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Interview zum Tanzverbot
Gute Nachrichten: Das Bundesverfassungsgericht hat das Tanzverbot an Karfreitag für nichtig erklärt. Geklagt hatte der "Bund für Geistesfreiheit München", der sich als Weltanschauungsgemeinschaft versteht und die Interessen konfessionsloser Menschen vertritt. Bereits 2007 wurde die Klage gegen das Verbot eingereicht. Nun, neun Jahre später, bekommen die Kläger recht. Michael Wladarsch, Grafikdesigner und ehrenamtlicher Vorsitzender vom "Bund für Geistesfreiheit München" erklärt im Interview, warum dieser Sieg so wichtig ist.
Jetzt: Was bedeutet der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts denn nun konkret?
Michael Wladarsch: Die Feiertage werden jetzt natürlich nicht abgeschafft. Aber das generelle Verbot von irgendeinem Tun an Karfreitag ist gestorben. Was das Gesetz jetzt sagt ist, dass es bei weltanschaulichen und versammlungsrechtlichen Konflikten Ausnahmen geben muss.
Sie sind mit ihrer Klage bis vor das Bundesverfassungsgericht gezogen. Warum haben Sie für das Kippen des Verbots so energisch gestritten?
Der "Bund für Geistesfreiheit München" (BfG München) ist eine neutrale Weltanschauungsgemeinschaft mit dem Körperschaftsstatus. Das heißt, wir sind den Kirchen komplett gleichgestellt, haben die gleichen Rechte und Pflichten. Das ist wohl der Grund, warum die Klage überhaupt durchgekommen ist. Partyveranstalter haben das auch schon probiert, die "stillen" Tage auszuhebeln, aber da hieß es immer: für kommerzielle Gründe gäbe es keine Ausnahme. Aber weil wir als Körperschaft sagen "Wir sind nicht traurig an dem Tag" und verlangen, tanzen zu dürfen, mussten sie es durchgehen lassen. Denn unser Recht steht nicht unter dem der Kirche, die verlangen, dass man an dem Tag traurig zu sein hat.
Beim Tanzverbot dreht es sich ja darum, das man ein paar Stunden lang nicht feiern darf. Worum geht es Ihnen denn konkret?
Ich habe wirklich keine Wut auf das Christentum. Was mich aber ärgert ist, dass Gläubige manchmal so rechthaberisch sind. Ich glaube eben nicht an Jesus. Deswegen bin ich aber kein Mensch zweiter Klasse. Und es gibt immer mehr Menschen wie mich, die keiner Religion angehören: In München sind es fast 60 Prozent. Diese Bevölkerungsgruppe wird aber völlig außer Acht gelassen. Wir kämpfen dafür, dass diese Gruppe mit ihren Bedürfnissen und Rechten wahrgenommen wird. Die Politik muss kapieren, dass allein mit der Kirche kein Staat mehr zu machen ist.
Das klingt so, als wäre das eine Auslegungssache. 2007 wollte der BfG München am Karfreitag eine Party unter dem Motto "Dadn Sie eventuell mit mir vögeln?" (Zitat entstammt dem Film "Wer früher stirbt ist länger tot", Anm. d. Red.) feiern. Das wurde aufgrund des Tanzverbots verhindert. Wird die geplatzte Feier jetzt nachgeholt?
Das kann schon sein, ich finde auch, dass man das feiern sollte. Aber wohl eher nicht unter diesem Motto (lacht). Das wurde damals absichtlich gewählt, um zu provozieren. Es gab am Karfreitag zum Beispiel schon die Versuche atheistischer Filmvorstellungen. Erst letztens wurde jedoch eine Vorstellung mit "Das Leben des Brian" verboten, weil der Film nicht dem Charakter des Karfreitags entspräche. Nun wird zu diskutieren sein, ob das jetzt möglich ist. Aber wir wollen nicht nur provozieren, nicht nur Krawall erzeugen, weil man dann auch nicht ernst genommen wird. Wir wollen auch nicht nur auf das Christentum schimpfen, es gibt da keinen inneren Groll gegen Religionen. Das ist mir komplett egal. Die einzige Forderung ist: sich gegenseitig in Ruhe leben lassen, das wäre tolerant.
Verbindet die Mitglieder des "Bundes für Geistesfreiheit München" dann der Glaube an die Menschheit?
Das würde ich so sehen, ja. Bei uns befindet sich der Mensch im Zentrum, im Gegensatz zu anderen, die irgendwelche Götter oder Offenbarungen in den Mittelpunkt stellen. Wobei es in unserer Zeit sehr schwer fallen kann, daran zu glauben.
Was ist nun euer nächstes Ziel?
Ein Bewusstsein zu erzeugen, dass nicht eine Religion oder Weltanschauung wichtiger ist als die andere. Wir wollen eine Gleichstellung davon. Die Leute sind gleich zu behandeln, egal, was sie glauben oder nicht. Der Staat sollte sich von den christlichen Traditionen lossagen, die Privilegien nach Notwendigkeit überprüfen und fragen, ob man nicht ohne sie auskommt. Wie bei dem Tanzverbot eben. Das Ziel wäre wohl, endlich mal festzustellen: Es gibt nicht nur drei Religionen mit besonderen Rechten. Sondern alle Menschen, egal welchen (Nicht-)Glaubens, sind gleich.