Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Horror-Party: Nüchtern auf der Abrissparty

Es sollte eine ganz normale Partynacht werden – doch dann kam alles anders.
Illustration: Daniela Rudolf-Lübke

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Man vergisst leicht, dass Feiern nicht immer nur spaßig ist. In dieser Serie erzählen wir deshalb von den schlimmsten Partys, auf denen wir in unserem Leben waren. Viel zu viel Alkohol, grässlich langweilige Verwandte, emotionale Tiefpunkte – es gibt ja viel, das eine Feier vermiesen kann. Falls du selbst von einer schlimmen Party erzählen willst: Schreib uns eine Mail an info@jetzt.de!

Horrorstufe: 7/10

Center of Attention: Verwüstete Hotelzimmer

Trinkverhalten: Stilles Wasser

Wenn man Abrissparty hört, denkt man vermutlich erstmal an Feierexzesse wie im Film „Project-X“: Dichte, druffe Leute, die in Abwesenheit der Eltern das Haus komplett zerlegen, das Auto im Pool versenken und einfach jegliches Schamgefühl betäubt haben. Einfach eine richtig krasse Party. Und tatsächlich: Auf der echten Abrissparty war es dann auch für mich krass. Krass anstrengend. 

Zwar war es keine verbotene Hausparty, sondern eine Abrissparty in einem zur Feierlocation umgebauten ehemaligen Hotel. Das sollte an diesem Abend seine letzte wilde Nacht erleben, bevor es in die goldenen Hände der Gentrifizierung fiel. Das Fremdscham-Level aber war das gleiche. Ja, so ein Abend voller Saufgeschichten und draufgängerischen Abenteuern kann ab und zu ganz schön sein. Aber eines, das hatte ich ganz vergessen, ist dafür manchmal elementar: Man sollte zumindest ansatzweise so betrunken sein, wie die anderen.  Denn der Ursprung des Exzesses ist ja irgendwie der Rausch. Dem Alkohol aber habe ich schon zwei Jahre zuvor entsagt.

Wir sind zu sechst unterwegs und treffen uns vor dem Eingang des Hotels. Alle sind bester Laune, verkleidet und jetzt schon super betrunken – außer natürlich ich. In meinem Elfenkostüm stehe ich mit einem Wasser in der Hand daneben, während die anderen in der Schlange noch schnell ihren Weißwein exen. Macht mir aber nichts aus, denn ich habe schon eine Menge alkoholfreie Party-Erfahrung, mit viel Spaß. Normalerweise.

Ein fremder Mann haut mir auf den Po und grinst mir dämlich entgegen. Bevor ich etwas sagen kann, trennt uns die nächste Welle von Durstigen

Endlich reingekommen, wird eines klar: Es ist voll, überall  Menschenmassen, die sich über die Tanzfläche schieben. Wer an die Bar will, muss sich durchdrücken. So weit, so bekannt. Also zwänge ich mich durch, Zentimeter für Zentimeter, für ein Glas Wasser. *Klatsch* – ein fremder Mann haut mir auf den Po und grinst mir dämlich entgegen. Bevor ich etwas sagen kann, trennt uns die nächste Welle von Durstigen.

Und so bleibt es auch: Ich fühle mich absolut fehl am Platz, von Minute zu Minute werde ich gestresster. Wegen den anderen Partygästen – und meinen Freund:innen, die ich permanent davon abhalten muss, peinliche Posts in den sozialen Medien zu verfassen oder betrunkene Nachrichten an ihre Ex-Partner:innen zu schicken. 

Vielleicht ist es ja woanders besser. Mit meiner Freundin Sophie an der Hand erkunde ich die anderen Stockwerke des Hotels. Den Rest der Gruppe haben wir bereits verloren. Dafür begegnen wir neuen Menschen, die schon kräftig dabei sind das Hotel zu zerlegen. Da werden Stühle umgeschmissen und Gardinen heruntergerissen. Muss ich Angst haben, dass sich die Menschen auch gegenseitig angreifen? Sophie und ich sind nicht so destruktiv drauf – das haben wir einfach nicht erwartet. Wo ist unsere 08/15 Party-Abend?

Ich schaue mich um und entdecke eine Frau, die gerade in die Dusche pinkelt. Zwei Meter neben ihr ein zertrümmertes Klo.

Feiern kann man aber auch: Viele Hotelzimmer sind offen und in unterschiedliche Areas unterteilt: Reggaeton, Mainstream, Techno und Latino. Im Hip-Hop-Zimmer, das wir nicht durch, sondern über die Tür – irgendjemand hatte sie aus ausgehängt – betreten, fängt Sophie sofort an, ihre coolsten Moves zu zeigen. Tanzen, daran habe ich gar nicht gedacht. Das geht doch viel einfacher mit ein bisschen Alkohol. So ganz nüchtern sind die Hüften dann doch etwas steif. 

Um der Situation zu entkommen, flüchte ich ins Badezimmer. „Hey, verpiss dich!“ schreit mir eine Stimme entgegen. Ich schaue mich um und entdecke eine Frau, die gerade in die Dusche pinkelt. Zwei Meter neben ihr ein zertrümmertes Klo. Trotz aller Abrissparty-Stimmung doch irgendwie überraschend. Und zwar nicht die gute Art von Überraschung. 

Weil ich der Frau nicht nochmal über den Weg laufen will und auch keine Lust mehr habe, mich zum Tanzen zu zwingen, schnappe ich mir meine Freundin und schleppe sie in ein Zimmer mit ruhigerer Musik. 

Einfach mal kurz durchatmen, auf eins der Betten setzen, unterhalten. Selbst das ist schwierig. Denn Sophie ist mittlerweile so betrunken, dass sie nur lallt, mir um den Hals fällt und mir ihre Liebe gesteht. Was ja eigentlich ganz süß ist. So süß sogar, dass ich erst einmal überhaupt nicht mitbekomme, dass wir nicht alleine sind. Gut, die anderen haben sich auch Mühe gegeben, dass wir sie nicht bemerken. Bis einer jungen Frau dann doch ein spitzes Stöhnen entweicht. Zwei Partygäste haben entschieden, das Bett neben uns zum Liebesnest zu erklären. Als das Stöhnen dann langsam zum Beat unter Sophies Gelalle wird, ist meine nüchternheitsbedingte Toleranzgrenze erreicht.

Mit Sophie an der Hand laufe ich vorbei an kaputten Sofas und eingeschlagenen Glasscheiben, über alkoholgetränkte Teppiche Richtung Ausgang. Vor der Tür erlebe ich dann doch noch einen kurzen Rausch-Moment, als sich meine Lungen mit frischer, kalter Herbstluft füllen – und ich meinen Halloween-Horror langsam ausatme. 

  • teilen
  • schließen