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„Noch mehr Internetmenschen, mit denen man diskutieren muss?“

Ob sie die App im deutschen Raum durchsetzen kann, muss sich noch zeigen.
Foto: Christoph Dernbach / dpa; Bearbeitung: jetzt

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Es ist Januar 2021, die Clubs sind schon seit Monaten geschlossen. Inmitten der Corona-Pandemie ist die härteste Tür jetzt nicht mehr irgendein massiger Dude, sondern: die neue App „Clubhouse“. Der Zugang zu der Social-Media-Plattform funktioniert nämlich nach dem Prinzip der künstlichen Verknappung: Nur wer eine Einladung bekommt, erhält Zutritt. Ein im Grunde altes Prinzip, mit dem schon Facebook damals anfing. Auf der Startseite von Clubhouse wird dieses Auswahlverfahren damit begründet, dass die App noch nicht ganz bereit für den offiziellen Launch sei: „Während wir die Feinarbeit machen, fügen wir die Leute nach und nach hinzu, um sicherzugehen, dass nichts kaputt geht“, heißt es – Zwinkersmiley. 

Einladungen gibt es mittlerweile sogar bei Ebay-Kleinanzeigen zu kaufen

Marketingtechnisch scheint das zu funktionieren, der Hype ist seit vergangenem Wochenende auch in Deutschland angekommen – Einladungen gibt es mittlerweile sogar bei Ebay-Kleinanzeigen zu kaufen. Und: Clubhouse hat nun sogar den Messengerdienst Telegram von Platz zwei der Top-Listen der Downloads im App-Store verdrängt. Die Vor- und Nachteile der mysteriösen App werden nun heftig diskutiert – vor allem auf einer anderen Plattform: Twitter. Dort trendet der Hashtag #Clubhouse noch immer.

In erster Linie soll „Clubhouse“ eine Plattform für sozialen Austausch und Networking sein: Nutzer*innen können Live-Audio-Talks zu verschiedenen Themen anbieten und daran teilnehmen. Es gibt verschiedene Rollen: Hörer*innen, Sprecher*innen und Moderator*innen. Die Plattform funktioniert also so ähnlich wie kleine Telefonkonferenzen oder Live-Podcasts mit Publikum. Nachdem sie anfangs vor allem Venture Capitalists (Investoren in Wagniskapital) genutzt haben, scheinen die Nutzer*innen derzeit in Deutschland vor allem Menschen aus der Medien-Bubble zu sein – und Politiker*innen.

Am Sonntag beteiligte sich beispielsweise FDP-Parteichef Christian Lindner an einer Gesprächsrunde namens „Hauptstadtgeflüster“. Und Aminata Touré (Die Grünen) tauschte sich im „Black Talks Germany Room“ mit Nutzer*innen über das Schwarzsein aus. „Fand es gerade sehr schön“, resümierte sie später auf Twitter. 

„Noch mehr Internetmenschen, mit denen man diskutieren muss?“

Andere können sich mit der App noch nicht so ganz anfreunden und wittern Gag-Potential: „noch mehr internetmenschen, mit denen man diskutieren muss? #clubhouse klingt nach einem absoluten albtraum“, schrieb Journalistin Lisa Ludwig. Und Politikerin Katarina Barley äußerte die Vermutung, der Erfolg des All-Audio-Konzepts der App hänge vor allem mit dem Lockdown zusammen: weil die Friseur-Salons seit Wochen geschlossen haben. 

Comedian Aurel Mertz fand sein erstes Clubhouse-Erlebnis auch eher seltsam bis belustigend. Er twitterte, dass er keine Ahnung habe, was das gewesen sein soll: „voll viele von euch waren da und haben so ganz seriös diskutiert als ginge es wirklich um was und als wären wir nicht einfach nur Clowns die einen auf intellektuell machen. Ich leg mich kurz hin.“ Den Eindruck, dass es bei Clubhouse nur um elitäres Business-Posing geht, scheint auch Moderator Micky Beisenherz zu haben: „wenn ich zwei Wichtigtuern beim Businessgesabbel zuhören will, kann ich doch auch ICE fahren!“ 

Kritisiert werden Datenschutz, Exklusivität und mangelnde Diversität

Es gibt allerdings auch schon ernste Kritik an Clubhouse: Neben fragwürdigen Datenschutz-Einstellungen (die App hat Zugriff auf die im Handy gespeicherten Kontakte und zeichnet alle Gespräche auf, angeblich um Hate Speech zu moderieren) wird vor allem die Exklusivität und mangelnde Diversität kritisiert. Zum einen bezieht sich diese Kritik auf den Ausschluss all jener, die keine Einladung bekommen – oder ein Handy mit Android-Betriebssystem haben. Die App gibt es nämlich nur für Iphones. Und es ist derzeit noch unklar, ob sich das mit der Weiterentwicklung der App ändern soll: 

Zum anderen wird auch der Ausschluss gehörloser Menschen kritisiert. Die können an einer Audio-Gesprächs-App ohne Maßnahmen für Barrierefreiheit nämlich nicht teilnehmen:

Autorin Jasmin Schreiber schreibt auf Twitter, sie habe eine „Clubhouse“-Einladung abgelehnt. Als Begründung postete sie die Rezension der App, die Marketing-Expertin Maggie Tyson auf Instagram veröffentlicht hat. Neben den positiven Aspekten listete sie darin auch die negativen auf, die aus ihrer Sicht überwiegen. Allem voran die teils rassistischen, misogynen, LGBTQ*-feindlichen und antisemitischen Inhalte. In den USA, wo die App vergangenen Sommer viral ging, ist dieses Problem schon länger bekannt. In einem Artikel für Vanity Fair vom Dezember 2020 hat die Journalistin Tatiana Walk-Morris bereits zahlreiche solcher Vorfälle bei Clubhouse beschrieben. Und schon im September twitterte die Unternehmerin Sarah Mauskopf: „Es gibt einen Clubhouse-Raum, in dem tatsächlich ein paar Leute darüber diskutieren, warum es okay ist, Juden zu hassen. Ich habe erst mal genug von der App.“ 

fsk

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