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"Am Ende ist doch eigentlich alles Pop"

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Vor drei Jahren zog Georg auf Lieder, Musiker mit bolivianischen Wurzeln, von Hamburg nach Berlin, mitsamt seiner Musik und seinem Humor. Als Bühne nahm er sich ein paar Quadratmeter unter der Weltzeituhr am Alexanderplatz, Publikum war, wer stehenblieb. Dieses Jahr sind die Bühnen größer und heißen „Rock am Ring“ und „Rock im Park“. Am 22. August ist Georg auf Lieders Debütalbum „Alexanderplatz“ bei Universal Music erschienen. Ein Gespräch über Popmusik, nach Hause fahren und bewusste Entscheidungen.  

jetzt.de: Der Name deines Debütalbums „Alexanderplatz“ ist ein Verweis auf deine Straßenmusikerzeit. Wieso hast du dich vor drei Jahren dazu entschieden, von Hamburg nach Berlin zu ziehen und dort Straßenmusik zu machen? 
Georg auf Lieder: Es war eine Zeit des totalen Umbruchs für mich. Ich bin nach Berlin gezogen, um meine Musik voran zu bringen. Dabei wusste ich noch nicht, wie das passieren soll – aber, dass es passieren muss. Ich war total abgebrannt, habe zwei, drei Wochen Wasser mit Haferflocken und Zwiebeln gegessen und es Zwiebelsuppe genannt. Also habe ich angefangen, Straßenmusik zu machen, was erstaunlich gut lief. Ich habe nur eigene Songs gespielt und angefangen CDs zu verkaufen und dann konnte ich auf einmal von meinen Songs meine Miete bezahlen und meinen Kühlschrank füllen.  

Ein Mit-dem-Rücken-zur-Wand-Werdegang also. So was will man hören.
(lacht) Ja. Hinzu kommt, dass ich die Leute mit meinen eigenen Songs erreichen konnte. Es ist ja oft so: Als Musiker schreibt man Songs, die zeigt man mal Freunden und macht höchstens bei so komischen Contests mit, aber weiter wächst das nie. Durch die Straßenmusik hatte ich das erste Mal das Gefühl, dass es läuft. Die ersten Male habe ich mich am Alexanderplatz mit meiner Gitarre aufgebaut, bin dann aber wieder nach Hause gefahren, weil ich mich nicht getraut habe. Das kostete wirklich Überwindung, denn du machst dich echt nackig, wenn du keine Coverversionen von Songs spielst, die jeder kennt und mag. Aber wenn du einen guten Tag hast, dann bleiben um die hundert Leute stehen, um dir zuzuhören.

Wäre es nicht einfacher gewesen, Coverversionen zu spielen?
Klar, aber ich wollte ja nicht, dass die Leute mir einen Euro schenken, weil ich Songs spiele, die sie kennen und sich daheim immer anhören. Ich wollte, dass sie sehen, was ich mache – dass sich ein Typ da hinstellt und seine eigenen Sachen spielt, die jeder versteht, aber keiner kennt.  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Georg auf Lieder war schon und ist noch vieles - Punkrockmusiker, Straßenmusiker, Popmusiker, Schulabbrecher, Geschichtenerzähler, Mann mit Humor.

Gestern Straßenmusik, heute Plattenvertrag. Dein Album erscheint bei Universal Music. Wie ist das passiert?
Ich hatte letztes Jahr das unwahrscheinliche Glück, dass ein paar Labels gleichzeitig mit mir zusammenarbeiten wollten. Dementsprechend konnte ich sehr früh klar machen und damit verhandeln, dass ich nur das machen will, worauf ich Bock habe. Und dann habe ich mich für das Label entschieden, dass mir am meisten das zugesichert hat, was ich wollte, und das am stärksten interessiert war – das war dann Universal.  

Wie sind die auf dich aufmerksam geworden?
Ich wurde 2012 auf dem Alexanderplatz von einem Kumpel meines Managers angesprochen, durch den wir uns dann kennenlernten. Er hatte gerade frisch angefangen, Künstler zu managen. Wir haben uns zusammengetan, hochgearbeitet, beide den Arsch aufgerissen und einfach jede Möglichkeit genutzt, irgendwo vorzuspielen. Bei einem Showcase in Hamburg auf dem Reeperbahnfestival waren dann plötzlich Produzenten, Labels, Verlagsleute, alle da. Das war echt absurd – und danach kam das große Kennenlernen. Dabei war es wichtig, einen Verbündeten dabei zu haben, der die Musikindustrie und die Medienwelt durchschaut und verstanden hat.  

Deine Auftritte leben von deiner Entertainerqualitäten und den amüsanten bis schönen Geschichten, die du zu den Songs erzählst. Ist das geplant oder sprudelt das spontan aus dir raus?
Prinzipiell gibt es immer eine Geschichte zum Song, in der ich etwas mit Menschen erlebt habe. Und ich erzähle diese Geschichte vorher oft, damit die Leute ein Gefühl für den Song bekommen. Teilweise gehe ich auf die Bühne und weiß nicht mal, welche Songs ich spielen werde, denn ich versuche damit anzufangen, was gerade auf und vor der Bühne passiert. Ich finde auf der Bühne zu stehen, ist wie eine fremde, neue Küche zu betreten. Man kommt rein und hat ganz viele Zutaten, grundlegend kann man kochen, aber man weiß noch nicht, was. Ich mag das und ich glaube die Leute auch, wenn sie merken, dass ich meine Konzerte nicht bloß runterrattere, sondern wirklich da bin, mir den Arsch abspiele und Mühe gebe.  

Du sagst immer, du machst deutsche Popmusik. Du hast aber eine musikalische Vergangenheit der eher härteren Gangart.
Ich komme aus wirklichem Geballer, Punkrock und solche Sachen, und war eigentlich nur Gitarrist. Sich aber nur mit dickem E-Gitarren-Geschrammel auf den Alex zu stellen – ich weiß ja nicht. Durch die Akustikgitarre hat es sich zum Pop entwickelt. Das fühlt sich für mich aber ganz natürlich an. Und machen wir uns nichts vor, diese ganze verkappte Genrespaltung – am Ende ist doch eigentlich alles Pop!  

Du hast sehr früh alles auf eine Karte gesetzt, dich für die Musik und für viel Unsicherheit entschieden. Ziemlich konsequent.
Ich habe mit 17 die Schule abgebrochen, weil ich Rockstar werden wollte (lacht). Ich habe in einer Band gespielt – zwar den Großteil der Songs geschrieben, aber nur Gitarre gespielt, nicht gesungen – und in diese Band habe ich alles reingesteckt. Viel geprobt, Konzerte gespielt, geschrieben, mich mit einem Management zusammen getan, es gab erstes Interesse von Labels und so weiter. Diese Band hat sich dann leider aufgelöst und ich stand vor einem riesen Loch. Das ist jetzt neun Jahre her und diese ganzen Erfahrungen musste ich machen –  dass sich meine Band aufgelöst hat und ich nicht wusste, wo ich hin soll und warum ich mich so verloren fühle. Das war richtig so. Dann habe ich angefangen, selbst zu singen. Und ich war überhaupt kein Sänger.  

Aber du machst ja anscheinend ganz gut, was du da machst.
(lacht) Ja, es wurde ja besser. Es ist für mich aber immer noch absurd, dass ich mittlerweile Sänger bin und nicht mehr Punkrockgitarrist.

Text: felix-emeric-tota - Foto: Ben Wolf / Universal

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