Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

"Björn Höcke soll sich das mal anschauen"

Foto: yolocaust.de

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Shahak Shapiras neues Projekt „Yolocaust“ zeigt verfremdete Bilder von Menschen, die beim Berliner Holocaust-Denkmal Fotos von sich machen. Die Bilder hat der jüdische Satiriker, der in Deutschland bekannt wurde, nachdem er 2015 in Berlin von einer Gruppe Antisemiten verprügelt wurde, hauptsächlich bei Facebook und Instagram gefunden. Die Holocaust-Fotos hat er aus historischen Internetarchiven.

Die Bilder zeigen: ein Pärchen-Selfie, ein Mann, der mit pinken Bällen jongliert oder zwei Jungs, die in die Luft springen und ihr Foto mit der Bildunterschrift „Jumping on dead Jews“ versehen haben. Klickt man auf die jeweiligen Fotos, erscheint ein anderer Hintergrund: Der Jongleur steht in einem KZ, um ihn herum Leichen. Die beiden Jungen springen tatsächlich auf die toten Körper – wie es die Bildcollage zeigt.

Wir haben Shahak gefragt,  was er mit dem Projekt errreichen will. Und was er von der gestern bekannt gewordenen Hassrede des AfD-Politikers Björn Höcke hält, der das Mahnmal als "Schandmal" bezeichnete . 

jetzt: Du widmest dein neues Projekt "Bernd" also Björn Höcke. 

Shahak Shapira: Genau. Björn Höcke soll sich das mal anschauen und reflektieren, was er da so über Erinnerungskultur in Dresden gesagt hat. Mein Vorschlag ist: Es muss tatsächlich etwas getan werden. Die Leute sollen nachdenken, was genau sie da machen.

Wie kamst du auf die Idee für das Projekt „Yolocaust“?

Ich beobachte seit Jahren dieses Phänomen, dass Menschen das Holocaust-Denkmal als Hintergrund für Profilbilder in den sozialen Medien oder bei Flirt-Apps benutzen. Ich finde es okay, wenn man Fotos dort macht. Aber manche Bilder sind einfach krass: Da gibt es zum Beispiel bei einem Bild die Bildunterschrift: „Springen auf toten Juden.“

Was möchtest du mit dem Projekt erreichen?

Ich will den Leuten nicht sagen, was sie machen dürfen und was nicht. Das muss jeder selbst entscheiden. Ich will sie aber zum Nachdenken bringen. Die Bilder zeigen, wie schnell Erinnerung in Vergessenheit geraten kann. Viele sehen das Mahnmal leider immer mehr als Lifestyle-Foto-Objekt und weniger als Stätte der Erinnerungskultur.

Findest du es nicht etwas drastisch, die Bilder aus den Konzentrationslagern auf eine solche Art und Weise zu zeigen?

Ist es nicht drastischer, bei einem Mahnmal Bälle zu jonglieren? Solche Leute müssen vielleicht einfach drastisch wachgerüttelt werden. Es wäre nicht so schlimm, wenn Leute normale Selfies gemacht hätten. Aber die Posen, die sie auf den Bildern machen, sind unangemessen. Der Schockfaktor bei den Bildern entsteht eben genau aus den unangemessenen Posen. Mein Projekt soll keine Anschuldigung sein. Man weiß ja auch nicht genau, wofür die grauen Steine stehen, da es abstrakte Kunst ist. Die häufigste Theorie ist aber, dass sie Grabsteine symbolisieren sollen. Würdest du Yoga auf einem Friedhof machen?

Nein.

Siehst du. Ich auch nicht. 

shahak autorenbild
Foto: Johann Sebastian Hänel

"Den Auftritt fand ich nicht wirklich überraschend oder schockierend. Björn Höcke ist ein Neonazi"

 

Warum ist das Mahnmal in Berlin so wichtig für die deutsche Gesellschaft?

Die Erinnerungskultur ist für die Deutschen ein politischer Kompass. Es hilft Deutschland, auf der richtigen Seite der Geschichte zu bleiben und nicht das zu werden, was es nicht werden möchte. Ich selbst bin vielleicht zu alt dafür, weil ich mit fertigen Ansichten über den Holocaust und der israelischen Erinnerungskultur nach Deutschland gekommen bin.  

 

Am Dienstag sprach Björn Höcke auf einer Veranstaltung der „Jungen Alternative“, der Jugendorganisation der AfD. Er faselte da von „dämlicher Bewältigungspolitik“ und nannte das Mahnmal in Berlin „ein Denkmal der Schande“. Findest du das schockierend?

Den Auftritt fand ich nicht wirklich überraschend oder schockierend. Höcke ist ein Neonazi. Natürlich empfindet er das Mahnmal als Schande. Die Wortwahl war auch nicht heftiger als bei anderen Reden von ihm. Das ist schließlich ein Pfad, den Höcke schon viele Jahre geht. Und es gibt viele AfD-Politiker, die diese Rhetorik nutzen.

 

Inwiefern berührt dich so etwas?

Wenn Neonazis dumme Sachen sagen, dann berührt mich das mittlerweile wenig. Es ist halt immer noch Björn Höcke. Es ist keine Meinung, auf die man sehr viel Wert legen sollte.

 

Würdest du mit Neonazis reden?

Ich würde nicht mit Neonazis reden, die den Holocaust leugnen. Das ist eben auch eine sehr persönliche Sache: Mit einem Neonazi zu diskutieren, für den Erinnerung eine Schande ist, nachdem ein großer Teil meiner Familie vergast wurde. Deshalb berührt es mich in dem Sinne natürlich schon.

 

Mit der AfD stehst du ja schon etwas länger auf Kriegsfuß, behandelst sie oft satirisch auf deiner Facebookseite.

Es wird endlich Zeit, dass Menschen erkennen, was die AfD wirklich will, vor allem die Menschen, die mit dem Gedanken spielen, die AfD zu wählen, sie aber nicht als Neonazis betrachten. Deshalb habe ich auch Angst davor, dass der Holocaust in Vergessenheit gerät. Denn recht vieles, was ich tue, ist ja auch ein bisschen dazu da, um diese Erinnerung aufrechtzuerhalten. Deshalb finde ich es wichtig, die Menschen zu sensibilisieren und nicht irgendwann zu sagen: Ich hab keinen Bock mehr, mich mit dem Holocaust zu beschäftigen.

 

Du bist Satiriker und Werbeprofi. Was sagst du zu dem Vorwurf: „Jetzt gib ihnen nicht noch mehr Aufmerksamkeit mit deiner Satire“?

Das ist falsch. Man darf da nicht wegschauen und schweigen. Solange die Partei im Rahmen des Gesetzes erlaubt ist, muss es auch Konsequenzen geben. Man kann Menschen nicht behandeln, als wären sie Vierjährige. Nicht darüber zu reden und zu erwarten, dass das Problem von alleine weg geht, funktioniert auch nicht. Das sieht man zum Beispiel bei den Rechtsextremen in Ostdeutschland: Man hat die Probleme dort jahrelang ignoriert. Das ist ja nicht erst seit gestern so. Man muss sich mit den dummen Inhalten der AfD auseinandersetzen.

 

Was willst du mit deinen Aktionen wie dem AfD-Adventskalender erreichen?

Meine These ist: Viele Leute, die die AfD wählen, glauben, dass die AfD keine nationalsozialistische Partei ist. Das ist für die irgendwie so ein Kompromiss: Eine Partei, die gegen das Establishment ist und Neonazis in ihren Reihen duldet. Der Adventskalender zum Beispiel war nicht nur Satire. Alles was ich geschrieben hab, kann ich auch belegen.

 

Meinst du, du erreichst diese Leute damit?

AfD-Wähler müssen nicht gut finden, was ich mache. Aber vielleicht sind sie im ersten Moment sauer und denken: Jetzt recherchiere ich mal ein bisschen. Dann schauen sie sich die Parteiprogramme an und merken, dass die Inhalte doch nicht so überzeugend sind, wie sie dachten. Vielleicht passiert dann etwas in ihren Köpfen und sie fangen an zu hinterfragen. Das ist natürlich ein langer Prozess. Man entscheidet so etwas für sich und nicht in einer langen Diskussion und auch nicht im Internet. 

 

Mehr über Shahak Shapira und Satire:

  • teilen
  • schließen