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"Reden ist mit den meisten sinnlos"

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Alle reden über "die Rechten".  Aber was ist heute eigentlich "rechts"? Und wann müssen wir etwas dagegen tun? Wir suchen in dieser Serie nach Antworten.  

Peter von antifa nt München heißt gar nicht Peter. Den echten Namen des Endzwanzigers soll niemand wissen. Peter ist auch weder Sprecher noch sonst etwas Offizielles bei der Münchner Antifa. Die Gruppe hat basisdemokratisch einen von ihnen ausgewählt, der für sie sprechen kann. Die Fragen hat die Gruppe vorab diskutiert und eine Haltung dazu beschlossen, die Peter hier vertritt. 

jetzt: Warum ist die neue Rechte momentan so gefährlich?

 

Peter: Von Neonazis über Antifeministen und Verschwörungstheoretiker, von pro-monarchischen Freaks bis zu lokal engagierten Rassisten, die gegen den Bau eines Flüchtlingsheimes sind: Leute, die früher für sich blieben, vereinigen sich. Pegida oder auch die AfD haben es geschafft, verschiedene Milieus und Gruppen zu versammeln. Sie bilden eine breite Front von rechts bis rechtsradikal. Bei den Pegida-Märschen in München sind immer Neonazis am Start. Und auch die AfD bedient ein breites Spektrum, mindestens mit einer Nähe zu neonazistischen Milieus.

"Eine gewisse Form der Militanz ist notwendig"

Was macht Ihr dagegen?

Vor allem mobilisieren wir gegen Neonazi-Aufmärsche und -Demos. Wir recherchieren auch deren Strukturen: Was nutzen die für Kneipen, wo treffen die sich? Wo treten rechte Schmierereien auf? Grundsätzlich versuchen wir zu zeigen, wo es Probleme mit Nazis gibt. Aber konkrete Gegenaktionen auf der Straße stehen im Vordergrund. Weil auch deren Präsenz steigt. Früher gab es pro Jahr zwei, drei große Aufmärsche in München. Inzwischen setzen alle rechten Gruppierungen, auch AfD und Pegida, auf Quantität.

Wie wählt Ihr Eure Mittel?

Das kommt auf den Einzelfall an. Demos und Aktionen aller Art. Wir glauben, dass eine gewisse Form der Militanz manchmal notwendig ist. Aber niemals als Selbstzweck. 

Lehnst Du Gewalt denn grundsätzlich ab? AfDler wurden im Wahlkampf mehrmals körperlich attackiert. Vermutlich von Linksradikalen.

Das ist schwer (überlegt lange). Ein offensives Vorgehen finde ich sehr richtig. Selbstverteidigung sowieso. Aber Leute einfach körperlich angreifen, das bringt eher nichts. Es ist ohnehin falsch und ein Klischee, dass linksradikale Praxis im Wesentlichen in Gewalt bestehe.

Muss man sich als guter Demokrat also manchmal über die Regeln der Demokratie hinweg setzen?

Wir begehen höchstens mal eine Ordnungswidrigkeit. Falschparken tut auch jeder mal. 

Ihr brecht bewusst Regeln, seien sie auch noch so klein, damit die großen Regeln besser funktionieren?

Vielleicht. Wenn man sich soziale Bewegungen anschaut, funktionieren die immer über sozialen Ungehorsam. Die Anti-Atombewegung hat die Bundesrepublik stark geprägt. Da wurden auch Castor-Transporte blockiert. Obwohl man das nicht durfte. Und unsere Position dazu ist bis in die SPD hinein mehrheitsfähig. Sogar der damalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse hat gegen Nazis mit einer Sitzblockade protestiert. 

Was bringt das?

In anderen europäischen Ländern gibt es schon lange diese rechtspopulistischen Parteien, die FPÖ in Österreich, der Front National in Frankreich. Dass die AfD nicht schon vor 15 Jahren aufkam, liegt an antifaschistischer Arbeit.

Nicht eher daran, dass die bürgerlichen Parteien nach links gerückt sind?

Daran glaube ich nicht. Eher gab es einen generellen Rechtsruck. 

"Man darf nicht blind werden für die Unterschiede"

Wer ist für Euch genau der Feind?

Wir haben keine militaristische Freund-Feind-Logik. Wir sind nicht nur Antifaschisten, wir möchten die Gesellschaft auch positiv gestalten. Wir sind zum Beispiel für globale Bewegungsfreiheit, gegen jedes Grenzregime. Deshalb begreifen wir als politische Gegner – von AfD über Pegida bis zu klassischen Neonazis – wer auch immer gegen eine offene, solidarische Gesellschaft ist. 

Ist das alles die "eine braune Soße"?

Man darf nicht blind werden für die Unterschiede. Aber zumindest rhetorisch verstärken die Rechten und Rechtsradikalen sich gegenseitig, bis hin zur CSU. Was Joachim Herrmann oder Horst Seehofer so erzählen, wäre bis vor ein paar Jahren der Wortschatz einer neonazistischen Rechten gewesen. Und die AfD tritt zum Teil schärfer und verbal gewalttätiger auf, als die NPD es jemals gemacht hat. Weil sie als Partei noch keine staatliche Repression erfahren hat. 

Aber die AfD ist doch bürgerlicher als die NPD?

Das scheint nur so. Eine "Schießbefehl"-Äußerung hätte der NPD vor drei Jahren noch massive Probleme mit der Staatsanwaltschaft eingebracht. Das ist ein Zeichen für eine Verschiebung des Diskurses nach rechts. Und das zeigt auch, warum die AfD momentan die gefährlichste Gruppe ist: Sie verbindet eine inhaltliche Radikalität mit einer breiten Mobilisierung. 

Wenn Ihr versucht, AfDler daran zu hindern, eine Veranstaltung zu besuchen oder durchzuführen, hat das welche politische Botschaft?

Wir glauben, dass es Positionen gibt, ob in der AfD oder bei neonazistischen Gruppen, die jenseits dessen stehen, was in einer demokratischen Auseinandersetzung tolerierbar ist. Darunter sind auch Versuche, demokratisches Zusammenleben zu verhindern. Wir glauben, dass es richtig und wichtig ist, sich dagegen zu stellen. Das bedeutet mitunter auch, Veranstaltungen zu verhindern. Polizei und Staatsanwaltschaft mögen solche Aktionen zivilen Ungehorsams nicht immer für legal halten, wir halten sie allerdings für legitim. Und wir reflektieren sehr stark darüber. Wir handeln nie blind. 

Das bedeutet, dass Ihr den staatlichen Stellen, die für den Schutz der Demokratie zuständig sind, das nicht zutraut.

Ja. Diese Behörden, etwa der Verfassungsschutz, haben der deutschen Rechten noch nie geschadet. Die Polizei hat massive Probleme, unter anderem mit strukturellem Rassismus. Was diese Behörde wiederum unfähig macht, rassistische Gewalt zu verhindern. 

Ein heftiges Urteil.

Das sieht man allein an der Welle von rassistischen Brandanschlägen gegen Flüchtlingsheime, die oft nicht einmal als solche erkannt werden. Deswegen beinhaltet eine emanzipatorische Gesellschaft für uns auch, dass Antifaschismus nicht den staatlichen Stellen überlassen werden. Sondern dass es ein breites Engagement gibt. Nur so wird das, was wir „radikale Demokratie nennen“, möglich: eine Gesellschaft ohne ökonomische Verwertungszwänge oder Ausschlüsse von Menschen ohne deutschen Pass.

Dürfen die Rechten nach dieser Argumentation auch ein bisschen die Regeln brechen? Die denken ja auch, sie hätten einen wichtigen gesellschaftlichen Auftrag.

Nein. Es gibt objektive, qualitative Kriterien, an denen wir uns messen lassen. Wir sind gegen Rassismus, Sexismus und andere Ausgrenzung. Die Rechten hingegen treten für eine barbarische Gesellschaft ein, die Menschen an den EU-Außengrenzen verrecken lassen will.

"Sie verbreiten systematisch Angst"

 

Aber bewirken Eure Aktionen nicht das Gegenteil? Was bringt es beispielsweise, junge AfDler einzuschüchtern, die sich dann als arme Opfer fühlen können?

 

Ein wesentlicher Teil der rhetorischen Strategie dieser Bewegungen ist, sich als Opfer zu inszenieren. Das kann man entlarven. Denn ihre Politik besteht aus massiver Hetze gegen Flüchtlinge und Schwule und Lesben. Die Rechten wollen Menschen im Mittelmeer ersaufen lassen. Sie verbreiten systematisch Angst. Wir hingegen wollen eine Gesellschaft, in der kein Mensch Angst haben muss. Da ist ein kleiner Schrecken, den man ein paar AfD-Strebern manchmal einjagt, verschmerzbar. 

 

Gibt man ihrer Märtyrerstory damit nicht eher mehr Gewicht?

 

Was ist die Alternative? Nicht mehr gegen extrem gewaltvolle, gewaltfördernde Hetze vorzugehen? 

 

Sprecht Ihr mit den Rechten überhaupt noch?

 

Unsere politische Arbeit will denen nicht sozialpädagogisch erklären, dass Flüchtlinge ja doch ganz nett seien. Sondern ihre Positionen marginalisieren und skandalisieren. Ich finde Aussteiger-Programme natürlich wichtig. Jeder Rechte, der seine Position aufgibt, ist gut. Aber Reden ist mit den meisten einfach sinnlos. 

 

Kann man sie denn irgendwie überzeugen?

 

Zuerst darf man sie nicht für dumm halten. Die Gleichung doof gleich AfD und klug gleich Antifa, die geht nicht auf. Stattdessen brauchen wir ein gesellschaftliches Gegenmodell. Das können die Rechten nämlich momentan anbieten. Auch wenn es eine furchtbare Vorstellung ist, in einer abgeschotteten Gesellschaft zu leben. Aber mit Asylrechtsverschärfungen auf Anschläge zu reagieren, ist genau der falsche Weg. 

 

Was sollte die Politik denn tun?

 

Man könnte ganz praktische Maßnahmen treffen gegen rechte Gewalt. Beispielsweise liegen die meisten Flüchtlingsunterkünfte verlassen im Nirgendwo. Und damit für Nazis auf dem Servierteller. Das könnte man ändern.

 

 

Als Teil der bundesweiten Antifa-Kampagne „Nationalismus ist keine Alternative!“ ruft „antifa nt“ gemeinsam mit vielen anderen Gruppen zu Protesten gegen den AfD-Programmparteitag am 30. April/ 1. Mai in Stuttgart auf

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