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Interview mit der Neonazi-Aussteiger-Initiative Exit
Alle reden über "die Rechten". Aber was ist heute eigentlich "rechts"? Und wann müssen wir etwas dagegen tun? Wir suchen in dieser Serie nach Antworten.
Sie kämpfen mit smarten Kampagnen gegen Rechts: Das Zentrum für demokratische Kultur (ZDK) und Exit, die bekannteste Initiative für Neonazi-Aussteiger. Ihre Aktion #rechtsgegenrechts verwandelte 2014 einen Neonazi-Aufmarsch in einen unfreiwilligen Spendenlauf, indem pro von Neonazis gelaufenem Meter ein Euro an Exit gespendet wurde. Bei #hasshilft, einer Kooperation mit dem Fernsehsender Sky und Facebook, floss für jeden gemeldeten Hass-Kommentar ein Euro an Flüchtlingsinitiativen. Fabian Wichmann vom ZDK erklärt, wie diese kreativen Ansätze funktionieren.
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jetzt: Ihre Aktionen sind klassisches Fundraising – mit einem gewissen Bonus. Richtig?
Fabian Wichmann: Nach #rechtsgegenrechts rief mich ein Fundraiser an. Der meinte, wir hätten das Fundraising revolutioniert. Ich kannte den Begriff damals gar nicht. Das war jedenfalls nicht unsere Absicht.
Sondern?
Die Idee war: Wir setzen der Inszenierung der Rechten eine eigene starke Erzählung entgegen. Und konterkarieren deren ursprüngliches Vorhaben des Heldengedenkens. Diese andere Erzählung muss aber so groß und stark sein, dass sie deren Botschaft überschattet. Und ohne Spenden ist dieses Signal nicht stark genug.
Wie sind Sie darauf gekommen?
Nach einer Aktion 2011, als wir auf einem Rechtsrock-Festival T-Shirts an Neonazis verteilt haben, auf denen nach dem Waschen stand: "Auch Du kannst Dich ändern." Nach diesem trojanischen Pferd hatten wir überlegt, was wir gegen diese ganze martialische Show der Neonazis aufbieten können.
"Neulich haben wir Geld für die Entfernung von rechtsradikalen Tattoos gesammelt – und jetzt wirklich Hakenkreuze von Körpern lasern lassen."
"Die Neonazis waren überrascht und fühlten sich vorgeführt und unwohl", schreiben Sie auf der Kampagnenseite von #rechtsgegenrechts. Sind die Rechtsradikalen auch Zielgruppe der Kampagnen?
Zuerst wenden wir uns damit an die Gesellschaft an sich und die Zivilgesellschaft vor Ort. Aber natürlich suchen wir den Kontakt zu unserer eigentlichen Zielgruppe: mögliche Aussteiger. Exit muss sehr präsent sein, denn wir sprechen niemanden an, sondern warten auf deren Initiative. Manche trauen sich erst Jahre später, zu uns zu kommen. Aber: Durch die Spenden werden die Marschierer auf eine Art verantwortlich gemacht für das eigene Tun. Sie bewirken konkret etwas. Nur eben das Gegenteil dessen, was sie wollten.
Passiert mit diesem Geld auch etwas Spürbares?
Bei einem anderen Neonazi-Marsch neulich haben wir Geld für die Entfernung von rechtsradikalen Tattoos gesammelt. Wir haben jetzt erste Hakenkreuze von Körpern lasern lassen. Wenn Neonazis dort nicht gelaufen wären, hätte niemand gespendet. Dann gäbe es diese Tattoos noch. Das ist eine direkte, sichtbare Wirkung.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Steigt die Gefahr von Rechts?
Vor allem werden die Begriffe immer verwirrender. Pegida beispielsweise wird einerseits verharmlosend als "asylkritisch" bezeichnet. Oder eben gleich als "Nazis" oder "Rechtsextreme". Da fehlt Differenzierung, auch zwischen Organisatoren und Gruppe. Das wird alles zu einem braunen Brei zusammengeworfen. Dabei haben die teilweise ähnliche Positionen wie die CDU. Das Label "rechtsextrem" ist gefährlich, denn früher oder später werden sich Leute, die man so nennt, auch diese Clubjacke anziehen. Deswegen machen wir auch nichts gegen Pegida. Man würde damit "echte" Rechtsextreme relativieren.
Aber online kann man eigentlich bürgerliche Gruppen kaum von Rechtsextremen unterscheiden.
Deshalb haben wir mit #hasshilft zwei Missstände zusammengeführt: Den unverhohlenen Hass auf Flüchtlinge bei Facebook und die schlechten Zustände in Flüchtlingsheimen. Wer hetzt, spendet.
Was bringt das außer Geld?
Damit gibt man einerseits dem Nutzer die Möglichkeit, etwas gegen Hetze zu tun, nämlich damit sogar eine Spende zu generieren. Dann hat man immerhin das Gefühl, etwas Gutes getan zu haben. Und natürlich schaffen wir neben der praktischen Hilfe auch Aufmerksamkeit auf das Problem der Hasskommentare an sich.
"Wenn jemand etwas von 'ab in die Gaskammer' faselt, muss er mit den Konsequenzen leben."
Empfinden das die Gemeldeten nicht als Zensur?
Zum Teil handelt es sich dabei um strafrechtliche Inhalte, dass zu
ahnden ist die Aufgabe von Facebook und den Strafverfolgungsbehörden.
Wir schaffen sogar eher eine Bühne oder einen anonymen Hass-Pranger, weil wir Screenshots nochmals veröffentlichen. Wenn jemand aber etwas von "ab in die Gaskammer" faselt, muss er mit den Konsequenzen leben.
Treibt man die Leute mit diesem Pranger nicht noch weiter weg von einer vernünftigen Auseinandersetzung?
Die meisten wissen ganz genau, was sie da posten. Die reagieren auch nicht mehr auf uns. Manche Administratoren oder Nutzer löschen ihren Kommentar, um nicht stigmatisiert zu werden. Andere beschimpfen uns. Und nur sehr selten entschuldigt sich jemand.
Aber Sie erklären nicht, was an dem Kommentar schlimm ist?
Nein. Wir schauen genau hin, ob der Kommentar Hetze ist. Aber wir glauben nicht, dass man dem User noch erklären muss, warum das mit den Gaskammern jetzt nicht so geschickt ausgedrückt war. Es gibt einen Euro. Und gut ist.