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Die Piraten kommen!
Die Piratenpolitik Die Piratenparteien haben bewusst die Freibeuter als Bild für ihre politischen Forderungen gewählt. Auf der Webseite der in Gründung befindlichen Piratenpartei Deutschlands (PPD) heißt es dazu: „Das Bild des Piraten ist auch ein Symbol für Menschen, die teilweise ungerechtfertigt in die Illegalität gedrängt wurden. Genau das kommt heute im ,virtuellen’ Bereich verstärkt vor. Darum nennen wir uns ebenfalls Piraten. Die Piraten der Piratenpartei wollen sich nicht persönlich bereichern, schon gar nicht auf Kosten anderer. Aber wo es um ,geistige Werte’ geht, ist das Teilen gar nicht so schwer. Geteiltes Wissen ist doppeltes Wissen. Daher trifft die Gleichsetzung ,geistiger Wert’ = ,realer Wert’ gar nicht zu, der uns über Sinnbilder wie das des Piraten eingeprägt werden soll.“ Das Bild des Piraten in der digitalen Welt ist jedoch nicht neu und war bisher negativ besetzt. Bereits im Jahr 2001 erschien das Buch „Netzpiraten. Die Kultur des elektronischen Verbrechens“. Etwa zur gleichen Zeit, kam auch der Begriff der „Film-“ oder der „Musik-Piraterie“ auf. Damit wurde das illegale Verbreiten von Kinofilmen oder MP3-Dateien über so genannte P2P (Peer-to-Peer)-Netzwerke bezeichnet. Das Bild des Piraten als Räuber und Verbrecher war dabei bewusst gewählt. Film- und Musikindustrie wollen damit an das Unrechtsbewusstsein appellieren. Die Piratenpolitiker hingegen sagen, durch Begriffe wie Piraterie oder Raubkopierer werde eine unangemessene Kriminalisierung betrieben.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Die Piratenpartei Am Neujahrstag 2006 gründete der 34-jährige Schwede Rickard Falkvinge die weltweit erste Piratenpartei. „Zwei Tage später hatte ich bereits knapp 4800 Unterschriften von Leuten zusammen, die ähnlich denken wie ich“, erklärte Rickard im Januar im Interview auf jetzt.de. Seitdem ist aus seiner Idee, die Interessen der Downloader und Filesharer bei den schwedischen Parlamentswahlen im September zu vertreten, ein Selbstläufer geworden. Er musste zahlreiche Interviews geben, trat in Talkshows auf und kommentierte die Parteigründungen in anderen Ländern. Bisheriger Höhepunkt war Rickards Auftritt im Juni bei der großen Demonstration in Stockholm gegen die Abschaltung des BitTorrent-Trackers The Pirate Bay (siehe Die Piratenbucht). Er hielt eine Rede, die er mit den Worten schloss: „Ich bin ein Pirat.“ Passend dazu trug er eine schwarze Baseball-Kappe mit dem Schriftzug „Pirat“. Zu den Beweggründen, die Piratenpartei ins Leben zu rufen, erklärt Rickard: „Es liegt daran, wie die junge Generation mit dem Medium Internet umgeht. Eigentlich lädt jeder jeden Tag illegal Musik oder Filme aus dem Internet, ohne jedes Unrechtsbewusstsein. Davon haben die heutigen Politiker keine Ahnung, es existiert ein großer kultureller Graben innerhalb der Gesellschaft.“ Dieser Graben existierte scheinbar nicht nur in Schweden; auch in Italien, Belgien, Österreich und in Frankreich gibt es mittlerweile politsche Parteien, die sich als Piraten bezeichnen. In Österreich hat die Kommunistische Partei einen Piratenhut aufgezogen. Jedenfalls sieht das im Logo der KPÖ so aus, das man auf der Webseite piratenpartei.at sehen kann. Dort kann man lesen: „Eine eigene Piratenenpartei würde wenig Sinn machen, da es bereits eine Partei gibt, die schon lange gegen Patente und Verschlechterungen im Urheberrecht und gegen die Macht der Medienkonzerne kämpft. Die KPÖ.“ Die Aktivisten in Frankreich, die sich selber auch Internauten nennen, sehen das anders. Im Juni gründeten sie eine eigene Partei, deren Satzung sie in verschiedenen Sprachen veröffentlichten. Darin heißt es: „Wir, die französischen Internauten, beobachten gegenwärtig die Besetzung des französischen Internets durch einige wenige Parteigänger und Interessengruppen zum Nachteil der großen Mehrheit der Internauten. Wir fordern die Aufhebung aller Gesetze, die das geistige Eigentum auf französischem Boden definieren und wir fordern alle Internauten auf, diese Gesetze im Alltag zu ignorieren.“ Bereits im Frühjahr 2005 hatten 20 000 Internauten in Frankreich ein Manifest mit dem Titel „P2P – Wir sind alle Piraten“ unterzeichnet. Diese Piratenbewegungen sind nach Einschätzung des schwedischen Soziologen Peter Esaisson mehr als nur ein Spaß. In einem Bericht der taz über den staatlichen Eingriff bei The Pirate Bay misst der Soziologe dem Thema Filesharing eine hohe Bedeutung bei den schwedischen Parlamentswahlen im September bei: „Das könnte wahlentscheidend werden.“ Die Piratenbucht Ende Mai machte die schwedische Polizei The Pirate Bay auch bei Menschen bekannt, die sich nicht für den Austausch von Musik- und Filmdateien interessieren. Die Beamten beschlagnahmten den so geannten BitTorrent-Tracker The Pirate Bay und luden drei Personen zum Verhör. Dieser polizeiliche Eingriff, der zur Folge hatte, dass die Seite piratebay.org mehrere Tage nicht erreichbar war, sorgte für weltweite Proteste, weil The Pirate Bay mit seinen Aktivitäten nicht gegen schwedisches Recht verstoßen hatte. Kritiker vermuten, dass die Aktion auf Betreiben der USA begonnen wurde. Die Amerikaner sollen Schweden mit Handelssanktionen gedroht haben, wenn diese nichts gegen The Pirate Bay unternehmen. Mittlerweile ist der Tracker wieder aktiv. Er funktioniert wie eine Art Zentrale, die den so genannten Clients mitteilt, welche weiteren Clients gerade dieselben Dateien herunterladen. So wird ein so genannter kollaborativer Datenaustausch möglich. Die BitTorrent-Technik (= reißender Datenstrom) vereinfacht den Austausch von besonders großen Dateien wie z.B. von Filmen. Juristisch kann der Tracker in Schweden eigentlich nicht belangt werden, weil er selber keine Dateien zur Verfügung stellt, sondern lediglich eine Verbindung zwischen Anbietern und Nachfragern herstellt. The Pirate Bay, nach eigenen Angaben der weltweit größte Tracker seiner Art, wurde nach der Beschlagnahmung auf Server in den Niederlanden umgezogen. Mittlerweile wird das Angebot wieder aus Schweden betrieben. Ihre Solidarität mit dem Tracker tragen Nutzer des Angebots mittlerweile auf der Brust. Auf piratebay.org wird auf den so genannten Piratenshop verwiesen, wo T-Shirts, Pullover und Kappen verkauft werden, auf denen das Logo von The Pirate Bay zu sehen ist: ein Piratenschiff, auf dessen Segel eine zu einem Piratenkopf stilisierte Kassette prangt. Der Piratenfilm In dem Hollywood-Film „Fluch der Karibik“, dessen zweiter Teil in diesen Tagen ins Kino kommt, spielt Johnny Depp den Piraten-Kapitän Jack Sparrow. Für diese Rolle habe er sich, so erklärte Depp in einem Interview, vor allem von Keith Richards, dem Gitarristen der Rolling Stones beeinflussen lassen. Schließlich seien die Piraten die Rockstars ihrer Zeit gewesen. Als Keith Richards in einem Interview darauf angesprochen wurde, sagte er: „Johnny ist ein guter Kumpel. Neulich besuchte er mich mit einem Satz Piratenkostümen. Wir verkleideten uns einen Nachmittag lang und hatten einen Höllenspaß.“ Bezug auf Depp und den Charakter des Piratenkapitäns nahmen auch Hacker, die nach der Razzia bei The Pirate Bay die Webseite von Sony Music angriffen. Unter sonymusicstudios.co.uk war damals der Schriftzug „Hacked bei Lucky Luke“ zu lesen. Im Quelltext der Seite war ein MP3-File aus dem Soundtrack des Films „Fluch der Karibik“versteckt, das mit den Worten der Hauptfigur beginnt: „Sie vergessen eine sehr wichtige Sache – ich bin Captain Jack Sparrow.“ Der Piratensender Bisher war Piraterie in den Medien vor allem durch die so genannten Piratensender bekannt: Wer ohne Lizenz auf UKW oder Kurzwelle einen Radiosender betreibt, sendet schwarz. Mit solcherlei Ätherpiraterie beschäftigt sich Björn Quäck auf seiner Webseite vogelfreies-radio.de. Im Interview auf jetzt.de im Internet erzählt er, dass Piratensender selten geworden sind. In Zeiten von Webradios nehme kaum jemand mehr das Risiko auf sich. „Wer heute Radio machen will“, erklärt er, „der macht das im Web.“ Sollten Internetradios jedoch verboten werden, „hätte das auf alle Fälle eine starke Reaktion zur Folge, die vielleicht eine neue Piratenära einleitet. Dann aber eben im Netz.“ In der breiten Öffentlichkeit bestimmte vor allem Thomas Gottschalk das Bild der Piratensender. In den Achtziger Jahren spielte er gemeinsam mit Mike Krüger im Film „Piratensender Powerplay“ einen freundlich-chaotischen Schwarzfunker. Das Piratenbüro Schon vor der Piratenpartei gab es in Schweden das so genannte Piratenbüro. Seit 2003 treffen sich hier Computeraktivisten, Musiker und andere Künstlern, um über Urheberrechtsfragen und Piraterie zu beraten. Rasmus Fleischer ist Sprecher des Piratenbüros. Der 28-Jährige engagiert sich stark gegen die derzeitige Form des Urheberrechts. In einem Interview erklärte er vor kurzem: „Wir sind davon überzeugt, dass das Kopieren jeglicher Werke im digitalen Zeitalter ermöglicht werden sollte, egal, was das Urheberrecht erlaubt. Wir sagen nicht, dass das Urheberrecht verschwinden sollte, aber wir glauben nicht an das Konzept des Copyrights.“ Er argumentiert dabei vor allem mit den technischen Möglichkeiten, diese seien bereits weiter als die gesetzlichen Grundlage. Deshalb müsse das Urheberrecht entsprechend angepasst werden. „Ich glaube, dass die Verwertungsgesellschaften das schon längst kapiert haben. Eigentlich geht es ihnen nicht um den Schutz der Künstler vor Kopien, sondern um ihr Geschäftsmodell.“ Vor kurzem schloß sich das Piratenbüro mit anderen – vor allem skandinavischen – Piratenorganisationen zusammen. Unter propiracy.org vertreten Gruppen aus Dänemark, Norwegen und Schweden nun gemeinsam ihre Interessen. Die US-Piraten Auch in den Vereinigten Staaten gibt es seit kurzem eine Piratenpartei. Deren Gründer, Brent Allison, will mit dem Zusammenschluss vor allem „Aufmerksamkeit für Themen zu schaffen, für die sich bisher nur Geeks und Rechtsanwälte interessiert haben.“ Aber nicht nur politisch haben es die Piraten den Amerikanern angetan. Seit 1995 sind die beiden Freunde John Baur and Mark Summers vom Piraten-Slang begeistert – und diese Begeisterung teilen sie mit der ganzen Welt über ihre Webseite talklikeapirate.com. Nachdem sie im Sommer vor elf Jahren beim Racquetball aus Spaß aber durchgängig nur im Slang der Piraten sprachen, riefen sie den „Talk-like-a-Pirate“-Tag aus. An jedem 19. September begrüßen sich seitdem überall auf der Welt Menschen mit „Ahoy“, geben ihre Zustimmung mit einem „Aye“ kund und nutzten Ausrufe wie „Arrr!“.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Die Piratenwahl Im Jahr 2009 wird ein neues Europaparlament gewählt. Dann wollen die Piratenparteien in Deutschland, Schweden, Italien, Belgien, Frankreich und Österreich eine gemeinsame Initiative gegründet haben. Derzeit gibt es noch Unterschiede zwischen den verschiedenen nationalen Ansätzen. Gemeinsam ist aber allen „die Forderung nach einer totalen Abkehr vom Patent- und Urheberrecht“, fasst die Seite piratenpartei.de zusammen. Illustration: dirk-schmidt Mehr zum Thema in der Übersicht Urheberrecht