Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

2300 Euro brutto für die Floristin

Marie, 29, liebt die Arbeit mit den Blumen. Es stört sie allerdings sehr, wie wenig nachhaltig ihre Branche ist.
Foto: Privat/Bearbeitung: SZ Jetzt

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Marie ist 29 Jahre alt und arbeitet seit zehn Jahren als Floristin. Bindet sie einen Strauß mit 100 Rosen, hält sie bis zu fünf Kilogramm in ihrer linken Hand. Insgesamt macht sie in ihrem Job aber weit mehr als nur Blumensträuße zu binden.

Welche Blumen Menschen am meisten bestellen

„Generell werden im Frühling gerne Tulpen, Freesien oder Anemonen gekauft. Im Sommer sind Hortensien oder Dahlien beliebt. Im Herbst verkaufen wir viele Sonnenblumen, Astern oder Chrysanthemen. Im Winter machen wir vor allem Gestecke aus Tannen- oder Kiefernzweigen. Aber Rosen gibt es das ganze Jahr über und sind tatsächlich die erste Wahl unserer Kundschaft.  

Dass Männer große Sträuße bestellen, die um die 100 Euro kosten und voller roter Rosen sind, kommt häufiger vor. Und zwar nicht nur an Valentinstagen, Geburtstagen oder für Verlobungen. Wir sprechen sehr viel mit den Kunden, albern rum und fragen auch mal nach. Eine Arbeitskollegin sagt immer ,Mal wieder was gut zu machen?‘ Das geben die Männer tatsächlich zu. Auch wenn sie nicht genau erzählen, was passiert ist.“

Wie ich Floristin geworden bin

„Eigentlich wollte ich Tierarzthelferin werden, kann aber kein Blut sehen. Deswegen habe ich eine Ausbildung zur Floristin gemacht. Natürlich sind Pflanzen keine Tiere. Trotzdem sind sie Lebewesen. Tulpen wachsen in der Vase weiter, obwohl sie abgeschnitten wurden, und Gänseblümchen schließen ihre Blüten, sobald es dunkel wird. Während der Ausbildung war ich in der Berufsschule und habe gleichzeitig den praktischen Teil im Unternehmen gelernt. Studieren kann man Floristik nämlich nicht. Das nächstliegende wäre Gärtnerei und Landschaftsarchitektur, der Beruf als Floristin ist aber kreativer. Nach der Ausbildung zur Floristin könnte ich noch den Meister machen, den man aber selbst zahlen muss. Dann hätte ich die Möglichkeit, mehr Geld zu verdienen und selbst auszubilden. Das sind aber nicht meine Zukunftspläne.“

Wie mein Arbeitsalltag aussieht

„Ich arbeite in einem großen Gartencenter am Stadtrand, das neben einer Gärtnerei auch eine Abteilung für Floristik hat. Mein Arbeitstag fängt meistens um 8:45 Uhr an. Alle Mitarbeitenden aus den verschiedenen Abteilungen treffen sich in der Halle bei den Zimmerpflanzen. Ich habe um die 30 Kolleg:innen. In der großen Runde besprechen wir wichtige Neuigkeiten: Gibt es Angebote, für die Werbung gemacht wurde, andere Preise oder verlängerte Arbeitszeiten an Feiertagen? Jeden Morgen wünscht uns der Marktleiter viel Spaß, dann gehen alle in ihre Abteilung.

Dort fangen wir damit an, die Bestellungen für den Tag abzuarbeiten und schauen, ob Sträuße bestellt wurden. Für kleine Sträuße brauche ich zehn Minuten. Je größer der Strauß, desto mehr Zeit brauche ich. Bei hundert Blumen kann das Binden zwanzig Minuten dauern. Außerdem bestelle ich Ware, nehme Bestellungen auf, dekoriere oder gestalte zum Beispiel Tür- oder Adventskränze, Tischdeko für Hochzeiten, Geburtstage oder andere Anlässe. Eine von uns ist außerdem immer hinter dem Tresen, um Kundschaft zu bedienen. Für die öffnen wir die Türen ab neun Uhr.“

Welche Eigenschaften man als Florist:in braucht

„Auf jeden Fall muss man gesundheitlich fit sein. Hast du von Anfang an Knie-, Rücken- oder sogar Handprobleme, kannst du den Beruf vergessen. Man muss ein bisschen Mathe können, etwa Preise im Kopf grob zusammenrechnen. Die Kommunikation mit den Kund:innen ist wichtig. Man darf keine Angst haben, auf Menschen zuzugehen und offen zu sein. Außerdem muss man teamfähig sein. Du arbeitest nicht allein, sondern mit anderen Menschen zusammen – den ganzen Tag. Da muss man mit allen gut klarkommen, auch wenn man sich nicht immer mit allen versteht.    

Ich rede im Job viel mit älteren Menschen, vor allem mit Frauen. Eine Stammkundin kommt immer kurz vor Ende der Woche, um sich einen kurz gebundenen Strauß von mir binden zu lassen. Die Farbe der Blüten muss zu der Farbe ihrer Kissenbezüge im Wohnzimmer passen. Manche jammern viel und lassen ihren Frust bei uns raus – auf Zeit kann das nerven. Sie sprechen zum Beispiel über gesundheitliche Probleme oder Einsamkeit. Andere haben einfach niemanden zum Reden und kommen deshalb zu uns.“  

Welche Aufgaben ich am liebsten mache

„Das ist von meiner Stimmung abhängig und davon, was ich die Tage zuvor gemacht habe. Wenn ich am Tresen viele Sträuße gebunden habe, bin ich gerne im hinteren Bereich, dort schneidet man vor allem Schnittblumen an und füllt Vasen auf. Ich weiß inzwischen genau, welche Sorte Schnittblume mit ihrer Länge in welche Vase passt. Außerdem laufe ich viel hin und her, packe Neuware aus, fülle die Kühlung auf, hole frisches Wasser, schreibe Preisschilder und dekoriere.  

Das ist oft entspannter als die Arbeit vorne am Tresen, denn wenn du Kundschaft hast, kannst du nicht mal eben die Blumen zur Seite legen und einen Kaffee trinken. Die meisten Menschen kommen mittags und nachmittags. Samstag ist der umsatzstärkste Tag in der Woche. Mittags habe ich eine Stunde Pause, um zu essen. Und dann geht es weiter bis zum Feierabend. Montags wird immer viel aufgeräumt und weggeschmissen, weil jeden Dienstag und Donnerstag neue Ware geliefert wird. Der Preis beleibt derselbe, egal ob die Blumen frisch reingekommen sind oder nicht. Es ist ein sehr rhythmisches Arbeitsleben mit festen Routinen – alles wiederholt sich. Das finde ich gut.“

Was mich an meinem Job stört

„Schnittblumen werden in beheizten Gewächshäusern gezüchtet und mit Pestiziden bespritzt. Wir haben auch Fairtrade-Blumen im Sortiment, die den Schutz der Umwelt und Arbeitsbedingungen versprechen. Das sind aber nur zehn von 80 Bünden und wie ein Tropfen auf dem heißen Stein. Für die Kundschaft ist häufig nur wichtig, dass der Strauß so günstig wie möglich ist. Der Preis soll nicht höher als 15 Euro sein. Der größte Teil wird aus dem Ausland importiert. Rosen etwa kommen aus Afrika. Das belastet die Umwelt. Mir war das vorher nicht klar. Früher oder später macht man sich darüber aber keine Gedanken mehr. Ich habe das nicht vor Augen. Was ich aber sehe, sind die Massen an Ware. Ein bis zwei Mal in der Woche fährt ein LKW vor. Ich kann schlecht schätzen, wie viele frische Blumen wir reinbekommen – vielleicht zwischen 2000 und 3000? Heftig ist, dass die Hälfte davon eine Woche später weggeschmissen wird.“ 

Wie der Job das Privatleben beeinflusst 

„Weil ich in einem großen Gartencenter arbeite, habe ich die gleichen Arbeitszeiten wie im Einzelhandel. Die Filialen haben täglich von morgens bis 18:30 abends geöffnet. Als Vollzeitkraft habe ich kaum Freizeit, zumal ich einen längeren Arbeitsweg habe. Abends bin ich immer kaputt und müde. Zeit für ein Hobby bleibt mir nicht. Die Floristik hat auch am Wochenende geöffnet. Meine Freund:innen haben am Wochenende immer frei – ich nur selten. Deswegen werde ich immer gefragt, ob und ab wann ich Zeit habe.“ 

Was Menschen über meinen Job denken

„Wenn ich erzähle, dass ich als Floristin arbeite, werde ich oft gefragt, für welche Anlässe ich am liebsten Blumen binde. Sträuße für Hochzeiten mache ich besonders gerne. Diese Kundschaft weiß oft ganz genau, was sie will. Sie haben Ideen, bringen Fotos oder ein Farbschema mit. Das macht mir die Arbeit einfacher. Und sie lassen gerne Trinkgeld da oder bringen sogar nach ein bis zwei Wochen eine Hochzeitskarte vorbei.

Generell denken viele Menschen: ‚Och ist ja schön, mit Blümchen tüdeln.‘ Dabei ist es ein anstrengender und schmutziger Beruf. Dreck sammelt sich unter den Fingernägeln, zu Beginn meiner Ausbildung hatte ich häufiger Schnittverletzungen an den Daumen. Ich arbeite mit dreckigem Wasser. Steht es länger, stinkt es. Pingelig darf man nicht sein. Ich möchte trotzdem als Floristin arbeiten, solange es mir Spaß macht. Und solange ich das körperlich kann. Eine Kollegin von mir musste wegen ständiger Rückenschmerzen mit Mitte 40 ihren Beruf aufgeben.“ 

Wieviel ich verdiene

„Ich verdiene 2300 Euro brutto pro Monat. Im Laufe der Zeit hat sich in meinem Job aber einiges geändert, unter anderem arbeite ich mehr Stunden pro Woche. Daher finde ich das Gehalt in der jetzigen Situation nicht mehr angemessen. Bald werde ich aber das Unternehmen wechseln, in einem kleineren Blumenladen arbeiten und in Zukunft mehr Freizeit haben. Meinen neuen Vertrag habe ich schon unterschrieben und damit bin ich zufrieden.“

  • teilen
  • schließen