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"Athen ist der Hotspot für die Hoffnungslosen"

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„Wie können wir helfen?“, fragen sich vergangenen Sommer die Brüder Tobias und Florian Horsch und ihr Freund Manuel Seifried angesichts der Flüchtlingskrise. Tobias ist Koch, seine Eltern führen ein Cateringunternehmen in Heidelberg. Da liegt die Idee nah: „Soup and Socks“ – die Jungs wollen mit einem Food-Truck die Balkanroute abfahren und für Flüchtlinge kochen. Auch Kleiderspenden haben sie im Gepäck. Weiter als bis Griechenland kommen sie nicht. "Schikane", sagen sie. "Man versucht mit allen Mitteln, den Zustrom an Flüchtlingen zu stoppen. Das geht auch, indem man Freiwillige bei der Arbeit behindert." Ein Gespräch.

jetzt.de: Zwei Wochen kochen auf der Balkanroute – wie habt ihr Euch auf die Tour vorbereitet?

Tobi: Wir haben erst mal einen Ablaufplan geschrieben – zu glauben, dass wir zu dritt ganz easy ein paar hundert Essen am Tag kochen können, hat sich als ziemlich naiv herausgestellt. Über unsere Webseite haben wir weitere Helfer gesucht, am Ende waren wir zu siebt. Vier Wochen vorher haben wir damit begonnen, im Bekanntenkreis und über die Plattform betterplace.org Spenden zu sammeln. Die Spendenbereitschaft hat uns umgehauen: Unser Ziel waren 7000 Euro, zum Schluss waren es fast 20.000. 

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert
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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert
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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Euer Plan war es, zwei Wochen lang die Balkanroute abzufahren. Stattdessen habt ihr zwischen den Jahren in Athen Station gemacht. Warum?

Die Situation an den Grenzen ist viel angespannter, als wir dachten. Das gilt nicht nur für Flüchtlinge, sondern auch für die Helfer. Aus Mazedonien haben wir heftige Stories gehört: Von dort werden teilweise riesige Zehntonner mit Spenden wieder zurückgeschickt, weil angeblich irgendeine Bescheinigung fehlt.

Woran liegt das, dass Spenden an den Grenzen nicht durchkommen?

Das ist Schikane. Die Mentalität ist klar: Man versucht mit allen Mitteln, den Zustrom an Flüchtlingen zu stoppen. Das geht auch, indem man Freiwillige bei der Arbeit behindert. 

Ihr habt etwa 800 Essen am Tag gekocht, mittags und abends – wurden davon alle satt?

Wir haben von Anfang an gesagt: Jeder Mensch, der sich anstellt, bekommt etwas zu Essen. Es kamen auch Freiwillige oder Obdachlose. Einige Flüchtlinge haben für uns gedolmetscht, andere haben Müll eingesammelt oder Suppe ausgeschenkt. Wenn das Essen tatsächlich mal leer war, haben wir improvisiert. Manchmal haben wir noch abends eine Bäckerei leergekauft und Brot verteilt. Es war uns wichtig, dass keiner hungrig schlafen gehen muss.

Was hieß das für Euch?

Unser Tagesablauf war voll durchgetaktet – um fünf Uhr zum Markt fahren, stundenlang Gemüse schälen und kochen, dann zwei Mal Essen verteilen. Oft waren wir bis zu 20 Stunden auf den Beinen. Aber einen Abend frei zu machen, war einfach keine Option. Wir haben uns ab dem ersten Tag für die Menschen verantwortlich gefühlt. Es ging eben um viel mehr, als die Essensausgabe: Viele Flüchtlinge haben unterwegs ihre Freunde verloren, hatten Probleme mit den Behörden oder keinen Schlafplatz. Ihnen haben wir versucht, so gut es ging, zu helfen. Nach ein paar Tagen wurde der Truck, mit dem wir immer an dieselben zentralen Plätze in Athen gefahren sind, für sie zum Treffpunkt.

Kannst du dich an eine besonders schwierige Situation erinnern?

Einmal standen nachts um elf auf dem Platz 30 Afghanen mit Kindern. Es war eiskalt. In solchen Situationen haben alle Helfer zusammengearbeitet: Es gibt ein relativ großes Netzwerk von legalen Hausbesetzern, hauptsächlich Schweizer, Franzosen und Engländer. Sie haben drei Häuser und Platz für bis zu 200 Flüchtlinge. Mit ihrer Hilfe konnten sie unterkommen.

Wie wichtig ist die Freiwilligenarbeit vor Ort?

Sehr wichtig. Ich kann mir kaum vorstellen, wie es ohne die Freiwilligen dort aussehen würde. Griechenland ist einfach nicht in der Lage, die Doppelbelastung von Wirtschaftskrise und Flüchtlingsflut zu stemmen. Auf Unterstützung von der Regierung zu warten, hat keinen Sinn. Besonders schön war es, als Freiwillige das Vertrauen der Flüchtlinge wieder aufzubauen. Mit ihrem Leid wird so viel Geld gemacht. Sie konnten es teilweise nicht glauben, dass das Essen wirklich umsonst ist.

Gab es auch Unterstützung aus der Bevölkerung?

Ja, die Leute haben Essen gespendet oder auf dem Markt für uns übersetzt. Auf unserem Campingplatz durften wir kostenlos zwei Wohnwagen nutzen. Dort wohnen selbst viele Griechen, die sich keine Wohnung mehr leisten können – vielen geht es selbst sehr schlecht, aber trotzdem geben die Menschen, was sie können.

An den Grenzen dürfen mittlerweile nur SIA-Flüchtlinge, also Flüchtlinge aus Syrien, dem Irak und Afghanistan weiterreisen. Wie war das für Euch, die Schicksale derer zu erleben, die zurückbleiben mussten?

Athen ist der Hotspot für die Hoffnungslosen. Die Menschen dort können weder vor, noch zurück – sie haben für ihre Flucht ihr Leben riskiert, ihr letztes Geld gegeben. Mit vielen von ihnen haben wir uns angefreundet, zum Beispiel mit einer christlich-muslimischen Familie aus dem Iran. Sie hätten in Deutschland sehr gute Chancen auf Asyl, aber kommen hier noch nicht mal über die mazedonische Grenze. Es ist schwer, mit den Menschen zu reden, ohne sie zu entmutigen – gleichzeitig wollen wir sie auch nicht ins Verderben schicken. Von der mazedonischen Grenze kehren viele mit heftigen Wunden zurück, weil viele dort verprügelt werden. Trotzdem probieren sie es immer wieder.

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