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Tinder für Kiffer

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Man muss ja nicht alle Details aus dem eigenen Leben gleich beim ersten Date ausplaudern. Wenn man auf etwas Längerfristiges aus ist, kann man sich überlegen, ob man die erwähnt, die besonders viel Platz im Alltag einnehmen. Eine Allergie auf Steinobst wäre dann eher egal, ein Sohn hingegen könnte erwähnenswert sein. Und die Tatsache, dass man gerne und sehr regelmäßig kifft?

Für Todd Mitchem aus Denver in den USA ist das einer der wichtigsten Punkte, den er Frauen mitteilt. Aber leider auch einer, durch den er einen Nachteil hat. Zumindest hat er einen Korb bekommen, als er einer Frau beim ersten Date sagte, er sei Cannabis-Konsument. Und das hat ihn so sehr geärgert, dass er auf eine Geschäftsidee kam.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Perfekte Pot-Partner

Todd Mitchem ist der Erfinder von „High There!“, einer Dating-App, die seit ein paar Tagen durch die Medien gereicht (z.B. Mashable, The Guardian oder The Independent) und gerne als „Tinder für Kiffer“ betitelt wird: Wie bei Tinder sieht man in der App das Foto eines potenziellen Dating-Partners und die räumliche Entfernung zu diesem, dann kann man nach rechts wischen, wenn man Kontakt aufnehmen möchte, oder nach links, wenn nicht. Zusätzlich geben High There!-Nutzer Informationen über ihr Kiff-Verhalten an: wie sie am liebsten konsumieren (als Joint oder mit dem Vaporizer), wie hoch ihr Energielevel nach dem Kiffen ist (niedrig, mittel oder hoch) und auf was sie am meisten Lust haben, wenn sie high sind (rausgehen, drinbleiben, chatten, essen). So sollen Träge zu Trägen finden, Vaporizer-Fans zu Vaporizer-Fans, Fressflasher zu Fressflashern. Aber eben vor allem: Kiffer zu Kiffern.

„High There!“ ist nicht das erste Dating-Portal für Cannabis-Konsumenten. Schon seit dem vergangenen Jahr gibt es das Portal „My420Mate“. In der Selbstbeschreibung der Seite heißt es:

Für viele Menschen ist Cannabis ein großer Teil ihres Lebens und sie sind nicht bereit, es für einen Partner aufzugeben. Für Online-Dater kann es unangenehm sein, ein „Und...rauchst du Gras?“-Gespräch zu beginnen. Wann sollte man das tun? Wie viel Zeit sollte man in die Beziehung investieren, bevor man darüber spricht? Was, wenn du deinem potentiellen Partner erzählst, dass du Gras rauchst und er das Weite sucht? Dann hättest du deine Zeit an eine Beziehung vergeudet, die von Anfang an zum Scheitern verurteilt war.

Der Tenor ist also: Es ist schwer, als Kiffer jemanden zu finden, der einen versteht. Darüber definiert sich auch HighThere! Dort steht in der Beschreibung, die App „löst das Problem“, indem sie dabei hilft, jemanden zu finden „der deine Entscheidung zu konsumieren versteht und unterstützt“ und „einen sicheren Ort zu finden, an dem du dich ausdrücken kannst“. Laut Erfinder Mitchem soll man mit HighThere! übrigens nicht nur potentielle Partner, sondern auch neue Freunde treffen können, oder als medizinischer Konsument andere medizinische Konsumenten, um sich auszutauschen.

Eigentlich klingt das nach einer guten Idee, weil es immer eine gute Idee ist, Menschen mit gleichen Interessen zusammenzubringen. Und wenn es Dating-Portale für Katzenliebhaber, Furries und Trekkies gibt – warum dann nicht auch eins für Kiffer?

Allerdings geht es ja nicht nur um gemeinsame Interessen. Hätte Todd Mitchem seinem Date gestanden, dass er ein Trekkie ist, wäre sie wahrscheinlich nicht sofort weggelaufen. Aber man kann es wohl nicht leugnen: Beziehungen, in denen ein Partner viel kifft und der andere nicht, geraten leicht in eine Schieflage. Man ist einfach zu oft auf einem unterschiedlichen Level. Das kann ein Problem sein. Und das ist wohl auch der Grund dafür, dass die Selbstdefinition von HighThere!, genauso wie die von My420Mate, weniger nach gleichen Interessen klingt als nach: gleichen Problemen. Ein bisschen nach „Wir armen, unverstandenen Kiffer!“, nach dem Gefühl, diskriminiert zu werden. Ein Nutzer schreibt in den Bewertungen: „yeah!!! welcome stoners! finally a place for us“.

Das mag damit zu tun haben, dass der Erwerb und Besitz von Cannabis vielerorts immer noch illegal ist (HighThere! ist darum auch nur in den 23 US-Staaten verfügbar, in denen Cannabis legal oder mindestens für medizinische Zwecke zugelassen ist – an allen anderen Orten wird die App per Geotracking gesperrt) und Kiffer von weiten Teilen der Gesellschaft kriminalisiert werden. Trotzdem kann man es auch ungesund finden, wenn der Konsum von etwas einen so großen Teil der eigenen Persönlichkeit einnimmt, dass man glaubt, es nur mit jemandem aushalten zu können, der das gleiche und im gleichen Maße konsumiert. Denn dann geht es am Ende ja nicht mehr um den anderen, sondern nur noch um den Konsum. Zwar nicht gleich auf „Requiem for a Dream“-Niveau – aber dennoch ist Konsum, egal von was, zunächst immer ein nach innen gerichteter, subjektiver Akt, etwas, das man mit sich alleine macht, sich alleine zuführt. Konsum teilen, das geht eigentlich nicht – was geht ist, dabei nicht alleine zu sein. Es bleibt aber weniger ein gemeinsames Erlebnis als wenn zwei zusammen wandern gehen oder in riesigen Tierkostümen herumlaufen, also etwas nach außen Gerichtetes tun.

Immerhin kommt in der High There!-Selbstbeschreibung nicht nur das Wort „problem“, sondern auch das Wort „fun“ vor. Dafür sind Dating-Apps nämlich hauptsächlich da: Spaß. Und dafür, den auf sehr bequemem Weg zu finden. „It’s just a way to meet other people who smoke weed“, schreibt ein besonders lakonischer Nutzer in den Kommentaren, „I live in Detroit, I can meet these types just walking out of my front door.“ Dabei ist die Idee ja, dass man dafür eben nicht mehr aus der Tür muss. Zumindest nicht, wenn man einer der Kiffer ist, die als Energielevel „niedrig“ angegeben haben.

Text: nadja-schlueter - Foto: emoji / photocase.de

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