einer Nackenschelle bezahlt.