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Abschiedskonzert von Blumentopf
Man muss sich als erstes von dem Gedanken verabschieden, dass das ein Konzert war, was da am Samstag im Zenith passiert ist. Natürlich lief Musik. Natürlich war die gut: die Begleitband auf abgeklärte Art tight. Die Raps auf nonchalante Art präpotent. Auf der Setlist alles, was sich aus einer 24-jährigen Karriere in gut drei Stunden Programm destillieren lässt. Alles da. Alles gut.
Aber bei einem Konzert steht der Künstler ja als Star im Mittelpunkt. Man geht hin, um ihm zuzuhören, klar. Aber auch, um ihn dabei etwas zu überhöhen. Ihn größer und bedeutender zu machen als er ist. Vulgo: ihn anzuhimmeln. Beim Bandfinale, dem im Wortsinn letzten Konzert von Blumentopf, ist das anders. Klassentreffen wäre da schon eher die Referenz. Oder wohl besser Stadtfest, was sich in München dann aber eben doch wieder ein bisschen nach Dorffest anfühlt.
Man merkt das, wenn man ein paar Runden durch die Halle dreht: Alle sind sie schließlich da. Die Betreiber der besseren Clubs der Stadt. Die relevanteren Musiker und Bands eh. Die DJs auch. Aber dazu findet sich vor allem das, was man mit etwas Wohlwollen vielleicht die mitteljunge Szene der Stadt nennen könnte. Komprimiert und hochverdichtet. Es wirkt, als wäre die komplette Bevölkerung Münchens zwischen 25 und 40 (circa …) zu einer großen, wabernden 7000-Mann-Querschnitts-Masse geronnen und habe das Zenith geflutet. Überall erkennt irgendwer irgendwen. Überall Handschläge und Umarmungen. Überall Freude. Überall Euphorie. Überall wird gefeiert, parzellenweise aber trotzdem als große Masse.
Und zwar – und das ist nun entscheidend – weniger die Band, als ein letztes Mal sich selbst als Teil dieser größeren Einheit. Einer Verbindung freilich aus Künstlern und Fans. Aber das alles auf Augenhöhe. Zusammen. Sich. Und einander.
Man ist stolz – darauf, dass es das hier gab und dass man dabei war
Und so ist der eher einzige Gänsehautmoment, den man auf so einem Abschiedskonzert aber wohl auch etwas krampfhaft sucht, gekommen, als nach mehr als zwei Stunden der etwas arg obligatorische Satz fällt, dass eine Band die Fans bekomme, die sie verdiene (übrigens bei der Ankündigung von „6 Meter 90“, einem Song, der sich mit der Hysterie nach der Auflösung von Take That beschäftigt …). Das Zenith füllt sich da doch noch mal – und zwar für Minuten und bis in die letzten Winkel – mit einer stehenden Druckwelle aus Gegröle und Gekreische. Zu gleichen Teilen wohl gespeist aus Freude und Trauer. Vielleicht aber auch Stolz. Wahrscheinlich sogar. Man ist wohl auch stolz. Auf die Band. Aber doch wieder mehr auf sich. Darauf, dass es das hier gab. Und dass man dabei war.
Denn so funktioniert Pop-Kultur ja auch, vielleicht sogar im besseren Fall: nicht nur als Anhimmelungs-Maschinerie, sondern als simples Sammelbecken für Gleichgesinnte. Zumal bei einer Band, die am Ende wohl doch immer etwas zu schlau, vor allem aber zu unprätentiös war, um als Projektionsfläche für die tiefsten Sehnsüchte der Fans zu taugen (und um die ganz großen Hits zu produzieren).
Blumentopf haben emotional schließlich immer schon etwas flacher funktioniert – mehr in die Breite als zugespitzt. Eher über Alben als über einzelne Songs. Eher mit Humor und Charme als mit aufrührendem Tiefgang. Weniger ad hoc Gefühl. Mehr Langstrecke. Und da dann aber eben doch wieder sehr heftig. Und sehr nachhaltig.
Diese Band war wie München
Und worauf diese Auflistung zusteuert, ist dann wohl auch klar: Ja, verdammt, diese Band (dem kann sie jetzt noch mal so heftig wiedersprechen, wie sie will) war wie München. Es gibt das wohl eben doch: eine Verbindung zwischen Künstler und Stadt. Deshalb war die ganze Stadt ja auch da. Und hat nicht betrauert sondern gefeiert, dass man einander hatte. 24 Jahre lang. Eh eine gigantische Lebensdauer für eine Band – zumal in einem Genre, in dem es sich schwerer altert als in anderen.
München hat also am Samstag tatsächlich einen bedeutenderen Teil seiner Kultur-Szene verabschiedet. Und ja: Ein bisschen traurig ist das schon. Da wird etwas fehlen. Aber der Zeitpunkt war richtig – und Form und Ton auch. Selbstbestimmt. Mit Rest-Wumms. Auf nonchalante Art protzig. Auf selbstbewusste Art offen. Während noch Relevanz da war. Und damit: mit viel Würde. Die Band, die schon immer feine Geschichten schreiben konnte, hat auch die eigene gut zu Ende erzählt. Das ist selten. Und schwer. Aber wenn es gelingt, wunderschön. Alles gut also. Nicht trauern. Feiern. Servus. Und: Danke.