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Wenn Männer im Job empathisch sind, gilt das als Leistung

Illustration: Katharina Bitzl

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Die Politologin Birgit Sauer und der Soziologe Otto Penz haben ein Buch über Gefühle im Job  geschrieben: „Affektives Kapital. Die Ökonomisierung der Gefühle im Arbeitsleben“. Im Interview erklärt Otto Penz, was es bedeutet, wenn wir uns mit unserer ganzen Person in den Job einbringen, was „männliche“ und „weibliche“ Gefühle damit zu tun haben und was „affect aliens“ sind.

jetzt: Herr Penz, müssen Sie in Ihrem Job affektiv, also mit Emotionen arbeiten?

Otto Penz: Ja, bei mir spielt das persönliche Verhältnis zu den Studierenden eine wichtige Rolle. Da geht es nicht nur um Inhalte, sondern auch darum, ob sie mich als Vortragenden mögen oder ob sie mir vertrauen. Und auch Ihr Job ist ein gutes Beispiel für eine recht hoch qualifizierte Form des affektiven Arbeitens.

Inwiefern?

Weil zum Beispiel genau das, was wir jetzt machen, also über eine große räumliche Distanz telefonisch miteinander sprechen, ein großes Einfühlungsvermögen voraussetzt.

Bei welchen Jobs ist affektive Arbeit noch mehr gefordert?

Bei jeder Arbeit von Person zu Person, wenn es darum geht, dass man sich auch körperlich sympathisch ist. Zum Beispiel bei Jobs im Gesundheits- und Wellnessbereich, aber im Prinzip bei jedem Dienst am Kunden. 

Wie genau verwenden Sie in Ihrem Buch den Begriff „Affekt“?

Wenn wir von „Affekten“ sprechen, denken wir beide Seiten mit, die unsere Handlungen bestimmen: auf der einen Seite rationale Argumente, auf der anderen körperliche Prozesse wie eben Gefühle. Affekte sind für uns also ein Zusammenspiel von mentalen und körperlichen Prozessen, die sich in Handlungen zeigen.

Warum spielen Affekte heute in der Arbeitswelt eine größere Rolle als früher?

Weil wir uns von einer Industrie- zu einer Dienstleistungsgesellschaft entwickelt haben. Und Dienstleistungen basieren sehr viel stärker auf Kreativität und innovativen Kompetenzen, aber eben auch auf Gefühlen und affektiver Arbeit.

Ist das gut oder schlecht?

Das geht in beide Richtungen. Negativ ist die Vermarktlichung der Gefühle. Am Arbeitsplatz wird versucht, auf die ganze Person zuzugreifen, und alles, was sie mitbringt, für die unternehmerischen Ziele zu nutzen. Das hat teilweise ausbeuterischen Charakter. Man kann das aber auch andersherum und positiv sehen: nämlich so, dass mit Zunahme der Qualifikationen auch das Bedürfnis wächst, sich selbst stärker in der Arbeit zu engagieren. Und dass durch Emotionalität auch Solidarität und Gemeinschaft, zum Beispiel unter Kollegen, entsteht. Dadurch können sich auch Gegenkräfte gegen ausbeuterische Verhältnisse entwickeln.

Sich in der Arbeit verwirklichen, das klingt ja sehr nach einer typischen Definition der Generation Y...

Ja, denn das ist die Generation, die in der Dienstleistungsgesellschaft groß geworden ist. Die früheren Generationen waren auch noch nie so gut qualifiziert wie die heutige – umgekehrt war es für die Qualifizierten noch nie so schwer, in reguläre Beschäftigungsverhältnisse zu finden. Da sind also schon bei der Arbeitssuche affektive Kompetenzen wichtig. Man muss gut kommunizieren können, Netzwerke aufbauen und so weiter. Und im Job geht es dann oft sehr stark um Projekt- und Teamarbeit, die nur dann funktioniert, wenn man dem anderen Vertrauen entgegenbringt und jeder nach besten Kräften zum Erfolg beiträgt.

Und die weniger gut Qualifizierten, müssen die auch affektive Kompetenzen haben?

Ja, denn die arbeiten beispielsweise häufig in der Gastronomie, im Verkauf oder an der Supermarktkasse. Dort sind sie gezwungen, freundlich und kundenorientiert zu sein.

In Ihrem Buch spielt auch die Geschlechterdebatte eine wichtige Rolle. Wieso?

Emotionale Kompetenzen wurden in der Industriegesellschaft sehr stark der Frau zugeschrieben, also Empathie, Fürsorglichkeit und so weiter, und sie gehörten vor allem ins Private, also zu Haushalt und Familie. In der Dienstleistungsgesellschaft sind diese Kompetenzen in der Erwerbsarbeit wichtig, und da stellt sich die Frage: Was bedeutet es für das Geschlechterverhältnis, wenn auf der einen Seite immer mehr Frauen einem Beruf nachgehen, aber auf der anderen Seite auch Männer vermehrt gezwungen sind, Arbeit mit „femininem Charakter“ zu leisten.

Denken wir immer noch in männlichen und weiblichen Kompetenzen?

Selbstverständlich hat sich in den letzten 150 Jahren viel verändert, aber ich denke, die Assoziationen laufen immer noch so: Weiblichkeit wird mit Emotionalität, Feinfühligkeit und sozialer Kompetenz verbunden, Männlichkeit mit Durchsetzungsvermögen, Aggressivität und Rationalität.

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Illustration: Julia Schubert

Zu welchen Konflikten führt das in unserem Arbeitsleben?

Es führt vor allem zu unterschiedlichen Interpretationen: Bei Frauen wird zum Beispiel so getan, als sei Empathie keine besondere Kompetenz, sondern würde gewissermaßen zur Natur des Geschlechts gehören, und Frauen seien darum „von Natur aus“ für soziale und pädagogische Berufe besonders geeignet.

 

Und wenn Männer empathisch sind?

Dann gilt das als eine Leistung und als etwas, dass sie sich angeeignet und erarbeitet haben.

 

Sie erwähnen auch, dass Frauen, die als rational gelten wollen, es im doppelten Maße sein müssen.

Jedenfalls müssen sie einen großen Spagat machen, um sich in männlich konnotierten Feldern durchzusetzen. Denken Sie an weibliche Politikerinnen. Die haben es wirklich schwer, auf der einen Seite ihre Weiblichkeit nicht völlig zu verleugnen, aber auf der anderen Seite, eben nicht genau diese feminine Karte zu spielen, sondern sachkundig und rational zu wirken. Das ist sehr viel schwieriger als auf der Männerseite, wo unsere Vorstellung von Männlichkeit bestens kompatibel ist mit einer politischen Führungsrolle.

 

Und was passiert dem männlichen Politiker, der emotional ist?

Jedenfalls kann es bei männlichen Politikern keine weibliche Form von Emotionalität geben. Sagen wir mal: ein Politiker, der mitfühlend weint, geht nicht. Aber sie können, so wie Trump im Augenblick, ein männlich-emotionales Verhalten an den Tag legen, also zum Beispiel ein aggressives. Das wird Ihnen dann auch noch positiv ausgelegt.

 

Ein anderes Thema in Ihrem Buch ist ebenfalls sehr aktuell: die Rolle der Migranten in unserer Dienstleistungsgesellschaft.

Dabei geht es darum, dass Affekte auch ausgrenzen können. Nicht nur Migranten, sondern zum Beispiel auch Arbeitslose: Ausgegrenzt werden die „affect aliens“, Menschen, deren Affektivität in unserer Erwerbsarbeitsgesellschaft nicht passfähig ist. Die sich nicht motiviert und leistungsstark zeigen oder die nicht das erforderliche Engagement an den Tag legen. Denen spricht man auch ab, Zuwendung zu verdienen, weil sie nicht die richtigen Einstellungen haben.

 

Was genau bedeutet das im Falle der Migranten?

Wir gehen davon aus, dass das Gefühlsleben stark historisch und kulturell geprägt ist, Emotionalität und Affektivität also von Kultur zu Kultur unterschiedlich sind. Dann stellt sich die Frage, wie passfähig die jeweilige Emotionalität in einem anderen kulturellen Zusammenhang ist.

 

Kann man das nachträglich lernen? Affekte einer bestimmten Kultur?

Wir lernen ununterbrochen dazu, bewusst und unbewusst. Emotionalität ist allerdings eine nicht leicht zu verändernde Haltung, weil es da um Aspekte der Persönlichkeit geht, die tief im Körper verankert sind und über die wir in der Regel auch nicht reflektieren. Man muss sich anstrengen, um diese Teile seiner Subjektivität zu verändern. Unsere Gefühle sind etwas, das wir sind, und nicht nur etwas, das wir haben. 

 

Birgit Sauer / Otto Penz: Affetives Kapital. Die Ökonomisierung der Gefühle im Arbeitsleben, campus, 245 Seiten, 34,95 €.

 

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